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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von den Landesgrenzen.
§. 21.
Rechte der Landesherrn.

Die Grenzen Teutschlands, nach seiner geographi-
schen und politischen Bedeutung a] sind an vielen Orten
noch ziemlich ungewis, und man streitet über verschie-
dene Lande ob sie dazu gehören, oder nicht? b] Die
dahineinschlagenden das Reich im Ganzen betreffenden
Geschäfte gegen Auswärtige sind nach allen obigen
Grundsätzen zu entscheiden. Es dürfen aber, nach
dem teutschen Staatsrechte, weder der Kaiser, noch
die Stände, einseitig hierunter, sondern mit gemein-
schaftlicher Einwilligung verfahren c]. In so ferne
nun die reichsständischen Landesgrenzen zugleich die
Grenzen des teutschen Reichs d] ausmachen, sind die
Landesherrn in ihren mit auswärtigen Nazionen zu er-
richtenden Grenzverträgen, ebenfals an die Genehmi-
gung des Kaisers und Reichs gebunden d].

Was die Landesgrenzen im innern des Reichs be-
trift, darinn verfahren die Landesherrn unter sich nach
mehrerer Wilkühr, und errichten die erfoderlichen Ver-
träge darüber gemeiniglich ohne sie dem Reiche vorzu-
legen e]. Es findet auch dabey, besonders was den
Beweis der Grenzen, deren Festsetzung und Erhaltung
anlanget, eben das Statt, was unter freien Völkern
gewöhnlich ist f]: nur daß iene, wenn die deshalb ent-
stehenden Streitigkeiten in Güte nicht beigelegt werden
können, nicht sogleich zu Thätlichkeiten schreiten dür-
fen, [einige wenige Fälle ausgenommen, wo es ihnen
zuweilen allenfals sich selbst Recht zu verschaffen nach-
gelassen ist etc.] sondern den Weg Rechtens, nach Ver-
hältnis der Umstände vor den Austrägen oder Reichs-
gerichten, einschlagen müssen; wobey der Besitz und
die unvordenkliche Veriährung vorzüglich den Aus-

schlag
Von den Landesgrenzen.
§. 21.
Rechte der Landesherrn.

Die Grenzen Teutſchlands, nach ſeiner geographi-
ſchen und politiſchen Bedeutung a] ſind an vielen Orten
noch ziemlich ungewis, und man ſtreitet uͤber verſchie-
dene Lande ob ſie dazu gehoͤren, oder nicht? b] Die
dahineinſchlagenden das Reich im Ganzen betreffenden
Geſchaͤfte gegen Auswaͤrtige ſind nach allen obigen
Grundſaͤtzen zu entſcheiden. Es duͤrfen aber, nach
dem teutſchen Staatsrechte, weder der Kaiſer, noch
die Staͤnde, einſeitig hierunter, ſondern mit gemein-
ſchaftlicher Einwilligung verfahren c]. In ſo ferne
nun die reichsſtaͤndiſchen Landesgrenzen zugleich die
Grenzen des teutſchen Reichs d] ausmachen, ſind die
Landesherrn in ihren mit auswaͤrtigen Nazionen zu er-
richtenden Grenzvertraͤgen, ebenfals an die Genehmi-
gung des Kaiſers und Reichs gebunden d].

Was die Landesgrenzen im innern des Reichs be-
trift, darinn verfahren die Landesherrn unter ſich nach
mehrerer Wilkuͤhr, und errichten die erfoderlichen Ver-
traͤge daruͤber gemeiniglich ohne ſie dem Reiche vorzu-
legen e]. Es findet auch dabey, beſonders was den
Beweis der Grenzen, deren Feſtſetzung und Erhaltung
anlanget, eben das Statt, was unter freien Voͤlkern
gewoͤhnlich iſt f]: nur daß iene, wenn die deshalb ent-
ſtehenden Streitigkeiten in Guͤte nicht beigelegt werden
koͤnnen, nicht ſogleich zu Thaͤtlichkeiten ſchreiten duͤr-
fen, [einige wenige Faͤlle ausgenommen, wo es ihnen
zuweilen allenfals ſich ſelbſt Recht zu verſchaffen nach-
gelaſſen iſt ꝛc.] ſondern den Weg Rechtens, nach Ver-
haͤltnis der Umſtaͤnde vor den Austraͤgen oder Reichs-
gerichten, einſchlagen muͤſſen; wobey der Beſitz und
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[205/0219] Von den Landesgrenzen. §. 21. Rechte der Landesherrn. Die Grenzen Teutſchlands, nach ſeiner geographi- ſchen und politiſchen Bedeutung a] ſind an vielen Orten noch ziemlich ungewis, und man ſtreitet uͤber verſchie- dene Lande ob ſie dazu gehoͤren, oder nicht? b] Die dahineinſchlagenden das Reich im Ganzen betreffenden Geſchaͤfte gegen Auswaͤrtige ſind nach allen obigen Grundſaͤtzen zu entſcheiden. Es duͤrfen aber, nach dem teutſchen Staatsrechte, weder der Kaiſer, noch die Staͤnde, einſeitig hierunter, ſondern mit gemein- ſchaftlicher Einwilligung verfahren c]. In ſo ferne nun die reichsſtaͤndiſchen Landesgrenzen zugleich die Grenzen des teutſchen Reichs d] ausmachen, ſind die Landesherrn in ihren mit auswaͤrtigen Nazionen zu er- richtenden Grenzvertraͤgen, ebenfals an die Genehmi- gung des Kaiſers und Reichs gebunden d]. Was die Landesgrenzen im innern des Reichs be- trift, darinn verfahren die Landesherrn unter ſich nach mehrerer Wilkuͤhr, und errichten die erfoderlichen Ver- traͤge daruͤber gemeiniglich ohne ſie dem Reiche vorzu- legen e]. Es findet auch dabey, beſonders was den Beweis der Grenzen, deren Feſtſetzung und Erhaltung anlanget, eben das Statt, was unter freien Voͤlkern gewoͤhnlich iſt f]: nur daß iene, wenn die deshalb ent- ſtehenden Streitigkeiten in Guͤte nicht beigelegt werden koͤnnen, nicht ſogleich zu Thaͤtlichkeiten ſchreiten duͤr- fen, [einige wenige Faͤlle ausgenommen, wo es ihnen zuweilen allenfals ſich ſelbſt Recht zu verſchaffen nach- gelaſſen iſt ꝛc.] ſondern den Weg Rechtens, nach Ver- haͤltnis der Umſtaͤnde vor den Austraͤgen oder Reichs- gerichten, einſchlagen muͤſſen; wobey der Beſitz und die unvordenkliche Veriaͤhrung vorzuͤglich den Aus- ſchlag

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/219>, abgerufen am 23.04.2024.