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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

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stecken. Ein Clavier- oder Violinspieler giebt
ihn, nicht durch Worte, sondern durch das Spiel
auf seinem Instrumente zu erkennen, was er
vornehmen soll. Nachdenken und Erfindungs-
kraft müssen ihn dabey leiten. Er kommt her-
ein, alles ist still und die Musik geht langsam und
leise. Er beginnt seine Promenade im Zimmer
umher, und indem er sich der Person nähert,
welche den Schlüssel hat, hebt sich der Ton und
verräth ihm, dass hier der Gegenstand seiner
Action sey. Er berührt jene Person und der Ton
hebt sich noch mehr. Er wird jezt allerley mit
ihr unternehmen, sie sträucheln, ihre Hand fas-
sen, aber vergebens. Er wird endlich mit bey-
den Händen von ihrem Kopfe langsam bis zu den
Füssen herab fahren und die Verstärkung der
Musik wird ihn in der Gegend der Westenta-
schen anzeigen, dass hier etwas zu schaffen sey.
Seine Hände finden bald die Tasche, sie holen
wirklich etwas heraus, aber plözlich sinkt die
Musik ins pianissimo zurück; denn es ist ein Mes-
ser. Er steckt es schleunig wieder in die Tasche,
die Musik hebt sich wieder und wird noch stär-
ker als er den Schlüssel herauszieht. Mit dem
Schlüssel in der Hand wird er nun allerley ver-
geblich versuchen, die Musik wird sich ins Piano
zurückziehen; ja sie wird ins pianissimo herab-
sinken, wenn er den Schlüssel wieder in die Ta-

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ſtecken. Ein Clavier- oder Violinſpieler giebt
ihn, nicht durch Worte, ſondern durch das Spiel
auf ſeinem Inſtrumente zu erkennen, was er
vornehmen ſoll. Nachdenken und Erfindungs-
kraft müſſen ihn dabey leiten. Er kommt her-
ein, alles iſt ſtill und die Muſik geht langſam und
leiſe. Er beginnt ſeine Promenade im Zimmer
umher, und indem er ſich der Perſon nähert,
welche den Schlüſſel hat, hebt ſich der Ton und
verräth ihm, daſs hier der Gegenſtand ſeiner
Action ſey. Er berührt jene Perſon und der Ton
hebt ſich noch mehr. Er wird jezt allerley mit
ihr unternehmen, ſie ſträucheln, ihre Hand faſ-
ſen, aber vergebens. Er wird endlich mit bey-
den Händen von ihrem Kopfe langſam bis zu den
Füſsen herab fahren und die Verſtärkung der
Muſik wird ihn in der Gegend der Weſtenta-
ſchen anzeigen, daſs hier etwas zu ſchaffen ſey.
Seine Hände finden bald die Taſche, ſie holen
wirklich etwas heraus, aber plözlich ſinkt die
Muſik ins pianiſſimo zurück; denn es iſt ein Meſ-
ſer. Er ſteckt es ſchleunig wieder in die Taſche,
die Muſik hebt ſich wieder und wird noch ſtär-
ker als er den Schlüſſel herauszieht. Mit dem
Schlüſſel in der Hand wird er nun allerley ver-
geblich verſuchen, die Muſik wird ſich ins Piano
zurückziehen; ja ſie wird ins pianiſſimo herab-
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[403/0435] ſtecken. Ein Clavier- oder Violinſpieler giebt ihn, nicht durch Worte, ſondern durch das Spiel auf ſeinem Inſtrumente zu erkennen, was er vornehmen ſoll. Nachdenken und Erfindungs- kraft müſſen ihn dabey leiten. Er kommt her- ein, alles iſt ſtill und die Muſik geht langſam und leiſe. Er beginnt ſeine Promenade im Zimmer umher, und indem er ſich der Perſon nähert, welche den Schlüſſel hat, hebt ſich der Ton und verräth ihm, daſs hier der Gegenſtand ſeiner Action ſey. Er berührt jene Perſon und der Ton hebt ſich noch mehr. Er wird jezt allerley mit ihr unternehmen, ſie ſträucheln, ihre Hand faſ- ſen, aber vergebens. Er wird endlich mit bey- den Händen von ihrem Kopfe langſam bis zu den Füſsen herab fahren und die Verſtärkung der Muſik wird ihn in der Gegend der Weſtenta- ſchen anzeigen, daſs hier etwas zu ſchaffen ſey. Seine Hände finden bald die Taſche, ſie holen wirklich etwas heraus, aber plözlich ſinkt die Muſik ins pianiſſimo zurück; denn es iſt ein Meſ- ſer. Er ſteckt es ſchleunig wieder in die Taſche, die Muſik hebt ſich wieder und wird noch ſtär- ker als er den Schlüſſel herauszieht. Mit dem Schlüſſel in der Hand wird er nun allerley ver- geblich verſuchen, die Muſik wird ſich ins Piano zurückziehen; ja ſie wird ins pianiſſimo herab- ſinken, wenn er den Schlüſſel wieder in die Ta- C c 2

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Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/435>, abgerufen am 28.03.2024.