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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und dem europäischen insbesondere.
Oft wird in den Staatshandlungen der europäischen
Souverains der Ausdruck: Völkerrecht ohne weitern
Zusatz gebraucht, und dann darunter gemeiniglich das
natürliche und Gewonheitsrecht verstanden, zumal wenn
es, wie nicht selten geschieht, den Tractaten entgegen
gesezt ist. So sagen z. B. die vereinigten Niederlande in
ihrem Kriegsmanifeste gegen Grosbritannien 1781. Sie
wären der bewafneten Neutralität beigetreten, um mit
andern nordischen Mächten die Neutralität und Rechte der
Neutralen, die ihnen nach dem Völkerrechte und den
vorwaltenden Tractaten zukommen, mit gesamter Hand
zu vertheidigen. Ingleichen: Die Entscheidung über die
Priesen und Besitznehmungen, welche vor Anfang der
Feindseligkeiten gemacht worden, soll an die resp. Gerichts-
höfe beyder Nazionen gewiesen werden, so daß ihre Recht-
mäßigkeit nach dem Völkerrechte und den Tractaten
vor den Justizhöfen der Nazion soll entschieden werden,
welche die Priesen gemacht oder die Besitznehmungen an-
befohlen hat. Def. Friede zwischen Frankreich und Gros-
britannien 1783. Art. 21.
§. 23.
Geschichte des europäischen Völkerrechts.

Die Einsicht und Beurteilung der europäischen Völ-
kerrechtslehren wird durch alle oberwähnte Theile der
Staatswissenschaft nicht wenig erleichtert. Die haupt-
sächlichsten Hülfsmittel aber gewährt die Kentnis des
Staatsrechts der europäischen Nazionen, ihrer politi-
schen Verfassung und besonders ihres Staatsinteresse,
die man durch das Studium der Staatengeschichte und
der Statistick mit allen zur Geschichte gehörigen Hülfs-
wissenschaften, als Geographie, Genealogie, Heral-
dick etc. aus bewährten Quellen, zuweilen auch aus poli-
tischen Blättern, durch Reisen, Umgang mit Staats-

bedien-
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und dem europaͤiſchen insbeſondere.
Oft wird in den Staatshandlungen der europaͤiſchen
Souverains der Ausdruck: Voͤlkerrecht ohne weitern
Zuſatz gebraucht, und dann darunter gemeiniglich das
natuͤrliche und Gewonheitsrecht verſtanden, zumal wenn
es, wie nicht ſelten geſchieht, den Tractaten entgegen
geſezt iſt. So ſagen z. B. die vereinigten Niederlande in
ihrem Kriegsmanifeſte gegen Grosbritannien 1781. Sie
waͤren der bewafneten Neutralitaͤt beigetreten, um mit
andern nordiſchen Maͤchten die Neutralitaͤt und Rechte der
Neutralen, die ihnen nach dem Voͤlkerrechte und den
vorwaltenden Tractaten zukommen, mit geſamter Hand
zu vertheidigen. Ingleichen: Die Entſcheidung uͤber die
Prieſen und Beſitznehmungen, welche vor Anfang der
Feindſeligkeiten gemacht worden, ſoll an die resp. Gerichts-
hoͤfe beyder Nazionen gewieſen werden, ſo daß ihre Recht-
maͤßigkeit nach dem Voͤlkerrechte und den Tractaten
vor den Juſtizhoͤfen der Nazion ſoll entſchieden werden,
welche die Prieſen gemacht oder die Beſitznehmungen an-
befohlen hat. Def. Friede zwiſchen Frankreich und Gros-
britannien 1783. Art. 21.
§. 23.
Geſchichte des europaͤiſchen Voͤlkerrechts.

Die Einſicht und Beurteilung der europaͤiſchen Voͤl-
kerrechtslehren wird durch alle oberwaͤhnte Theile der
Staatswiſſenſchaft nicht wenig erleichtert. Die haupt-
ſaͤchlichſten Huͤlfsmittel aber gewaͤhrt die Kentnis des
Staatsrechts der europaͤiſchen Nazionen, ihrer politi-
ſchen Verfaſſung und beſonders ihres Staatsintereſſe,
die man durch das Studium der Staatengeſchichte und
der Statiſtick mit allen zur Geſchichte gehoͤrigen Huͤlfs-
wiſſenſchaften, als Geographie, Genealogie, Heral-
dick ꝛc. aus bewaͤhrten Quellen, zuweilen auch aus poli-
tiſchen Blaͤttern, durch Reiſen, Umgang mit Staats-

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[37/0063] und dem europaͤiſchen insbeſondere. *] Oft wird in den Staatshandlungen der europaͤiſchen Souverains der Ausdruck: Voͤlkerrecht ohne weitern Zuſatz gebraucht, und dann darunter gemeiniglich das natuͤrliche und Gewonheitsrecht verſtanden, zumal wenn es, wie nicht ſelten geſchieht, den Tractaten entgegen geſezt iſt. So ſagen z. B. die vereinigten Niederlande in ihrem Kriegsmanifeſte gegen Grosbritannien 1781. Sie waͤren der bewafneten Neutralitaͤt beigetreten, um mit andern nordiſchen Maͤchten die Neutralitaͤt und Rechte der Neutralen, die ihnen nach dem Voͤlkerrechte und den vorwaltenden Tractaten zukommen, mit geſamter Hand zu vertheidigen. Ingleichen: Die Entſcheidung uͤber die Prieſen und Beſitznehmungen, welche vor Anfang der Feindſeligkeiten gemacht worden, ſoll an die resp. Gerichts- hoͤfe beyder Nazionen gewieſen werden, ſo daß ihre Recht- maͤßigkeit nach dem Voͤlkerrechte und den Tractaten vor den Juſtizhoͤfen der Nazion ſoll entſchieden werden, welche die Prieſen gemacht oder die Beſitznehmungen an- befohlen hat. Def. Friede zwiſchen Frankreich und Gros- britannien 1783. Art. 21. §. 23. Geſchichte des europaͤiſchen Voͤlkerrechts. Die Einſicht und Beurteilung der europaͤiſchen Voͤl- kerrechtslehren wird durch alle oberwaͤhnte Theile der Staatswiſſenſchaft nicht wenig erleichtert. Die haupt- ſaͤchlichſten Huͤlfsmittel aber gewaͤhrt die Kentnis des Staatsrechts der europaͤiſchen Nazionen, ihrer politi- ſchen Verfaſſung und beſonders ihres Staatsintereſſe, die man durch das Studium der Staatengeſchichte und der Statiſtick mit allen zur Geſchichte gehoͤrigen Huͤlfs- wiſſenſchaften, als Geographie, Genealogie, Heral- dick ꝛc. aus bewaͤhrten Quellen, zuweilen auch aus poli- tiſchen Blaͤttern, durch Reiſen, Umgang mit Staats- bedien- C 3

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/63>, abgerufen am 23.04.2024.