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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten.
§. 10.
Ingleichen des dabey habenden Interesse
wegen
.

Nazionen, welche bey den Handlungen eines andern
Volks ein Interesse, d. i. einigen Nutzen oder Schaden
daraus zu gewarten haben, können auch, nach Beschaf-
fenheit der Umstände, mehr oder weniger sich dagegen
regen a]. Zwar ist kein Volk verbunden, seine Freiheit
zum Nutzen der übrigen zu beschränken, oder eine zum
Vortheil des Staats gereichende Einrichtung darum zu
unterlassen, weil andern einiger Nutzen dadurch entzo-
gen, folglich mittelbar Schaden zugefügt wird b]; iedoch
erfordern die Pflichten der geselschaftlichen Verbindung,
den unmittelbaren Nachtheil der übrigen Nazionen so viel
möglich zu vermeiden, und alles aus dem Wege zu räu-
men, wodurch besonders die Nachbarn beständiger
Gefahr und Unruhe ausgesetzt werden c].

Auch dem dritten Staate, der durch das Interesse
seiner Bundsgenossen hierzu veranlaßt, oder vermöge
der mit diesen errichteten Verträge dazu genöthigt wird,
kann es nicht füglich verargt werden, wenn er sich, zu
Gunsten derselben, bey gewissen Gelegenheiten in die
Staatsgeschäfte fremder Mächte mischt d].

a] Mosers Versuch 8 B. 1. K. §. 5. 2 K. §. 2. S. 316.
319. u. f. [6. Th.] Bey dem 1749 sich verbreiteten
Gerüchte, daß man die Regierungsform in Schweden ab-
zuändern gedenke, ergriffen Rußland und Dänemark alle
Maasregeln dagegen, und thaten deshalb verschiedene
Erklärungen an Schweden. Der dänische Gesandte erklär-
te unter andern: Que quoique le roi son maitre ne pen-
se a rien moins qu'a se meler des affaires domestiques
du royaume de Suede, S. M. ne pouvoit neanmoins
se dispenser de faire declarer, qu' au cas qu' on medi-

T
Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten.
§. 10.
Ingleichen des dabey habenden Intereſſe
wegen
.

Nazionen, welche bey den Handlungen eines andern
Volks ein Intereſſe, d. i. einigen Nutzen oder Schaden
daraus zu gewarten haben, koͤnnen auch, nach Beſchaf-
fenheit der Umſtaͤnde, mehr oder weniger ſich dagegen
regen a]. Zwar iſt kein Volk verbunden, ſeine Freiheit
zum Nutzen der uͤbrigen zu beſchraͤnken, oder eine zum
Vortheil des Staats gereichende Einrichtung darum zu
unterlaſſen, weil andern einiger Nutzen dadurch entzo-
gen, folglich mittelbar Schaden zugefuͤgt wird b]; iedoch
erfordern die Pflichten der geſelſchaftlichen Verbindung,
den unmittelbaren Nachtheil der uͤbrigen Nazionen ſo viel
moͤglich zu vermeiden, und alles aus dem Wege zu raͤu-
men, wodurch beſonders die Nachbarn beſtaͤndiger
Gefahr und Unruhe ausgeſetzt werden c].

Auch dem dritten Staate, der durch das Intereſſe
ſeiner Bundsgenoſſen hierzu veranlaßt, oder vermoͤge
der mit dieſen errichteten Vertraͤge dazu genoͤthigt wird,
kann es nicht fuͤglich verargt werden, wenn er ſich, zu
Gunſten derſelben, bey gewiſſen Gelegenheiten in die
Staatsgeſchaͤfte fremder Maͤchte miſcht d].

a] Moſers Verſuch 8 B. 1. K. §. 5. 2 K. §. 2. S. 316.
319. u. f. [6. Th.] Bey dem 1749 ſich verbreiteten
Geruͤchte, daß man die Regierungsform in Schweden ab-
zuaͤndern gedenke, ergriffen Rußland und Daͤnemark alle
Maasregeln dagegen, und thaten deshalb verſchiedene
Erklaͤrungen an Schweden. Der daͤniſche Geſandte erklaͤr-
te unter andern: Que quoique le roi ſon maitre ne pen-
ſe à rien moins qu’à ſe mêler des affaires domeſtiques
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ſe diſpenſer de faire declarer, qu’ au cas qu’ on medi-

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[289/0315] Handlungen nach ihrem Gefallen einzurichten. §. 10. Ingleichen des dabey habenden Intereſſe wegen. Nazionen, welche bey den Handlungen eines andern Volks ein Intereſſe, d. i. einigen Nutzen oder Schaden daraus zu gewarten haben, koͤnnen auch, nach Beſchaf- fenheit der Umſtaͤnde, mehr oder weniger ſich dagegen regen a]. Zwar iſt kein Volk verbunden, ſeine Freiheit zum Nutzen der uͤbrigen zu beſchraͤnken, oder eine zum Vortheil des Staats gereichende Einrichtung darum zu unterlaſſen, weil andern einiger Nutzen dadurch entzo- gen, folglich mittelbar Schaden zugefuͤgt wird b]; iedoch erfordern die Pflichten der geſelſchaftlichen Verbindung, den unmittelbaren Nachtheil der uͤbrigen Nazionen ſo viel moͤglich zu vermeiden, und alles aus dem Wege zu raͤu- men, wodurch beſonders die Nachbarn beſtaͤndiger Gefahr und Unruhe ausgeſetzt werden c]. Auch dem dritten Staate, der durch das Intereſſe ſeiner Bundsgenoſſen hierzu veranlaßt, oder vermoͤge der mit dieſen errichteten Vertraͤge dazu genoͤthigt wird, kann es nicht fuͤglich verargt werden, wenn er ſich, zu Gunſten derſelben, bey gewiſſen Gelegenheiten in die Staatsgeſchaͤfte fremder Maͤchte miſcht d]. a] Moſers Verſuch 8 B. 1. K. §. 5. 2 K. §. 2. S. 316. 319. u. f. [6. Th.] Bey dem 1749 ſich verbreiteten Geruͤchte, daß man die Regierungsform in Schweden ab- zuaͤndern gedenke, ergriffen Rußland und Daͤnemark alle Maasregeln dagegen, und thaten deshalb verſchiedene Erklaͤrungen an Schweden. Der daͤniſche Geſandte erklaͤr- te unter andern: Que quoique le roi ſon maitre ne pen- ſe à rien moins qu’à ſe mêler des affaires domeſtiques du royaume de Suede, S. M. ne pouvoit néanmoins ſe diſpenſer de faire declarer, qu’ au cas qu’ on medi- tât T

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/315>, abgerufen am 28.03.2024.