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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Algemeine wechselseitige Rechte der Völker
§. 13.
Verletzung des Territoriums.

Wenn ein Volk die Grenzen seines Gebiets in das
unstreitige Territorium a] eines andern erstrecket, sich
unbefugt Handlungen und Gerechtsame in demselben
anmaßt, oder andere an Ausübung ihrer Rechte hin-
dert, so begeht es eine Verletzung des Territoriums b]
und fügt der andern Nazion eine Beleidigung zu,
welche diese verhältnismässig zu ahnden c] gleiches mit
gleichem zu vergelten d] oder, wenn alle gütliche und
gelinde Mittel nichts fruchten, sich Genugthuung e]
mit Gewalt zu verschaffen berechtigt ist f]. Zwischen
Nachbarn fallen dergleichen Verletzungen öfters vor.
Da solche vielmals aus blosser Unwissenheit, Versehn
und Uebereilung g] der Unterthanen oder Beamten an
den Grenzen geschehen, so wird nicht selten in voraus
festgesetzt, wie man sich in dergleichen Fällen, zu Ver-
hütung grössern Misverständnisses, zu verhalten habe h].
Dritte Nazionen nehmen ohne besondere Veranlassung,
an diesen, so wie an andern Streitigkeiten gewönlich
keinen Theil i].

a] So lange das Eigenthum und die Oberherschaft über
ein Territorium streitig ist, läßt sich wegen dessen Ver-
letzung nichts Entscheidendes behaupten. Mosers Ver-
such 5. Th. S. 379. u. Beiträge in Frz. 5. Th.
S. 334.
b] Die Verletzung kann theils von dem Souverain selbst,
theils von den Beamten und Unterthanen entweder mit
dessen Befehl, Zulassung und Genehmigung, oder ohne
dieselben und ihm unwissend auf mancherley Art gesche-
hen, z. B. durch gewafueten Einfall in ein Land oder
Durchmarsch ohne Anfrage, gewaltsame und heimliche
Werbung, Verfolgung und Wegnahme oder hinterlistige
Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
§. 13.
Verletzung des Territoriums.

Wenn ein Volk die Grenzen ſeines Gebiets in das
unſtreitige Territorium a] eines andern erſtrecket, ſich
unbefugt Handlungen und Gerechtſame in demſelben
anmaßt, oder andere an Ausuͤbung ihrer Rechte hin-
dert, ſo begeht es eine Verletzung des Territoriums b]
und fuͤgt der andern Nazion eine Beleidigung zu,
welche dieſe verhaͤltnismaͤſſig zu ahnden c] gleiches mit
gleichem zu vergelten d] oder, wenn alle guͤtliche und
gelinde Mittel nichts fruchten, ſich Genugthuung e]
mit Gewalt zu verſchaffen berechtigt iſt f]. Zwiſchen
Nachbarn fallen dergleichen Verletzungen oͤfters vor.
Da ſolche vielmals aus bloſſer Unwiſſenheit, Verſehn
und Uebereilung g] der Unterthanen oder Beamten an
den Grenzen geſchehen, ſo wird nicht ſelten in voraus
feſtgeſetzt, wie man ſich in dergleichen Faͤllen, zu Ver-
huͤtung groͤſſern Misverſtaͤndniſſes, zu verhalten habe h].
Dritte Nazionen nehmen ohne beſondere Veranlaſſung,
an dieſen, ſo wie an andern Streitigkeiten gewoͤnlich
keinen Theil i].

a] So lange das Eigenthum und die Oberherſchaft uͤber
ein Territorium ſtreitig iſt, laͤßt ſich wegen deſſen Ver-
letzung nichts Entſcheidendes behaupten. Moſers Ver-
ſuch 5. Th. S. 379. u. Beitraͤge in Frz. 5. Th.
S. 334.
b] Die Verletzung kann theils von dem Souverain ſelbſt,
theils von den Beamten und Unterthanen entweder mit
deſſen Befehl, Zulaſſung und Genehmigung, oder ohne
dieſelben und ihm unwiſſend auf mancherley Art geſche-
hen, z. B. durch gewafueten Einfall in ein Land oder
Durchmarſch ohne Anfrage, gewaltſame und heimliche
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[234/0248] Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker §. 13. Verletzung des Territoriums. Wenn ein Volk die Grenzen ſeines Gebiets in das unſtreitige Territorium a] eines andern erſtrecket, ſich unbefugt Handlungen und Gerechtſame in demſelben anmaßt, oder andere an Ausuͤbung ihrer Rechte hin- dert, ſo begeht es eine Verletzung des Territoriums b] und fuͤgt der andern Nazion eine Beleidigung zu, welche dieſe verhaͤltnismaͤſſig zu ahnden c] gleiches mit gleichem zu vergelten d] oder, wenn alle guͤtliche und gelinde Mittel nichts fruchten, ſich Genugthuung e] mit Gewalt zu verſchaffen berechtigt iſt f]. Zwiſchen Nachbarn fallen dergleichen Verletzungen oͤfters vor. Da ſolche vielmals aus bloſſer Unwiſſenheit, Verſehn und Uebereilung g] der Unterthanen oder Beamten an den Grenzen geſchehen, ſo wird nicht ſelten in voraus feſtgeſetzt, wie man ſich in dergleichen Faͤllen, zu Ver- huͤtung groͤſſern Misverſtaͤndniſſes, zu verhalten habe h]. Dritte Nazionen nehmen ohne beſondere Veranlaſſung, an dieſen, ſo wie an andern Streitigkeiten gewoͤnlich keinen Theil i]. a] So lange das Eigenthum und die Oberherſchaft uͤber ein Territorium ſtreitig iſt, laͤßt ſich wegen deſſen Ver- letzung nichts Entſcheidendes behaupten. Moſers Ver- ſuch 5. Th. S. 379. u. Beitraͤge in Frz. 5. Th. S. 334. b] Die Verletzung kann theils von dem Souverain ſelbſt, theils von den Beamten und Unterthanen entweder mit deſſen Befehl, Zulaſſung und Genehmigung, oder ohne dieſelben und ihm unwiſſend auf mancherley Art geſche- hen, z. B. durch gewafueten Einfall in ein Land oder Durchmarſch ohne Anfrage, gewaltſame und heimliche Werbung, Verfolgung und Wegnahme oder hinterliſtige Weg-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/248>, abgerufen am 28.03.2024.