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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und dem europäischen insbesondere.
chen Handlung, blos aus dem Wesen der Völker ent-
springt, lezteres sezt eine verbindliche Handlung, ein so-
genantes factum iuridicum, z. B. einen Vertrag, eine
Beleidigung voraus. Zouchäus und Mehrere machen
einen Unterschied zwischen ius gentium und jus inter gentes.
Unter ienem verstehn sie das natürliche, unter diesem
das von ihm abgehandelte practische Völkerrecht. Sel-
den
endlich theilt das Völkerrecht in Rücksicht der von
Gott dem iüdischen Volke unmittelbar ertheilten Völ-
kergesetze in ius gentium imperativum und interveniens.

*] Man sehe von diesen und mehrern zum Theil unschickli-
chen Eintheilungen Sam. Rachelii diss. IIdam de J. N.
et G.
besonders §. 17-22.
§. 13.
Verschiedenheit des Völkerrechts vom
Naturrechte
.

Unter dem Ausdruck: Völkerrecht verstehen Viele
sogleich ein Recht, welches alle Völker verbinden soll:
so wie der Name: Staatsrecht, ohne weitern Zusatz
immer nur das algemeine bezeichnet. Da sie nun blos
dem Naturrechte eine algemeine Verbindlichkeit zugestehn
und solches gerade zu auf die Völker angewandt wissen
wollen; so halten sie auch den Unterschied für unnöthig.
Hobbes läugnete ihn zuerst: ihm folgten Puffendorf,
Gundling, Böhmer
und Andere. Die gegenseitige
Meinung hat iedoch triftigere Gründe für sich. So ver-
schieden das Wesen politischer Körper von dem Wesen
würklicher Personen ist, so manchen Abänderungen ist
nothwendig das Naturrecht in der Anwendung auf freie
Völker unterworfen. Schon das natürliche Völkerrecht
weicht also von dem Naturrechte merklich ab: noch ein-
leuchtender also wird der Unterschied bey den positiven
Grundsätzen. Puffendorf und seine Nachfolger trugen

indes
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und dem europaͤiſchen insbeſondere.
chen Handlung, blos aus dem Weſen der Voͤlker ent-
ſpringt, lezteres ſezt eine verbindliche Handlung, ein ſo-
genantes factum iuridicum, z. B. einen Vertrag, eine
Beleidigung voraus. Zouchaͤus und Mehrere machen
einen Unterſchied zwiſchen ius gentium und jus inter gentes.
Unter ienem verſtehn ſie das natuͤrliche, unter dieſem
das von ihm abgehandelte practiſche Voͤlkerrecht. Sel-
den
endlich theilt das Voͤlkerrecht in Ruͤckſicht der von
Gott dem iuͤdiſchen Volke unmittelbar ertheilten Voͤl-
kergeſetze in ius gentium imperativum und interveniens.

*] Man ſehe von dieſen und mehrern zum Theil unſchickli-
chen Eintheilungen Sam. Rachelii disſ. IIdam de J. N.
et G.
beſonders §. 17-22.
§. 13.
Verſchiedenheit des Voͤlkerrechts vom
Naturrechte
.

Unter dem Ausdruck: Voͤlkerrecht verſtehen Viele
ſogleich ein Recht, welches alle Voͤlker verbinden ſoll:
ſo wie der Name: Staatsrecht, ohne weitern Zuſatz
immer nur das algemeine bezeichnet. Da ſie nun blos
dem Naturrechte eine algemeine Verbindlichkeit zugeſtehn
und ſolches gerade zu auf die Voͤlker angewandt wiſſen
wollen; ſo halten ſie auch den Unterſchied fuͤr unnoͤthig.
Hobbes laͤugnete ihn zuerſt: ihm folgten Puffendorf,
Gundling, Boͤhmer
und Andere. Die gegenſeitige
Meinung hat iedoch triftigere Gruͤnde fuͤr ſich. So ver-
ſchieden das Weſen politiſcher Koͤrper von dem Weſen
wuͤrklicher Perſonen iſt, ſo manchen Abaͤnderungen iſt
nothwendig das Naturrecht in der Anwendung auf freie
Voͤlker unterworfen. Schon das natuͤrliche Voͤlkerrecht
weicht alſo von dem Naturrechte merklich ab: noch ein-
leuchtender alſo wird der Unterſchied bey den poſitiven
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[23/0049] und dem europaͤiſchen insbeſondere. chen Handlung, blos aus dem Weſen der Voͤlker ent- ſpringt, lezteres ſezt eine verbindliche Handlung, ein ſo- genantes factum iuridicum, z. B. einen Vertrag, eine Beleidigung voraus. Zouchaͤus und Mehrere machen einen Unterſchied zwiſchen ius gentium und jus inter gentes. Unter ienem verſtehn ſie das natuͤrliche, unter dieſem das von ihm abgehandelte practiſche Voͤlkerrecht. Sel- den endlich theilt das Voͤlkerrecht in Ruͤckſicht der von Gott dem iuͤdiſchen Volke unmittelbar ertheilten Voͤl- kergeſetze in ius gentium imperativum und interveniens. *] Man ſehe von dieſen und mehrern zum Theil unſchickli- chen Eintheilungen Sam. Rachelii disſ. IIdam de J. N. et G. beſonders §. 17-22. §. 13. Verſchiedenheit des Voͤlkerrechts vom Naturrechte. Unter dem Ausdruck: Voͤlkerrecht verſtehen Viele ſogleich ein Recht, welches alle Voͤlker verbinden ſoll: ſo wie der Name: Staatsrecht, ohne weitern Zuſatz immer nur das algemeine bezeichnet. Da ſie nun blos dem Naturrechte eine algemeine Verbindlichkeit zugeſtehn und ſolches gerade zu auf die Voͤlker angewandt wiſſen wollen; ſo halten ſie auch den Unterſchied fuͤr unnoͤthig. Hobbes laͤugnete ihn zuerſt: ihm folgten Puffendorf, Gundling, Boͤhmer und Andere. Die gegenſeitige Meinung hat iedoch triftigere Gruͤnde fuͤr ſich. So ver- ſchieden das Weſen politiſcher Koͤrper von dem Weſen wuͤrklicher Perſonen iſt, ſo manchen Abaͤnderungen iſt nothwendig das Naturrecht in der Anwendung auf freie Voͤlker unterworfen. Schon das natuͤrliche Voͤlkerrecht weicht alſo von dem Naturrechte merklich ab: noch ein- leuchtender alſo wird der Unterſchied bey den poſitiven Grundſaͤtzen. Puffendorf und ſeine Nachfolger trugen indes B 4

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/49>, abgerufen am 28.03.2024.