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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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werden könnten, gar nicht aufkommen zu lassen. Schon jetzt werden wir es mit unsern Männern so einzurichten wissen, daß eine junge Generation in funfzehn Jahren gar nicht vorhanden sein wird.

Und nun, Geliebter, muß ich auch von Dir wehmüthigen Abschied nehmen. Zwar weiß ich, Deine weiche Seele steht den zarten Eindrücken der Weiblichkeit mehr offen, als irgend ein männliches Gemüth des In- oder Auslandes. Aber die unvermischte Reine des Princips, die gänzliche Aufopferung jedes Interesses zwingt mich, Dir Lebewohl zu sagen. Wie in einem alten Liede, wo der Schwieger seinem geliebten Eidam gegenübertreten und den Willen seines Herrn ausfechten muß, so reich' ich auch Dir noch einmal schmerzbewegt die sonst so treue Hand. Daß Du mir treu bleiben wirst, weiß ich aus zwei Gründen: einmal, weil in funfzehn Jahren die Minne nicht mehr a l'ordre du jour sein wird, und zweitens wirst Du es auch so sein. Hätt' ich es je ahnen können, daß sich eines solchen Streites wegen noch meine Augen in Wehmuth hüllen würden! Welch' eine Zeit!

Lebe wohl, Du Guter, Unvergessener!


werden könnten, gar nicht aufkommen zu lassen. Schon jetzt werden wir es mit unsern Männern so einzurichten wissen, daß eine junge Generation in funfzehn Jahren gar nicht vorhanden sein wird.

Und nun, Geliebter, muß ich auch von Dir wehmüthigen Abschied nehmen. Zwar weiß ich, Deine weiche Seele steht den zarten Eindrücken der Weiblichkeit mehr offen, als irgend ein männliches Gemüth des In- oder Auslandes. Aber die unvermischte Reine des Princips, die gänzliche Aufopferung jedes Interesses zwingt mich, Dir Lebewohl zu sagen. Wie in einem alten Liede, wo der Schwieger seinem geliebten Eidam gegenübertreten und den Willen seines Herrn ausfechten muß, so reich’ ich auch Dir noch einmal schmerzbewegt die sonst so treue Hand. Daß Du mir treu bleiben wirst, weiß ich aus zwei Gründen: einmal, weil in funfzehn Jahren die Minne nicht mehr à l’ordre du jour sein wird, und zweitens wirst Du es auch so sein. Hätt’ ich es je ahnen können, daß sich eines solchen Streites wegen noch meine Augen in Wehmuth hüllen würden! Welch’ eine Zeit!

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[180/0193] werden könnten, gar nicht aufkommen zu lassen. Schon jetzt werden wir es mit unsern Männern so einzurichten wissen, daß eine junge Generation in funfzehn Jahren gar nicht vorhanden sein wird. Und nun, Geliebter, muß ich auch von Dir wehmüthigen Abschied nehmen. Zwar weiß ich, Deine weiche Seele steht den zarten Eindrücken der Weiblichkeit mehr offen, als irgend ein männliches Gemüth des In- oder Auslandes. Aber die unvermischte Reine des Princips, die gänzliche Aufopferung jedes Interesses zwingt mich, Dir Lebewohl zu sagen. Wie in einem alten Liede, wo der Schwieger seinem geliebten Eidam gegenübertreten und den Willen seines Herrn ausfechten muß, so reich’ ich auch Dir noch einmal schmerzbewegt die sonst so treue Hand. Daß Du mir treu bleiben wirst, weiß ich aus zwei Gründen: einmal, weil in funfzehn Jahren die Minne nicht mehr à l’ordre du jour sein wird, und zweitens wirst Du es auch so sein. Hätt’ ich es je ahnen können, daß sich eines solchen Streites wegen noch meine Augen in Wehmuth hüllen würden! Welch’ eine Zeit! Lebe wohl, Du Guter, Unvergessener!

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/193>, abgerufen am 29.03.2024.