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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von der Macht der Nazionen
§. 11.
Anerkennung des Gleichgewichts unter den
europäischen Mächten
.

Da das Gleichgewicht hauptsächlich auf die ausdrück-
liche oder stilschweigende Einwilligung der Völker beruht,
so ist es, um das Dasein eines solchen Systems unter
den europäischen Nazionen zu erweisen, nöthig, deren
Anerkennung beizubringen. Schon aus der vorhergehen-
den Geschichte, und noch mehr aus den bey Gelegenheit
der daselbst angeführten Kriege und Friedensschlüsse ge-
pflogenen Unterhandlungen und gebrauchten Maasregeln
wird man sich von der wenigstens stilschweigenden Befolg-
ung der Grundsätze des Gleichgewichts unter den Staa-
ten Europens überzeugen können. Zu mehrerer Bestä-
tigung dieses Systems will ich aber auch noch einige der
vornehmsten Verträge anführen, worinn sie dasselbe aus-
drücklich anerkant haben.

Frankreich,
Grosbritannien und
die vereinigten Niederlande schlossen 1698 den 11ten
October den sogenanten Partagetractat über die spa-
nische Erbfolge unter nachfolgenden Aeusserungen:
"Und nachdem gemeldte zwey Könige und die Herrn
Generalstaaten vor allen Dingen die Erhaltung
der algemeinen Ruhe
verlangen, und dahin
trachten, damit durch Beilegung derer Irrungen
und Differenzien, welche um besagter Succession
willen, oder auch aus schöpfender Ombrage,
wenn allzuviel Länder unter eines einigen
Fürsten Botmäsigkeit vereinigt würden
, re-
sultiren, und sich hervorthun solten, ein neuer
Krieg
Von der Macht der Nazionen
§. 11.
Anerkennung des Gleichgewichts unter den
europaͤiſchen Maͤchten
.

Da das Gleichgewicht hauptſaͤchlich auf die ausdruͤck-
liche oder ſtilſchweigende Einwilligung der Voͤlker beruht,
ſo iſt es, um das Daſein eines ſolchen Syſtems unter
den europaͤiſchen Nazionen zu erweiſen, noͤthig, deren
Anerkennung beizubringen. Schon aus der vorhergehen-
den Geſchichte, und noch mehr aus den bey Gelegenheit
der daſelbſt angefuͤhrten Kriege und Friedensſchluͤſſe ge-
pflogenen Unterhandlungen und gebrauchten Maasregeln
wird man ſich von der wenigſtens ſtilſchweigenden Befolg-
ung der Grundſaͤtze des Gleichgewichts unter den Staa-
ten Europens uͤberzeugen koͤnnen. Zu mehrerer Beſtaͤ-
tigung dieſes Syſtems will ich aber auch noch einige der
vornehmſten Vertraͤge anfuͤhren, worinn ſie daſſelbe aus-
druͤcklich anerkant haben.

Frankreich,
Grosbritannien und
die vereinigten Niederlande ſchloſſen 1698 den 11ten
October den ſogenanten Partagetractat uͤber die ſpa-
niſche Erbfolge unter nachfolgenden Aeuſſerungen:
„Und nachdem gemeldte zwey Koͤnige und die Herrn
Generalſtaaten vor allen Dingen die Erhaltung
der algemeinen Ruhe
verlangen, und dahin
trachten, damit durch Beilegung derer Irrungen
und Differenzien, welche um beſagter Succeſſion
willen, oder auch aus ſchoͤpfender Ombrage,
wenn allzuviel Laͤnder unter eines einigen
Fuͤrſten Botmaͤſigkeit vereinigt wuͤrden
, re-
ſultiren, und ſich hervorthun ſolten, ein neuer
Krieg
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[346/0372] Von der Macht der Nazionen §. 11. Anerkennung des Gleichgewichts unter den europaͤiſchen Maͤchten. Da das Gleichgewicht hauptſaͤchlich auf die ausdruͤck- liche oder ſtilſchweigende Einwilligung der Voͤlker beruht, ſo iſt es, um das Daſein eines ſolchen Syſtems unter den europaͤiſchen Nazionen zu erweiſen, noͤthig, deren Anerkennung beizubringen. Schon aus der vorhergehen- den Geſchichte, und noch mehr aus den bey Gelegenheit der daſelbſt angefuͤhrten Kriege und Friedensſchluͤſſe ge- pflogenen Unterhandlungen und gebrauchten Maasregeln wird man ſich von der wenigſtens ſtilſchweigenden Befolg- ung der Grundſaͤtze des Gleichgewichts unter den Staa- ten Europens uͤberzeugen koͤnnen. Zu mehrerer Beſtaͤ- tigung dieſes Syſtems will ich aber auch noch einige der vornehmſten Vertraͤge anfuͤhren, worinn ſie daſſelbe aus- druͤcklich anerkant haben. Frankreich, Grosbritannien und die vereinigten Niederlande ſchloſſen 1698 den 11ten October den ſogenanten Partagetractat uͤber die ſpa- niſche Erbfolge unter nachfolgenden Aeuſſerungen: „Und nachdem gemeldte zwey Koͤnige und die Herrn Generalſtaaten vor allen Dingen die Erhaltung der algemeinen Ruhe verlangen, und dahin trachten, damit durch Beilegung derer Irrungen und Differenzien, welche um beſagter Succeſſion willen, oder auch aus ſchoͤpfender Ombrage, wenn allzuviel Laͤnder unter eines einigen Fuͤrſten Botmaͤſigkeit vereinigt wuͤrden, re- ſultiren, und ſich hervorthun ſolten, ein neuer Krieg

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/372>, abgerufen am 19.04.2024.