Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

und den europäischen insbesondere.
der Pforte alle vorige Verbindung auf und erklärten sich
für unabhängig. Diese Unabhängigkeit ward in dem drauf
folgenden Frieden zwischen Rußland und der Pforte zu
Kainardge 1774 Art. 3. bestättigt und die Krimm etc.
für einen souverainen Staat erklärt c]. Da derselbe aber
von der Pforte zu mancherley Misbräuchen seiner Unab-
hängigkeit sich verleiten und gegen Rußland sich aufwie-
geln ließ, nahm dieses die Krimm mittelst Manifests
vom 8. April 1783 d] in Besitz. Der Grossultan mu-
ste diese Besitznehmung auch gutheißen und die russische
Souverainetät über die Krimm, Kuban und Insel Ta-
man, mit Vernichtung der vorigen darauf sich beziehen-
den Tractaten, in einer besondern Akte vom 8. Jänner
1784 e] förmlich anerkennen.

Zu den eingegangenen kleinern Souverainetäten ge-
hört vornämlich das in Frankreich gelegene Fürstenthum
Dombes, das seit vielen Jahren von verschiedenen Be-
sitzern als ein souverainer Staat regiert und noch 1681
vom König Ludwig XIV. zu Gunsten seines natürlichen
Sohnes, des Herzogs von Maine, für unabhängig
erklärt ward: aber dessen Sohn, der Graf von Eu,
überließ es 1762 an die Krone Frankreich, worauf dessen
Einverleibung erfolgte f].

Die zur Grafschaft Mempelgard gehörigen vier Her-
schaften Hericourt, Chatelot, Blamont und Cler-
mont
wurden von Würtenberg ehemals für unabhängig
ausgegeben; allein Frankreich behauptete die Souverai-
netät darüber. Ersteres gab in einem Vergleiche 1748
endlich nach, erkante die französische Hoheit und leistete
auf die angemaste Unabhängigkeit Verzicht g].

a] Vattel L. 1. C. 16. §. 194.
b] Man vergl. Fursten. de jure suprem. c. XII.
c] Hausens Staats-Materialien 1. B. 3. Stck. S. 381. u. f.
d]
K

und den europaͤiſchen insbeſondere.
der Pforte alle vorige Verbindung auf und erklaͤrten ſich
fuͤr unabhaͤngig. Dieſe Unabhaͤngigkeit ward in dem drauf
folgenden Frieden zwiſchen Rußland und der Pforte zu
Kainardge 1774 Art. 3. beſtaͤttigt und die Krimm ꝛc.
fuͤr einen ſouverainen Staat erklaͤrt c]. Da derſelbe aber
von der Pforte zu mancherley Misbraͤuchen ſeiner Unab-
haͤngigkeit ſich verleiten und gegen Rußland ſich aufwie-
geln ließ, nahm dieſes die Krimm mittelſt Manifeſts
vom 8. April 1783 d] in Beſitz. Der Grosſultan mu-
ſte dieſe Beſitznehmung auch gutheißen und die ruſſiſche
Souverainetaͤt uͤber die Krimm, Kuban und Inſel Ta-
man, mit Vernichtung der vorigen darauf ſich beziehen-
den Tractaten, in einer beſondern Akte vom 8. Jaͤnner
1784 e] foͤrmlich anerkennen.

Zu den eingegangenen kleinern Souverainetaͤten ge-
hoͤrt vornaͤmlich das in Frankreich gelegene Fuͤrſtenthum
Dombes, das ſeit vielen Jahren von verſchiedenen Be-
ſitzern als ein ſouverainer Staat regiert und noch 1681
vom Koͤnig Ludwig XIV. zu Gunſten ſeines natuͤrlichen
Sohnes, des Herzogs von Maine, fuͤr unabhaͤngig
erklaͤrt ward: aber deſſen Sohn, der Graf von Eu,
uͤberließ es 1762 an die Krone Frankreich, worauf deſſen
Einverleibung erfolgte f].

Die zur Grafſchaft Mempelgard gehoͤrigen vier Her-
ſchaften Hericourt, Chatelot, Blamont und Cler-
mont
wurden von Wuͤrtenberg ehemals fuͤr unabhaͤngig
ausgegeben; allein Frankreich behauptete die Souverai-
netaͤt daruͤber. Erſteres gab in einem Vergleiche 1748
endlich nach, erkante die franzoͤſiſche Hoheit und leiſtete
auf die angemaſte Unabhaͤngigkeit Verzicht g].

a] Vattel L. 1. C. 16. §. 194.
b] Man vergl. Furſten. de jure ſuprem. c. XII.
c] Hauſens Staats-Materialien 1. B. 3. Stck. S. 381. u. f.
d]
K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0171" n="145"/><fw place="top" type="header">und den europa&#x0364;i&#x017F;chen insbe&#x017F;ondere.</fw><lb/>
der Pforte alle vorige Verbindung auf und erkla&#x0364;rten &#x017F;ich<lb/>
fu&#x0364;r unabha&#x0364;ngig. Die&#x017F;e Unabha&#x0364;ngigkeit ward in dem drauf<lb/>
folgenden Frieden zwi&#x017F;chen Rußland und der Pforte zu<lb/>
Kainardge 1774 Art. 3. be&#x017F;ta&#x0364;ttigt und die <hi rendition="#fr">Krimm</hi> &#xA75B;c.<lb/>
fu&#x0364;r einen &#x017F;ouverainen Staat erkla&#x0364;rt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">c</hi></hi>]. Da der&#x017F;elbe aber<lb/>
von der Pforte zu mancherley Misbra&#x0364;uchen &#x017F;einer Unab-<lb/>
ha&#x0364;ngigkeit &#x017F;ich verleiten und gegen Rußland &#x017F;ich aufwie-<lb/>
geln ließ, nahm die&#x017F;es die Krimm mittel&#x017F;t Manife&#x017F;ts<lb/>
vom 8. April 1783 <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">d</hi></hi>] in Be&#x017F;itz. Der Gros&#x017F;ultan mu-<lb/>
&#x017F;te die&#x017F;e Be&#x017F;itznehmung auch gutheißen und die ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Souveraineta&#x0364;t u&#x0364;ber die Krimm, Kuban und In&#x017F;el Ta-<lb/>
man, mit Vernichtung der vorigen darauf &#x017F;ich beziehen-<lb/>
den Tractaten, in einer be&#x017F;ondern Akte vom 8. Ja&#x0364;nner<lb/>
1784 <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">e</hi></hi>] fo&#x0364;rmlich anerkennen.</p><lb/>
            <p>Zu den eingegangenen kleinern Souveraineta&#x0364;ten ge-<lb/>
ho&#x0364;rt vorna&#x0364;mlich das in Frankreich gelegene Fu&#x0364;r&#x017F;tenthum<lb/><hi rendition="#fr">Dombes</hi>, das &#x017F;eit vielen Jahren von ver&#x017F;chiedenen Be-<lb/>
&#x017F;itzern als ein &#x017F;ouverainer Staat regiert und noch 1681<lb/>
vom Ko&#x0364;nig Ludwig <hi rendition="#aq">XIV.</hi> zu Gun&#x017F;ten &#x017F;eines natu&#x0364;rlichen<lb/>
Sohnes, des Herzogs von Maine, fu&#x0364;r unabha&#x0364;ngig<lb/>
erkla&#x0364;rt ward: aber de&#x017F;&#x017F;en Sohn, der Graf von Eu,<lb/>
u&#x0364;berließ es 1762 an die Krone Frankreich, worauf de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Einverleibung erfolgte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">f</hi></hi>].</p><lb/>
            <p>Die zur Graf&#x017F;chaft Mempelgard geho&#x0364;rigen vier Her-<lb/>
&#x017F;chaften <hi rendition="#fr">Hericourt, Chatelot, Blamont</hi> und <hi rendition="#fr">Cler-<lb/>
mont</hi> wurden von Wu&#x0364;rtenberg ehemals fu&#x0364;r unabha&#x0364;ngig<lb/>
ausgegeben; allein Frankreich behauptete die Souverai-<lb/>
neta&#x0364;t daru&#x0364;ber. Er&#x017F;teres gab in einem Vergleiche 1748<lb/>
endlich nach, erkante die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Hoheit und lei&#x017F;tete<lb/>
auf die angema&#x017F;te Unabha&#x0364;ngigkeit Verzicht <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">g</hi></hi>].</p><lb/>
            <note place="end" n="a]"><hi rendition="#aq">Vattel L. 1. C.</hi> 16. §. 194.</note><lb/>
            <note place="end" n="b]">Man vergl. <hi rendition="#aq">Fur&#x017F;ten. de jure &#x017F;uprem. c. XII.</hi></note><lb/>
            <note place="end" n="c]"><hi rendition="#fr">Hau&#x017F;ens</hi> Staats-Materialien 1. B. 3. Stck. S. 381. u. f.</note><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">K</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">d</hi></hi>]</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0171] und den europaͤiſchen insbeſondere. der Pforte alle vorige Verbindung auf und erklaͤrten ſich fuͤr unabhaͤngig. Dieſe Unabhaͤngigkeit ward in dem drauf folgenden Frieden zwiſchen Rußland und der Pforte zu Kainardge 1774 Art. 3. beſtaͤttigt und die Krimm ꝛc. fuͤr einen ſouverainen Staat erklaͤrt c]. Da derſelbe aber von der Pforte zu mancherley Misbraͤuchen ſeiner Unab- haͤngigkeit ſich verleiten und gegen Rußland ſich aufwie- geln ließ, nahm dieſes die Krimm mittelſt Manifeſts vom 8. April 1783 d] in Beſitz. Der Grosſultan mu- ſte dieſe Beſitznehmung auch gutheißen und die ruſſiſche Souverainetaͤt uͤber die Krimm, Kuban und Inſel Ta- man, mit Vernichtung der vorigen darauf ſich beziehen- den Tractaten, in einer beſondern Akte vom 8. Jaͤnner 1784 e] foͤrmlich anerkennen. Zu den eingegangenen kleinern Souverainetaͤten ge- hoͤrt vornaͤmlich das in Frankreich gelegene Fuͤrſtenthum Dombes, das ſeit vielen Jahren von verſchiedenen Be- ſitzern als ein ſouverainer Staat regiert und noch 1681 vom Koͤnig Ludwig XIV. zu Gunſten ſeines natuͤrlichen Sohnes, des Herzogs von Maine, fuͤr unabhaͤngig erklaͤrt ward: aber deſſen Sohn, der Graf von Eu, uͤberließ es 1762 an die Krone Frankreich, worauf deſſen Einverleibung erfolgte f]. Die zur Grafſchaft Mempelgard gehoͤrigen vier Her- ſchaften Hericourt, Chatelot, Blamont und Cler- mont wurden von Wuͤrtenberg ehemals fuͤr unabhaͤngig ausgegeben; allein Frankreich behauptete die Souverai- netaͤt daruͤber. Erſteres gab in einem Vergleiche 1748 endlich nach, erkante die franzoͤſiſche Hoheit und leiſtete auf die angemaſte Unabhaͤngigkeit Verzicht g]. a] Vattel L. 1. C. 16. §. 194. b] Man vergl. Furſten. de jure ſuprem. c. XII. c] Hauſens Staats-Materialien 1. B. 3. Stck. S. 381. u. f. d] K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/171
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/171>, abgerufen am 29.03.2024.