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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von der ursprünglichen Gleichheit

Der Rang der verschiedenen Reichsständischen Klas-
sen gegen einander und der einzelnen Glieder unter sich
in Reichsverhältnissen richtet sich nach den auf Reichs-
tägen und bey andern Zusammenkünften durch die
Reichsgrundgesetze, Verträge oder Herkommen bestimten
Ordnungen.

Ausser dem Reiche pflegt man zwar sehr oft auch die
Ordnung der Reichsversamlungen beyzubehalten; iedoch
haben verschiedene Reichsstände, bey dergleichen Gele-
genheiten, schon mehrmalen nicht ohne Grund eine Gleich-
heit zu behaupten gesucht: denn von Natur sind diese
Staaten einander ohnstreitig gleich, und es ist, ohne be-
sondere Uebereinkunft, keine nothwendige Folge, daß der
in einer besondern Verbindung beliebte Rang auch ausser
derselben beobachtet werden müsse. Auf dem Teschner
Friedenskongreß z. B. verlangte zwar Kurpfalz in beiden
Exemplarien der Convention mit Kursachsen vorausge-
setzt zu werden, weil ihm der Vorrang auf Reichstagen
zustehe; aber Kursachsen bestand auf die Alternation,
indem beide Kurfürsten hier nicht in einer Reichsangele-
genheit, sondern als Gleiche mit einander tractirten.
Da kein Theil nachgeben wolte, ward beliebt, daß der
contrahirenden Theile in der Convention namentlich keine
Erwähnung geschehn, solche doppelt gefertigt und iedes
Exemplar nur von dem bevolmächtigten Minister des
einen Theils unterschrieben und also ausgewechselt werden
solte. Die 1731 zwischen den Höfen zu Dresden und
Hannover geschlossene Allianz diente hierbey zum Muster.

Auch die alternirenden altweltfürstlichen Häuser wol-
len, wie Moser bezeugt, an dritten Orten an die auf
Reichstägen beliebte Ordnung nicht gebunden seyn c].

a] Es streiten die geistlichen Kurfürsten unter sich, die weltli-
chen unter sich und geistliche und weltliche mit einander;
so auch die Fürsten, besonders die altweltfürstlichen mit
Von der urſpruͤnglichen Gleichheit

Der Rang der verſchiedenen Reichsſtaͤndiſchen Klaſ-
ſen gegen einander und der einzelnen Glieder unter ſich
in Reichsverhaͤltniſſen richtet ſich nach den auf Reichs-
taͤgen und bey andern Zuſammenkuͤnften durch die
Reichsgrundgeſetze, Vertraͤge oder Herkommen beſtimten
Ordnungen.

Auſſer dem Reiche pflegt man zwar ſehr oft auch die
Ordnung der Reichsverſamlungen beyzubehalten; iedoch
haben verſchiedene Reichsſtaͤnde, bey dergleichen Gele-
genheiten, ſchon mehrmalen nicht ohne Grund eine Gleich-
heit zu behaupten geſucht: denn von Natur ſind dieſe
Staaten einander ohnſtreitig gleich, und es iſt, ohne be-
ſondere Uebereinkunft, keine nothwendige Folge, daß der
in einer beſondern Verbindung beliebte Rang auch auſſer
derſelben beobachtet werden muͤſſe. Auf dem Teſchner
Friedenskongreß z. B. verlangte zwar Kurpfalz in beiden
Exemplarien der Convention mit Kurſachſen vorausge-
ſetzt zu werden, weil ihm der Vorrang auf Reichstagen
zuſtehe; aber Kurſachſen beſtand auf die Alternation,
indem beide Kurfuͤrſten hier nicht in einer Reichsangele-
genheit, ſondern als Gleiche mit einander tractirten.
Da kein Theil nachgeben wolte, ward beliebt, daß der
contrahirenden Theile in der Convention namentlich keine
Erwaͤhnung geſchehn, ſolche doppelt gefertigt und iedes
Exemplar nur von dem bevolmaͤchtigten Miniſter des
einen Theils unterſchrieben und alſo ausgewechſelt werden
ſolte. Die 1731 zwiſchen den Hoͤfen zu Dresden und
Hannover geſchloſſene Allianz diente hierbey zum Muſter.

Auch die alternirenden altweltfuͤrſtlichen Haͤuſer wol-
len, wie Moſer bezeugt, an dritten Orten an die auf
Reichstaͤgen beliebte Ordnung nicht gebunden ſeyn c].

a] Es ſtreiten die geiſtlichen Kurfuͤrſten unter ſich, die weltli-
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[254/0280] Von der urſpruͤnglichen Gleichheit Der Rang der verſchiedenen Reichsſtaͤndiſchen Klaſ- ſen gegen einander und der einzelnen Glieder unter ſich in Reichsverhaͤltniſſen richtet ſich nach den auf Reichs- taͤgen und bey andern Zuſammenkuͤnften durch die Reichsgrundgeſetze, Vertraͤge oder Herkommen beſtimten Ordnungen. Auſſer dem Reiche pflegt man zwar ſehr oft auch die Ordnung der Reichsverſamlungen beyzubehalten; iedoch haben verſchiedene Reichsſtaͤnde, bey dergleichen Gele- genheiten, ſchon mehrmalen nicht ohne Grund eine Gleich- heit zu behaupten geſucht: denn von Natur ſind dieſe Staaten einander ohnſtreitig gleich, und es iſt, ohne be- ſondere Uebereinkunft, keine nothwendige Folge, daß der in einer beſondern Verbindung beliebte Rang auch auſſer derſelben beobachtet werden muͤſſe. Auf dem Teſchner Friedenskongreß z. B. verlangte zwar Kurpfalz in beiden Exemplarien der Convention mit Kurſachſen vorausge- ſetzt zu werden, weil ihm der Vorrang auf Reichstagen zuſtehe; aber Kurſachſen beſtand auf die Alternation, indem beide Kurfuͤrſten hier nicht in einer Reichsangele- genheit, ſondern als Gleiche mit einander tractirten. Da kein Theil nachgeben wolte, ward beliebt, daß der contrahirenden Theile in der Convention namentlich keine Erwaͤhnung geſchehn, ſolche doppelt gefertigt und iedes Exemplar nur von dem bevolmaͤchtigten Miniſter des einen Theils unterſchrieben und alſo ausgewechſelt werden ſolte. Die 1731 zwiſchen den Hoͤfen zu Dresden und Hannover geſchloſſene Allianz diente hierbey zum Muſter. Auch die alternirenden altweltfuͤrſtlichen Haͤuſer wol- len, wie Moſer bezeugt, an dritten Orten an die auf Reichstaͤgen beliebte Ordnung nicht gebunden ſeyn c]. a] Es ſtreiten die geiſtlichen Kurfuͤrſten unter ſich, die weltli- chen unter ſich und geiſtliche und weltliche mit einander; ſo auch die Fuͤrſten, beſonders die altweltfuͤrſtlichen mit den

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/280>, abgerufen am 25.04.2024.