Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Antritt und Endigung der Regierung.
§. 4.
Abdankung der Regierung.

Ob und in wie ferne einem Regenten erlaubt sey,
freiwillig die Regierung niederzulegen, muß aus den
Grundgesetzen eines ieden Staats beurteilt werden;
andere Nazionen haben in der Regel nichts darein zu
sagen a]. Ein Souverain, welcher die Regierung ab-
gedankt hat, pflegt iedoch sowohl in seinem Staate,
als auswärts, die persönlichen Gerechtsame der Sou-
verains zu geniessen b]. Indes kann auch andern
Nazionen, wenn sie Nachtheil daraus zu befürchten
haben solten, nicht verargt werden, andere Maasre-
geln hierunter zu ergreifen, und ihm z. B. sogar den
Aufenthalt bey sich abzuschlagen c].

a] Mosers Grundsätze in Frz. S. 163. Es giebt hiervon
verschiedene Beispiele in der Geschichte: als König Phi-
lips V. in Spanien, der Königin Christine in Schwe-
den, Johann Casimirs in Polen, Victor Amadens in
Sardinien, Kaiser Karls VI. etc. Doch haben auch
schon andere Nazionen solche als ungültig ansehn wollen.
Die letztere wolte besonders der Papst nicht erkennen,
und erklärte sie für null, weil die Resignation nicht in
seine Hände geschehen sey. Als die Königin Christine
in Schweden abdankte und ihrem Vetter dem Pfalzgra-
fen Karl Gustav die königliche Würde übertrug, schickte
König Johann Casimit in Polen eine eigne Gesandschaft
nach Schweden, eine solenne Protestation dagegen in-
zulegen, aber die Königin gab die nachdrückliche Ant-
wort: Mein Vetter wird euch mit dreissigtausend Zeu-
gen beweisen, daß er der rechtmässige König in Schwe-
den sey. Puffendorff de rebus gestis Caroli Gustavi
L. I.
§. 43.
b] Moser
E e 2
Von Antritt und Endigung der Regierung.
§. 4.
Abdankung der Regierung.

Ob und in wie ferne einem Regenten erlaubt ſey,
freiwillig die Regierung niederzulegen, muß aus den
Grundgeſetzen eines ieden Staats beurteilt werden;
andere Nazionen haben in der Regel nichts darein zu
ſagen a]. Ein Souverain, welcher die Regierung ab-
gedankt hat, pflegt iedoch ſowohl in ſeinem Staate,
als auswaͤrts, die perſoͤnlichen Gerechtſame der Sou-
verains zu genieſſen b]. Indes kann auch andern
Nazionen, wenn ſie Nachtheil daraus zu befuͤrchten
haben ſolten, nicht verargt werden, andere Maasre-
geln hierunter zu ergreifen, und ihm z. B. ſogar den
Aufenthalt bey ſich abzuſchlagen c].

a] Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 163. Es giebt hiervon
verſchiedene Beiſpiele in der Geſchichte: als Koͤnig Phi-
lips V. in Spanien, der Koͤnigin Chriſtine in Schwe-
den, Johann Caſimirs in Polen, Victor Amadens in
Sardinien, Kaiſer Karls VI. ꝛc. Doch haben auch
ſchon andere Nazionen ſolche als unguͤltig anſehn wollen.
Die letztere wolte beſonders der Papſt nicht erkennen,
und erklaͤrte ſie fuͤr null, weil die Reſignation nicht in
ſeine Haͤnde geſchehen ſey. Als die Koͤnigin Chriſtine
in Schweden abdankte und ihrem Vetter dem Pfalzgra-
fen Karl Guſtav die koͤnigliche Wuͤrde uͤbertrug, ſchickte
Koͤnig Johann Caſimit in Polen eine eigne Geſandſchaft
nach Schweden, eine ſolenne Proteſtation dagegen in-
zulegen, aber die Koͤnigin gab die nachdruͤckliche Ant-
wort: Mein Vetter wird euch mit dreiſſigtauſend Zeu-
gen beweiſen, daß er der rechtmaͤſſige Koͤnig in Schwe-
den ſey. Puffendorff de rebus geſtis Caroli Guſtavi
L. I.
§. 43.
b] Moſer
E e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0449" n="435"/>
          <fw place="top" type="header">Von Antritt und Endigung der Regierung.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4.<lb/><hi rendition="#g">Abdankung der Regierung</hi>.</head><lb/>
            <p>Ob und in wie ferne einem Regenten erlaubt &#x017F;ey,<lb/>
freiwillig die Regierung niederzulegen, muß aus den<lb/>
Grundge&#x017F;etzen eines ieden Staats beurteilt werden;<lb/>
andere Nazionen haben in der Regel nichts darein zu<lb/>
&#x017F;agen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">a</hi></hi>]. Ein Souverain, welcher die Regierung ab-<lb/>
gedankt hat, pflegt iedoch &#x017F;owohl in &#x017F;einem Staate,<lb/>
als auswa&#x0364;rts, die per&#x017F;o&#x0364;nlichen Gerecht&#x017F;ame der Sou-<lb/>
verains zu genie&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">b</hi></hi>]. Indes kann auch andern<lb/>
Nazionen, wenn &#x017F;ie Nachtheil daraus zu befu&#x0364;rchten<lb/>
haben &#x017F;olten, nicht verargt werden, andere Maasre-<lb/>
geln hierunter zu ergreifen, und ihm z. B. &#x017F;ogar den<lb/>
Aufenthalt bey &#x017F;ich abzu&#x017F;chlagen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">c</hi></hi>].</p><lb/>
            <note place="end" n="a]"><hi rendition="#fr">Mo&#x017F;ers</hi> Grund&#x017F;a&#x0364;tze in Frz. S. 163. Es giebt hiervon<lb/>
ver&#x017F;chiedene Bei&#x017F;piele in der Ge&#x017F;chichte: als Ko&#x0364;nig Phi-<lb/>
lips <hi rendition="#aq">V.</hi> in Spanien, der Ko&#x0364;nigin Chri&#x017F;tine in Schwe-<lb/>
den, Johann Ca&#x017F;imirs in Polen, Victor Amadens in<lb/>
Sardinien, Kai&#x017F;er Karls <hi rendition="#aq">VI.</hi> &#xA75B;c. Doch haben auch<lb/>
&#x017F;chon andere Nazionen &#x017F;olche als ungu&#x0364;ltig an&#x017F;ehn wollen.<lb/>
Die letztere wolte be&#x017F;onders der Pap&#x017F;t nicht erkennen,<lb/>
und erkla&#x0364;rte &#x017F;ie fu&#x0364;r null, weil die Re&#x017F;ignation nicht in<lb/>
&#x017F;eine Ha&#x0364;nde ge&#x017F;chehen &#x017F;ey. Als die Ko&#x0364;nigin Chri&#x017F;tine<lb/>
in Schweden abdankte und ihrem Vetter dem Pfalzgra-<lb/>
fen Karl Gu&#x017F;tav die ko&#x0364;nigliche Wu&#x0364;rde u&#x0364;bertrug, &#x017F;chickte<lb/>
Ko&#x0364;nig Johann Ca&#x017F;imit in Polen eine eigne Ge&#x017F;and&#x017F;chaft<lb/>
nach Schweden, eine &#x017F;olenne Prote&#x017F;tation dagegen in-<lb/>
zulegen, aber die Ko&#x0364;nigin gab die nachdru&#x0364;ckliche Ant-<lb/>
wort: Mein Vetter wird euch mit drei&#x017F;&#x017F;igtau&#x017F;end Zeu-<lb/>
gen bewei&#x017F;en, daß er der rechtma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Ko&#x0364;nig in Schwe-<lb/>
den &#x017F;ey. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Puffendorff</hi> de rebus ge&#x017F;tis Caroli Gu&#x017F;tavi<lb/>
L. I.</hi> §. 43.</note><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">E e 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">b</hi></hi>] Mo&#x017F;er</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435/0449] Von Antritt und Endigung der Regierung. §. 4. Abdankung der Regierung. Ob und in wie ferne einem Regenten erlaubt ſey, freiwillig die Regierung niederzulegen, muß aus den Grundgeſetzen eines ieden Staats beurteilt werden; andere Nazionen haben in der Regel nichts darein zu ſagen a]. Ein Souverain, welcher die Regierung ab- gedankt hat, pflegt iedoch ſowohl in ſeinem Staate, als auswaͤrts, die perſoͤnlichen Gerechtſame der Sou- verains zu genieſſen b]. Indes kann auch andern Nazionen, wenn ſie Nachtheil daraus zu befuͤrchten haben ſolten, nicht verargt werden, andere Maasre- geln hierunter zu ergreifen, und ihm z. B. ſogar den Aufenthalt bey ſich abzuſchlagen c]. a] Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 163. Es giebt hiervon verſchiedene Beiſpiele in der Geſchichte: als Koͤnig Phi- lips V. in Spanien, der Koͤnigin Chriſtine in Schwe- den, Johann Caſimirs in Polen, Victor Amadens in Sardinien, Kaiſer Karls VI. ꝛc. Doch haben auch ſchon andere Nazionen ſolche als unguͤltig anſehn wollen. Die letztere wolte beſonders der Papſt nicht erkennen, und erklaͤrte ſie fuͤr null, weil die Reſignation nicht in ſeine Haͤnde geſchehen ſey. Als die Koͤnigin Chriſtine in Schweden abdankte und ihrem Vetter dem Pfalzgra- fen Karl Guſtav die koͤnigliche Wuͤrde uͤbertrug, ſchickte Koͤnig Johann Caſimit in Polen eine eigne Geſandſchaft nach Schweden, eine ſolenne Proteſtation dagegen in- zulegen, aber die Koͤnigin gab die nachdruͤckliche Ant- wort: Mein Vetter wird euch mit dreiſſigtauſend Zeu- gen beweiſen, daß er der rechtmaͤſſige Koͤnig in Schwe- den ſey. Puffendorff de rebus geſtis Caroli Guſtavi L. I. §. 43. b] Moſer E e 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/449
Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/449>, abgerufen am 18.04.2024.