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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und dem eingeführten Range der Nazionen.
Staats, dessen Regierungsform geändert, so wie auch
desienigen, der durch einen Regenten von niedrigerm
Range besiegt worden ist c].

Freilich wird der Besitz von andern Nazionen zuweiln
angefochten, für gewaltsam oder durch List erlangt aus-
gegeben und veranlaßt mancherley Streitigkeiten. Rous-
set sagt daher in der Introduction zu seinen Memoires sur
le rang des souverains
sehr richtig: L' usage seul y a pour-
vu, mais chacun d' eux respectivement fait difficulte
dans l' occasion de se soumettre a sa decision, ce qui
fait naitre des embarras et des difficultes souvent insur-
montables.

a] Man hat auffallende Beispiele hiervon. Ich will nur ein
Paar der merkwürdigsten anführen. Auf der Kirchenver-
samlung zu Costanz gab Spanien sich alle Mühe den Rang
über England zu erhalten. Die spanischen Gesandten wa-
ren: Diego de Anaga Erzbischof von Sevilien und Diego
Fernandes de Cordua Alcayde de los Donzellas
Pagen-
hofmeister. Als sie mit Worten in Güte ihre Absicht nicht
erreichen konten, nahm der dicke Erzbischof den englischen
Gesandten, einen kleinen schmächtigen Mann von seinem
Platz, schlepte ihn, der dem Erzbischof nach dem Barte
grif, zum Conferenzsaal hinaus, trug ihn bis zur Kirche
und warf ihn in eine offne Gruft. Triumphirend kehrte er
dann zur Versamlung mit den Worten zurück. "Ich
habe gethan, was ein Pfaf und Priester thun kan; nun
thue der Herr Kollege auch, was ein spanischer Cavallero
thun soll." Die Versamlung gerieth darüber in nicht
geringe Verwirrung und der Erzbischof sah sich genöthigt,
Sicherheit in seiner Wohnung zu suchen. s. Zwanzig 1. Th.
Tit. 9. Roußet c. XI. p. 68. Der pohlnische Gesandte
machte es an dem Hofe Kaiser Karl V. oder wie andere sa-
gen, auf einer Kirchenversamlung feiner, um den Vorrang
vor dem portugiesischen zu erlangen. Als dieser bey einer
gewissen Feierlichkeit in der Kirche den Sitz über ienen genom-

und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen.
Staats, deſſen Regierungsform geaͤndert, ſo wie auch
desienigen, der durch einen Regenten von niedrigerm
Range beſiegt worden iſt c].

Freilich wird der Beſitz von andern Nazionen zuweiln
angefochten, fuͤr gewaltſam oder durch Liſt erlangt aus-
gegeben und veranlaßt mancherley Streitigkeiten. Rouſ-
ſet ſagt daher in der Introduction zu ſeinen Memoires ſur
le rang des ſouverains
ſehr richtig: L’ usage ſeul y a pour-
vu, mais chacun d’ eux respectivement fait difficulté
dans l’ occaſion de ſe ſoumettre à ſa déciſion, ce qui
fait naitre des embarras et des difficultés ſouvent inſur-
montables.

a] Man hat auffallende Beiſpiele hiervon. Ich will nur ein
Paar der merkwuͤrdigſten anfuͤhren. Auf der Kirchenver-
ſamlung zu Coſtanz gab Spanien ſich alle Muͤhe den Rang
uͤber England zu erhalten. Die ſpaniſchen Geſandten wa-
ren: Diego de Anaga Erzbiſchof von Sevilien und Diego
Fernandes de Cordua Alcayde de los Donzellas
Pagen-
hofmeiſter. Als ſie mit Worten in Guͤte ihre Abſicht nicht
erreichen konten, nahm der dicke Erzbiſchof den engliſchen
Geſandten, einen kleinen ſchmaͤchtigen Mann von ſeinem
Platz, ſchlepte ihn, der dem Erzbiſchof nach dem Barte
grif, zum Conferenzſaal hinaus, trug ihn bis zur Kirche
und warf ihn in eine offne Gruft. Triumphirend kehrte er
dann zur Verſamlung mit den Worten zuruͤck. “Ich
habe gethan, was ein Pfaf und Prieſter thun kan; nun
thue der Herr Kollege auch, was ein ſpaniſcher Cavallero
thun ſoll.” Die Verſamlung gerieth daruͤber in nicht
geringe Verwirrung und der Erzbiſchof ſah ſich genoͤthigt,
Sicherheit in ſeiner Wohnung zu ſuchen. ſ. Zwanzig 1. Th.
Tit. 9. Roußet c. XI. p. 68. Der pohlniſche Geſandte
machte es an dem Hofe Kaiſer Karl V. oder wie andere ſa-
gen, auf einer Kirchenverſamlung feiner, um den Vorrang
vor dem portugieſiſchen zu erlangen. Als dieſer bey einer
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[217[219]/0245] und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen. Staats, deſſen Regierungsform geaͤndert, ſo wie auch desienigen, der durch einen Regenten von niedrigerm Range beſiegt worden iſt c]. Freilich wird der Beſitz von andern Nazionen zuweiln angefochten, fuͤr gewaltſam oder durch Liſt erlangt aus- gegeben und veranlaßt mancherley Streitigkeiten. Rouſ- ſet ſagt daher in der Introduction zu ſeinen Memoires ſur le rang des ſouverains ſehr richtig: L’ usage ſeul y a pour- vu, mais chacun d’ eux respectivement fait difficulté dans l’ occaſion de ſe ſoumettre à ſa déciſion, ce qui fait naitre des embarras et des difficultés ſouvent inſur- montables. a] Man hat auffallende Beiſpiele hiervon. Ich will nur ein Paar der merkwuͤrdigſten anfuͤhren. Auf der Kirchenver- ſamlung zu Coſtanz gab Spanien ſich alle Muͤhe den Rang uͤber England zu erhalten. Die ſpaniſchen Geſandten wa- ren: Diego de Anaga Erzbiſchof von Sevilien und Diego Fernandes de Cordua Alcayde de los Donzellas Pagen- hofmeiſter. Als ſie mit Worten in Guͤte ihre Abſicht nicht erreichen konten, nahm der dicke Erzbiſchof den engliſchen Geſandten, einen kleinen ſchmaͤchtigen Mann von ſeinem Platz, ſchlepte ihn, der dem Erzbiſchof nach dem Barte grif, zum Conferenzſaal hinaus, trug ihn bis zur Kirche und warf ihn in eine offne Gruft. Triumphirend kehrte er dann zur Verſamlung mit den Worten zuruͤck. “Ich habe gethan, was ein Pfaf und Prieſter thun kan; nun thue der Herr Kollege auch, was ein ſpaniſcher Cavallero thun ſoll.” Die Verſamlung gerieth daruͤber in nicht geringe Verwirrung und der Erzbiſchof ſah ſich genoͤthigt, Sicherheit in ſeiner Wohnung zu ſuchen. ſ. Zwanzig 1. Th. Tit. 9. Roußet c. XI. p. 68. Der pohlniſche Geſandte machte es an dem Hofe Kaiſer Karl V. oder wie andere ſa- gen, auf einer Kirchenverſamlung feiner, um den Vorrang vor dem portugieſiſchen zu erlangen. Als dieſer bey einer gewiſſen Feierlichkeit in der Kirche den Sitz uͤber ienen genom- meu

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 217[219]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/245>, abgerufen am 24.04.2024.