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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten.
so hat doch kein Volk das Recht, ihm Einhalt zu thun,
oder iene zu Klagen zu veranlassen b].

Als daher Rußland 1747 von Schweden die Ent-
fernung des Grafen von Teßin von den Regierungsge-
schäften verlangte, äusserte der Reichssenat: Sie hiel-
ten es vor schimpflich, daß sich ein freies König-
reich in dergleichen Domestique-Affairen von einer
andern Potenz solte Gesetze vorschreiben lassen
;
und der Bauernstand ließ sich dahin vernehmen: Man
könte keinen Minister absetzen, ohne daß die Potenz,
welche sich über ihn beschwerte, die Beschuldigungen dar-
gethan hätte. Weil sich aber diese Potenz in ihrer Mei-
nung gar sehr betrügen könte, so müste sie ihr Vorgeben
mit den klärsten Beweisgründen unterstützen, sonst wür-
de man sich völlig von derselben dependent machen,
welches doch einer freien und souverainen Nazion
nachtheilig wäre
c].

a] J. J. Mosers Grundsätze des europ. V. R. in Friedensz.
10. B. 4. K. §. 1. S. 520. F. C. Moser am ang. O.
§. 32. S. 312.
b] Vattel L. II. C. 4. §. 55. Im vorangeführten Lübecker
Frieden 1629, Art. 7. heißt es: Nachdem der König von
Dänemark diesem Tractat einzurücken begehrt, daß die
Stände des teutschen Reichs nicht wider Recht und Billig-
keit beschwert werden möchten, und dieses auch Sr. Kaiserl.
Maj. Meinung nicht ist; so begnügt sich der König von
Dänemark mit dieser Erklärung.
c] F. C. v. Moser am a. O. §. 34. S. 315. u. f.
§. 8.
Es müsten denn Verträge dazu berechtigen.

Jedoch leidet dieses eine Ausnahme, wenn eine Na-
zion durch Friedensschlüsse, Verträge etc. dazu berechtigt
ist a], wie z. B. Frankreich und Schweden als Garants

des

Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten.
ſo hat doch kein Volk das Recht, ihm Einhalt zu thun,
oder iene zu Klagen zu veranlaſſen b].

Als daher Rußland 1747 von Schweden die Ent-
fernung des Grafen von Teßin von den Regierungsge-
ſchaͤften verlangte, aͤuſſerte der Reichsſenat: Sie hiel-
ten es vor ſchimpflich, daß ſich ein freies Koͤnig-
reich in dergleichen Domeſtique-Affairen von einer
andern Potenz ſolte Geſetze vorſchreiben laſſen
;
und der Bauernſtand ließ ſich dahin vernehmen: Man
koͤnte keinen Miniſter abſetzen, ohne daß die Potenz,
welche ſich uͤber ihn beſchwerte, die Beſchuldigungen dar-
gethan haͤtte. Weil ſich aber dieſe Potenz in ihrer Mei-
nung gar ſehr betruͤgen koͤnte, ſo muͤſte ſie ihr Vorgeben
mit den klaͤrſten Beweisgruͤnden unterſtuͤtzen, ſonſt wuͤr-
de man ſich voͤllig von derſelben dependent machen,
welches doch einer freien und ſouverainen Nazion
nachtheilig waͤre
c].

a] J. J. Moſers Grundſaͤtze des europ. V. R. in Friedensz.
10. B. 4. K. §. 1. S. 520. F. C. Moſer am ang. O.
§. 32. S. 312.
b] Vattel L. II. C. 4. §. 55. Im vorangefuͤhrten Luͤbecker
Frieden 1629, Art. 7. heißt es: Nachdem der Koͤnig von
Daͤnemark dieſem Tractat einzuruͤcken begehrt, daß die
Staͤnde des teutſchen Reichs nicht wider Recht und Billig-
keit beſchwert werden moͤchten, und dieſes auch Sr. Kaiſerl.
Maj. Meinung nicht iſt; ſo begnuͤgt ſich der Koͤnig von
Daͤnemark mit dieſer Erklaͤrung.
c] F. C. v. Moſer am a. O. §. 34. S. 315. u. f.
§. 8.
Es muͤſten denn Vertraͤge dazu berechtigen.

Jedoch leidet dieſes eine Ausnahme, wenn eine Na-
zion durch Friedensſchluͤſſe, Vertraͤge ꝛc. dazu berechtigt
iſt a], wie z. B. Frankreich und Schweden als Garants

des
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[287/0313] Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten. ſo hat doch kein Volk das Recht, ihm Einhalt zu thun, oder iene zu Klagen zu veranlaſſen b]. Als daher Rußland 1747 von Schweden die Ent- fernung des Grafen von Teßin von den Regierungsge- ſchaͤften verlangte, aͤuſſerte der Reichsſenat: Sie hiel- ten es vor ſchimpflich, daß ſich ein freies Koͤnig- reich in dergleichen Domeſtique-Affairen von einer andern Potenz ſolte Geſetze vorſchreiben laſſen; und der Bauernſtand ließ ſich dahin vernehmen: Man koͤnte keinen Miniſter abſetzen, ohne daß die Potenz, welche ſich uͤber ihn beſchwerte, die Beſchuldigungen dar- gethan haͤtte. Weil ſich aber dieſe Potenz in ihrer Mei- nung gar ſehr betruͤgen koͤnte, ſo muͤſte ſie ihr Vorgeben mit den klaͤrſten Beweisgruͤnden unterſtuͤtzen, ſonſt wuͤr- de man ſich voͤllig von derſelben dependent machen, welches doch einer freien und ſouverainen Nazion nachtheilig waͤre c]. a] J. J. Moſers Grundſaͤtze des europ. V. R. in Friedensz. 10. B. 4. K. §. 1. S. 520. F. C. Moſer am ang. O. §. 32. S. 312. b] Vattel L. II. C. 4. §. 55. Im vorangefuͤhrten Luͤbecker Frieden 1629, Art. 7. heißt es: Nachdem der Koͤnig von Daͤnemark dieſem Tractat einzuruͤcken begehrt, daß die Staͤnde des teutſchen Reichs nicht wider Recht und Billig- keit beſchwert werden moͤchten, und dieſes auch Sr. Kaiſerl. Maj. Meinung nicht iſt; ſo begnuͤgt ſich der Koͤnig von Daͤnemark mit dieſer Erklaͤrung. c] F. C. v. Moſer am a. O. §. 34. S. 315. u. f. §. 8. Es muͤſten denn Vertraͤge dazu berechtigen. Jedoch leidet dieſes eine Ausnahme, wenn eine Na- zion durch Friedensſchluͤſſe, Vertraͤge ꝛc. dazu berechtigt iſt a], wie z. B. Frankreich und Schweden als Garants des

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/313>, abgerufen am 28.03.2024.