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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und dem europäischen insbesondere.
halten sind. Eben so verhält es sich mit dem Herkom-
men. Die aus Vergleichung ähnlicher Fälle gezogenen
Grundsätze nent man Analogie, welche, wie in allen
Rechtswissenschaften, so auch im Völkerrechte alsdann
ihre Anwendung leidet, wenn ein Fall auf bestimtere Art
nicht zu entscheiden ist.

*] Io. Georg Kulpis orat. de analogia iuris; in diss. acad.
p.
1011-1034.
Dan. Nettelbladt de decisione casuum secundum ana-
logiam. Halae
1751. 4.
Car. Henr. Geisleri progr. de analogia iuris publici.
Viteb.
1784. 4.
§. 11.
Algemeines und besonderes Völkerrecht.

Eine der wichtigsten Abtheilungen des Völkerrechts,
worauf man bei Anwendung seiner Sätze die vorzüglich-
ste Aufmerksamkeit zu richten hat, ist in algemeines und
besonderes, ie nachdem es entweder alle Völker des
Erdbodens, oder nur einige derselben verbindet. In
Vernachlässigung dieses Unterschiedes liegt die Haupt-
quelle der mehresten Streitigkeiten der Rechtsgelehrten in
Ansehung der Völkerrechtsbegriffe. Ausser dem noth-
wendigen natürlichen
läßt sich ein algemein verbindli-
ches Völkerrecht schwerlich mit Grunde behaupten. Das
freiwillige kan nur gegen dieienigen eine Kraft haben,
von denen sich erweisen läßt, daß sie würklich in einer
geselschaftlichen Vereinigung mit einander leben. Das
wilkühtliche endlich ist nur denen ein Gesetz, welche
ihre Einwilligung entweder ausdrücklich oder stilschwei-
gend auf eine rechtskräftige Art gegeben haben. Es läßt
sich also ein Völkerrecht denken, das blos unter zwei
Nazionen Statt findet.

*]
B 3

und dem europaͤiſchen insbeſondere.
halten ſind. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit dem Herkom-
men. Die aus Vergleichung aͤhnlicher Faͤlle gezogenen
Grundſaͤtze nent man Analogie, welche, wie in allen
Rechtswiſſenſchaften, ſo auch im Voͤlkerrechte alsdann
ihre Anwendung leidet, wenn ein Fall auf beſtimtere Art
nicht zu entſcheiden iſt.

*] Io. Georg Kulpis orat. de analogia iuris; in disſ. acad.
p.
1011-1034.
Dan. Nettelbladt de deciſione caſuum ſecundum ana-
logiam. Halae
1751. 4.
Car. Henr. Geiſleri progr. de analogia iuris publici.
Viteb.
1784. 4.
§. 11.
Algemeines und beſonderes Voͤlkerrecht.

Eine der wichtigſten Abtheilungen des Voͤlkerrechts,
worauf man bei Anwendung ſeiner Saͤtze die vorzuͤglich-
ſte Aufmerkſamkeit zu richten hat, iſt in algemeines und
beſonderes, ie nachdem es entweder alle Voͤlker des
Erdbodens, oder nur einige derſelben verbindet. In
Vernachlaͤſſigung dieſes Unterſchiedes liegt die Haupt-
quelle der mehreſten Streitigkeiten der Rechtsgelehrten in
Anſehung der Voͤlkerrechtsbegriffe. Auſſer dem noth-
wendigen natuͤrlichen
laͤßt ſich ein algemein verbindli-
ches Voͤlkerrecht ſchwerlich mit Grunde behaupten. Das
freiwillige kan nur gegen dieienigen eine Kraft haben,
von denen ſich erweiſen laͤßt, daß ſie wuͤrklich in einer
geſelſchaftlichen Vereinigung mit einander leben. Das
wilkuͤhtliche endlich iſt nur denen ein Geſetz, welche
ihre Einwilligung entweder ausdruͤcklich oder ſtilſchwei-
gend auf eine rechtskraͤftige Art gegeben haben. Es laͤßt
ſich alſo ein Voͤlkerrecht denken, das blos unter zwei
Nazionen Statt findet.

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[21/0047] und dem europaͤiſchen insbeſondere. halten ſind. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit dem Herkom- men. Die aus Vergleichung aͤhnlicher Faͤlle gezogenen Grundſaͤtze nent man Analogie, welche, wie in allen Rechtswiſſenſchaften, ſo auch im Voͤlkerrechte alsdann ihre Anwendung leidet, wenn ein Fall auf beſtimtere Art nicht zu entſcheiden iſt. *] Io. Georg Kulpis orat. de analogia iuris; in disſ. acad. p. 1011-1034. Dan. Nettelbladt de deciſione caſuum ſecundum ana- logiam. Halae 1751. 4. Car. Henr. Geiſleri progr. de analogia iuris publici. Viteb. 1784. 4. §. 11. Algemeines und beſonderes Voͤlkerrecht. Eine der wichtigſten Abtheilungen des Voͤlkerrechts, worauf man bei Anwendung ſeiner Saͤtze die vorzuͤglich- ſte Aufmerkſamkeit zu richten hat, iſt in algemeines und beſonderes, ie nachdem es entweder alle Voͤlker des Erdbodens, oder nur einige derſelben verbindet. In Vernachlaͤſſigung dieſes Unterſchiedes liegt die Haupt- quelle der mehreſten Streitigkeiten der Rechtsgelehrten in Anſehung der Voͤlkerrechtsbegriffe. Auſſer dem noth- wendigen natuͤrlichen laͤßt ſich ein algemein verbindli- ches Voͤlkerrecht ſchwerlich mit Grunde behaupten. Das freiwillige kan nur gegen dieienigen eine Kraft haben, von denen ſich erweiſen laͤßt, daß ſie wuͤrklich in einer geſelſchaftlichen Vereinigung mit einander leben. Das wilkuͤhtliche endlich iſt nur denen ein Geſetz, welche ihre Einwilligung entweder ausdruͤcklich oder ſtilſchwei- gend auf eine rechtskraͤftige Art gegeben haben. Es laͤßt ſich alſo ein Voͤlkerrecht denken, das blos unter zwei Nazionen Statt findet. *] B 3

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/47>, abgerufen am 19.04.2024.