Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Erlangung des Eigenthums von andern
e] Histoire des Rois de Pologne T. I. p. 260.
f] Ebendaselbst p. 386. u. ff.
g] Das über die Bedingungen wegen deren Annahme förm-
lich errichtete Document s. m. beim Dumont Corps
dipl. Tom. VI. P. 1. p.
197.
§. 23.
Erwerb solcher Lande durch stilschweigende
Einwilligung
.

Die nöthige Einwilligung bey diesen abgeleiteten
Erwerbarten kann, schon oben erinnertermaassen, wie
bey andern Verträgen, von beiden Seiten ohnstreitig
auch stilschweigend durch Thathandlungen geschehen.
Wenn eine Nazion auf vorgedachte eigenmächtige Weise
der andern ein Stück landes abnimt oder sich den aus-
schließlichen Besitz eines Landes anmaaßt, das sie für
herrnlos und aufgegeben hält, da es doch noch einen
Eigenthümer hatte, so ist an deren Absicht der Zueig-
nung wohl nicht zu zweifeln. Sie erlangt nach den
im vorigen Kapitel angeführten Grundsätzen des natür-
lichen Rechts allerdings auch ein Eigenthum an dem-
selben, allein es ist in Rücksicht des vorigen Besitzers
ein unrechtmässiges Eigenthum, zu dessen Bestande
wenigstens ebenfals eine stilschweigende Einwilligung
und Aufgabe seines vormaligen Eigenthumsrechts [de-
relictio superveniens
] erfolgen muß. Für nichts an-
ders kann man es aber füglich ansehen, wenn der vo-
rige Eigenthümer, unterrichtet von der unrechtmässigen
Innehabung, solche Handlungen, besonders mit dem
gegenwärtigen Besitzer selbst vornimt, welche eine An-
erkennung des Eigenthums nothwendig voraussetzen a];
z. B. Verträge mit ihm über das Land eingeht, die von
dem andern Volke deshalb angenommenen Titel und

Wappen
Von Erlangung des Eigenthums von andern
e] Hiſtoire des Rois de Pologne T. I. p. 260.
f] Ebendaſelbſt p. 386. u. ff.
g] Das uͤber die Bedingungen wegen deren Annahme foͤrm-
lich errichtete Document ſ. m. beim Dumont Corps
dipl. Tom. VI. P. 1. p.
197.
§. 23.
Erwerb ſolcher Lande durch ſtilſchweigende
Einwilligung
.

Die noͤthige Einwilligung bey dieſen abgeleiteten
Erwerbarten kann, ſchon oben erinnertermaaſſen, wie
bey andern Vertraͤgen, von beiden Seiten ohnſtreitig
auch ſtilſchweigend durch Thathandlungen geſchehen.
Wenn eine Nazion auf vorgedachte eigenmaͤchtige Weiſe
der andern ein Stuͤck landes abnimt oder ſich den aus-
ſchließlichen Beſitz eines Landes anmaaßt, das ſie fuͤr
herrnlos und aufgegeben haͤlt, da es doch noch einen
Eigenthuͤmer hatte, ſo iſt an deren Abſicht der Zueig-
nung wohl nicht zu zweifeln. Sie erlangt nach den
im vorigen Kapitel angefuͤhrten Grundſaͤtzen des natuͤr-
lichen Rechts allerdings auch ein Eigenthum an dem-
ſelben, allein es iſt in Ruͤckſicht des vorigen Beſitzers
ein unrechtmaͤſſiges Eigenthum, zu deſſen Beſtande
wenigſtens ebenfals eine ſtilſchweigende Einwilligung
und Aufgabe ſeines vormaligen Eigenthumsrechts [de-
relictio ſuperveniens
] erfolgen muß. Fuͤr nichts an-
ders kann man es aber fuͤglich anſehen, wenn der vo-
rige Eigenthuͤmer, unterrichtet von der unrechtmaͤſſigen
Innehabung, ſolche Handlungen, beſonders mit dem
gegenwaͤrtigen Beſitzer ſelbſt vornimt, welche eine An-
erkennung des Eigenthums nothwendig vorausſetzen a];
z. B. Vertraͤge mit ihm uͤber das Land eingeht, die von
dem andern Volke deshalb angenommenen Titel und

Wappen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0130" n="116"/>
            <fw place="top" type="header">Von Erlangung des Eigenthums von andern</fw><lb/>
            <note place="end" n="e]"><hi rendition="#aq">Hi&#x017F;toire des Rois de Pologne T. I. p.</hi> 260.</note><lb/>
            <note place="end" n="f]">Ebenda&#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#aq">p.</hi> 386. u. ff.</note><lb/>
            <note place="end" n="g]">Das u&#x0364;ber die Bedingungen wegen deren Annahme fo&#x0364;rm-<lb/>
lich errichtete Document &#x017F;. m. beim <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Dumont</hi> Corps<lb/>
dipl. Tom. VI. P. 1. p.</hi> 197.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 23.<lb/><hi rendition="#g">Erwerb &#x017F;olcher Lande durch &#x017F;til&#x017F;chweigende<lb/>
Einwilligung</hi>.</head><lb/>
            <p>Die no&#x0364;thige Einwilligung bey die&#x017F;en abgeleiteten<lb/>
Erwerbarten kann, &#x017F;chon oben erinnertermaa&#x017F;&#x017F;en, wie<lb/>
bey andern Vertra&#x0364;gen, von beiden Seiten ohn&#x017F;treitig<lb/>
auch &#x017F;til&#x017F;chweigend durch Thathandlungen ge&#x017F;chehen.<lb/>
Wenn eine Nazion auf vorgedachte eigenma&#x0364;chtige Wei&#x017F;e<lb/>
der andern ein Stu&#x0364;ck landes abnimt oder &#x017F;ich den aus-<lb/>
&#x017F;chließlichen Be&#x017F;itz eines Landes anmaaßt, das &#x017F;ie fu&#x0364;r<lb/>
herrnlos und aufgegeben ha&#x0364;lt, da es doch noch einen<lb/>
Eigenthu&#x0364;mer hatte, &#x017F;o i&#x017F;t an deren Ab&#x017F;icht der Zueig-<lb/>
nung wohl nicht zu zweifeln. Sie erlangt nach den<lb/>
im vorigen Kapitel angefu&#x0364;hrten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen des natu&#x0364;r-<lb/>
lichen Rechts allerdings auch ein Eigenthum an dem-<lb/>
&#x017F;elben, allein es i&#x017F;t in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht des vorigen Be&#x017F;itzers<lb/>
ein unrechtma&#x0364;&#x017F;&#x017F;iges Eigenthum, zu de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;tande<lb/>
wenig&#x017F;tens ebenfals eine &#x017F;til&#x017F;chweigende Einwilligung<lb/>
und Aufgabe &#x017F;eines vormaligen Eigenthumsrechts [<hi rendition="#aq">de-<lb/>
relictio &#x017F;uperveniens</hi>] erfolgen muß. Fu&#x0364;r nichts an-<lb/>
ders kann man es aber fu&#x0364;glich an&#x017F;ehen, wenn der vo-<lb/>
rige Eigenthu&#x0364;mer, unterrichtet von der unrechtma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen<lb/>
Innehabung, &#x017F;olche Handlungen, be&#x017F;onders mit dem<lb/>
gegenwa&#x0364;rtigen Be&#x017F;itzer &#x017F;elb&#x017F;t vornimt, welche eine An-<lb/>
erkennung des Eigenthums nothwendig voraus&#x017F;etzen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">a</hi></hi>];<lb/>
z. B. Vertra&#x0364;ge mit ihm u&#x0364;ber das Land eingeht, die von<lb/>
dem andern Volke deshalb angenommenen Titel und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wappen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0130] Von Erlangung des Eigenthums von andern e] Hiſtoire des Rois de Pologne T. I. p. 260. f] Ebendaſelbſt p. 386. u. ff. g] Das uͤber die Bedingungen wegen deren Annahme foͤrm- lich errichtete Document ſ. m. beim Dumont Corps dipl. Tom. VI. P. 1. p. 197. §. 23. Erwerb ſolcher Lande durch ſtilſchweigende Einwilligung. Die noͤthige Einwilligung bey dieſen abgeleiteten Erwerbarten kann, ſchon oben erinnertermaaſſen, wie bey andern Vertraͤgen, von beiden Seiten ohnſtreitig auch ſtilſchweigend durch Thathandlungen geſchehen. Wenn eine Nazion auf vorgedachte eigenmaͤchtige Weiſe der andern ein Stuͤck landes abnimt oder ſich den aus- ſchließlichen Beſitz eines Landes anmaaßt, das ſie fuͤr herrnlos und aufgegeben haͤlt, da es doch noch einen Eigenthuͤmer hatte, ſo iſt an deren Abſicht der Zueig- nung wohl nicht zu zweifeln. Sie erlangt nach den im vorigen Kapitel angefuͤhrten Grundſaͤtzen des natuͤr- lichen Rechts allerdings auch ein Eigenthum an dem- ſelben, allein es iſt in Ruͤckſicht des vorigen Beſitzers ein unrechtmaͤſſiges Eigenthum, zu deſſen Beſtande wenigſtens ebenfals eine ſtilſchweigende Einwilligung und Aufgabe ſeines vormaligen Eigenthumsrechts [de- relictio ſuperveniens] erfolgen muß. Fuͤr nichts an- ders kann man es aber fuͤglich anſehen, wenn der vo- rige Eigenthuͤmer, unterrichtet von der unrechtmaͤſſigen Innehabung, ſolche Handlungen, beſonders mit dem gegenwaͤrtigen Beſitzer ſelbſt vornimt, welche eine An- erkennung des Eigenthums nothwendig vorausſetzen a]; z. B. Vertraͤge mit ihm uͤber das Land eingeht, die von dem andern Volke deshalb angenommenen Titel und Wappen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/130
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/130>, abgerufen am 20.04.2024.