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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Vorrede.
ob Wellington gern geräucherten Schinken ißt
oder ob O'Connel sich ein Tagebuch hält, worin
er seine Ideen niederschreibt. Hier werden meine
Berichte immer lückenhaft bleiben und ergänzt
werden müssen, von Varnhagen von Ense, Wach¬
ler oder sonst einem biographischen Denkmalsetzer,
der noch andere Quellen zu benutzen Gelegenheit
hat, als das große aufgeschlagene Buch der Ge¬
schichte, das die ganze Bibliothek ist, welche ich
besitze. Ich habe nichts gethan, als aus den ob¬
jektiven Klammern der Geschichte das Alles abge¬
löst, was auf Rechnung der Charaktere kommt,
welche dies oder jenes Faktum entweder selbst ge¬
macht oder doch gebilligt haben. Nur Menschen
wollt' ich schildern, bei denen sich nichts verstecken
dürfte; und bei denen das Nebendetail der Privat¬
verhältnisse so unbedeutend ist, daß sie nicht ver¬
mißt werden.

Auch nicht einmal deshalb unvollständig sind
meine Darstellungen, weil ihre Gegenstände noch
leben und die Geschichte keineswegs entschlossen ist,

Vorrede.
ob Wellington gern geraͤucherten Schinken ißt
oder ob O'Connel ſich ein Tagebuch haͤlt, worin
er ſeine Ideen niederſchreibt. Hier werden meine
Berichte immer luͤckenhaft bleiben und ergaͤnzt
werden muͤſſen, von Varnhagen von Enſe, Wach¬
ler oder ſonſt einem biographiſchen Denkmalſetzer,
der noch andere Quellen zu benutzen Gelegenheit
hat, als das große aufgeſchlagene Buch der Ge¬
ſchichte, das die ganze Bibliothek iſt, welche ich
beſitze. Ich habe nichts gethan, als aus den ob¬
jektiven Klammern der Geſchichte das Alles abge¬
loͤſt, was auf Rechnung der Charaktere kommt,
welche dies oder jenes Faktum entweder ſelbſt ge¬
macht oder doch gebilligt haben. Nur Menſchen
wollt' ich ſchildern, bei denen ſich nichts verſtecken
duͤrfte; und bei denen das Nebendetail der Privat¬
verhaͤltniſſe ſo unbedeutend iſt, daß ſie nicht ver¬
mißt werden.

Auch nicht einmal deshalb unvollſtaͤndig ſind
meine Darſtellungen, weil ihre Gegenſtaͤnde noch
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[X/0016] Vorrede. ob Wellington gern geraͤucherten Schinken ißt oder ob O'Connel ſich ein Tagebuch haͤlt, worin er ſeine Ideen niederſchreibt. Hier werden meine Berichte immer luͤckenhaft bleiben und ergaͤnzt werden muͤſſen, von Varnhagen von Enſe, Wach¬ ler oder ſonſt einem biographiſchen Denkmalſetzer, der noch andere Quellen zu benutzen Gelegenheit hat, als das große aufgeſchlagene Buch der Ge¬ ſchichte, das die ganze Bibliothek iſt, welche ich beſitze. Ich habe nichts gethan, als aus den ob¬ jektiven Klammern der Geſchichte das Alles abge¬ loͤſt, was auf Rechnung der Charaktere kommt, welche dies oder jenes Faktum entweder ſelbſt ge¬ macht oder doch gebilligt haben. Nur Menſchen wollt' ich ſchildern, bei denen ſich nichts verſtecken duͤrfte; und bei denen das Nebendetail der Privat¬ verhaͤltniſſe ſo unbedeutend iſt, daß ſie nicht ver¬ mißt werden. Auch nicht einmal deshalb unvollſtaͤndig ſind meine Darſtellungen, weil ihre Gegenſtaͤnde noch leben und die Geſchichte keineswegs entſchloſſen iſt,

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/16>, abgerufen am 23.04.2024.