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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Algemeine Grundsätze des Völkerrechts.
seine Glückseligkeit auf alle Art zu befördern, und muß
daher am besten wissen, ob es der Hülfe und Unterstütz-
ung anderer dabey bedarf b]. Im Verweigerungsfall
kann es sich auch darüber beschweren, und bey ähnlicher
Gelegenheit das nämliche Betragen gegen das unbillige
Volk annehmen. Am wenigsten kann aber auch eine
Nazion gezwungen werden, die Leistung der Liebespflich-
ten von andern anzunehmen c].

a] Genti quoque uni ab altera officia humanitatis non
quidem exigere tandem petere licet. Wolf c. 2.
§. 170. not.
b] Schrodt l. c. c. 3. §. 5.
c] Vattel L. 2. c. 1. §. 7.
§. 16.
Sie erlangen eine volkomne Verbindlich-
keit
a] durch Verträge.

Diese von Natur unvolkomnen Pflichten können
iedoch durch die stilschweigende oder ausdrückliche Ein-
willigung der Nazionen die Kraft der volkomnen erlan-
gen. In beiden Fällen ist die Verbindlichkeit aber
nicht weiter zu erstrecken, als die Natur und der Inhalt
dieser Verträge es mit sich bringt. Zu der stilschweigen-
den Einwilligung in die volkomne Verbindlichkeit der
Geselschafts- und Liebespflichten rechne ich die, ohne
ausdrückliche Uebereinkunft, unter mehrere, besonders
den europäischen Nazionen bestehende Geselschaft [K. 2.]
welche ihnen die Pflicht auflegt: Alles zu thun, was
das gemeinschaftliche Wohl der Geselschaft noth-
wendig
erfodert.
Die unbedingte Beförderung
der Glückseligkeit einzelner Glieder derselben bleibt dem-
ungeachtet blos unvolkomne Verbindlichkeit.

Durch

Algemeine Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts.
ſeine Gluͤckſeligkeit auf alle Art zu befoͤrdern, und muß
daher am beſten wiſſen, ob es der Huͤlfe und Unterſtuͤtz-
ung anderer dabey bedarf b]. Im Verweigerungsfall
kann es ſich auch daruͤber beſchweren, und bey aͤhnlicher
Gelegenheit das naͤmliche Betragen gegen das unbillige
Volk annehmen. Am wenigſten kann aber auch eine
Nazion gezwungen werden, die Leiſtung der Liebespflich-
ten von andern anzunehmen c].

a] Genti quoque uni ab altera officia humanitatis non
quidem exigere tandem petere licet. Wolf c. 2.
§. 170. not.
b] Schrodt l. c. c. 3. §. 5.
c] Vattel L. 2. c. 1. §. 7.
§. 16.
Sie erlangen eine volkomne Verbindlich-
keit
a] durch Vertraͤge.

Dieſe von Natur unvolkomnen Pflichten koͤnnen
iedoch durch die ſtilſchweigende oder ausdruͤckliche Ein-
willigung der Nazionen die Kraft der volkomnen erlan-
gen. In beiden Faͤllen iſt die Verbindlichkeit aber
nicht weiter zu erſtrecken, als die Natur und der Inhalt
dieſer Vertraͤge es mit ſich bringt. Zu der ſtilſchweigen-
den Einwilligung in die volkomne Verbindlichkeit der
Geſelſchafts- und Liebespflichten rechne ich die, ohne
ausdruͤckliche Uebereinkunft, unter mehrere, beſonders
den europaͤiſchen Nazionen beſtehende Geſelſchaft [K. 2.]
welche ihnen die Pflicht auflegt: Alles zu thun, was
das gemeinſchaftliche Wohl der Geſelſchaft noth-
wendig
erfodert.
Die unbedingte Befoͤrderung
der Gluͤckſeligkeit einzelner Glieder derſelben bleibt dem-
ungeachtet blos unvolkomne Verbindlichkeit.

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[400/0426] Algemeine Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts. ſeine Gluͤckſeligkeit auf alle Art zu befoͤrdern, und muß daher am beſten wiſſen, ob es der Huͤlfe und Unterſtuͤtz- ung anderer dabey bedarf b]. Im Verweigerungsfall kann es ſich auch daruͤber beſchweren, und bey aͤhnlicher Gelegenheit das naͤmliche Betragen gegen das unbillige Volk annehmen. Am wenigſten kann aber auch eine Nazion gezwungen werden, die Leiſtung der Liebespflich- ten von andern anzunehmen c]. a] Genti quoque uni ab altera officia humanitatis non quidem exigere tandem petere licet. Wolf c. 2. §. 170. not. b] Schrodt l. c. c. 3. §. 5. c] Vattel L. 2. c. 1. §. 7. §. 16. Sie erlangen eine volkomne Verbindlich- keit a] durch Vertraͤge. Dieſe von Natur unvolkomnen Pflichten koͤnnen iedoch durch die ſtilſchweigende oder ausdruͤckliche Ein- willigung der Nazionen die Kraft der volkomnen erlan- gen. In beiden Faͤllen iſt die Verbindlichkeit aber nicht weiter zu erſtrecken, als die Natur und der Inhalt dieſer Vertraͤge es mit ſich bringt. Zu der ſtilſchweigen- den Einwilligung in die volkomne Verbindlichkeit der Geſelſchafts- und Liebespflichten rechne ich die, ohne ausdruͤckliche Uebereinkunft, unter mehrere, beſonders den europaͤiſchen Nazionen beſtehende Geſelſchaft [K. 2.] welche ihnen die Pflicht auflegt: Alles zu thun, was das gemeinſchaftliche Wohl der Geſelſchaft noth- wendig erfodert. Die unbedingte Befoͤrderung der Gluͤckſeligkeit einzelner Glieder derſelben bleibt dem- ungeachtet blos unvolkomne Verbindlichkeit. Durch

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/426>, abgerufen am 29.03.2024.