Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Andere eine Vorschrift sein will. Noch mehr! man paart mit der Zumuthung, seinen Beifall nicht versagen zu wollen, die Gefälligkeit, eine meist so lästige Tugend der Menschen. Man macht sich anheischig, für Andere das sein zu wollen, wozu ein Jeder sein eigenes Herz und seinen eigenen Kopf braucht.

Wenn die Monarchen, wie sie da alle Drei in Paris einzogen, das Bedürfniß fühlten, alte Sünden hintennach und neue im Voraus zu büßen, so werden sich ihre Biographen darnach zu richten haben. Für ihre Zeitgenossen aber durften sie nicht annehmen, daß sich die Richtung der religiösen Einsicht bei einem Jeden unter ihnen gerade so gestaltet habe, wie die ihrige. Wie thöricht für Andere fromm sein zu wollen! Und was nennt Ihr Frömmigkeit? bleibt die erste Frage in einer Sache, wo die stille Kammer des Herzens entscheidet, nicht ein Dekret vom Throne.

Ueberhaupt soll ein Fürst von einem Dinge weder annehmen, daß es gut, noch daß es schlecht sei. Er soll weder Kirchen nach seinem Geschmack, noch Pinakotheken und dergleichen bauen lassen, hinterher von seinen Ständen die Deckung der Kosten verlangen, er höre die Wünsche seines Volks, und sei bei der Ausführung die rechte Hand.

Andere eine Vorschrift sein will. Noch mehr! man paart mit der Zumuthung, seinen Beifall nicht versagen zu wollen, die Gefälligkeit, eine meist so lästige Tugend der Menschen. Man macht sich anheischig, für Andere das sein zu wollen, wozu ein Jeder sein eigenes Herz und seinen eigenen Kopf braucht.

Wenn die Monarchen, wie sie da alle Drei in Paris einzogen, das Bedürfniß fühlten, alte Sünden hintennach und neue im Voraus zu büßen, so werden sich ihre Biographen darnach zu richten haben. Für ihre Zeitgenossen aber durften sie nicht annehmen, daß sich die Richtung der religiösen Einsicht bei einem Jeden unter ihnen gerade so gestaltet habe, wie die ihrige. Wie thöricht für Andere fromm sein zu wollen! Und was nennt Ihr Frömmigkeit? bleibt die erste Frage in einer Sache, wo die stille Kammer des Herzens entscheidet, nicht ein Dekret vom Throne.

Ueberhaupt soll ein Fürst von einem Dinge weder annehmen, daß es gut, noch daß es schlecht sei. Er soll weder Kirchen nach seinem Geschmack, noch Pinakotheken und dergleichen bauen lassen, hinterher von seinen Ständen die Deckung der Kosten verlangen, er höre die Wünsche seines Volks, und sei bei der Ausführung die rechte Hand.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="17"/>
Andere eine Vorschrift sein will. Noch mehr! man paart mit der Zumuthung, seinen Beifall nicht versagen zu wollen, die Gefälligkeit, eine meist so lästige Tugend der Menschen. Man macht sich anheischig, für Andere das sein zu wollen, wozu ein Jeder sein eigenes Herz und seinen eigenen Kopf braucht.</p>
        <p><ref xml:id="TEXTWenndieMonarchenBISzubuessen" target="BrN3E.htm#ERLWenndieMonarchenBISzubuessen">Wenn die Monarchen, wie sie da alle Drei in Paris einzogen, das Bedürfniß fühlten, alte Sünden hintennach und neue im Voraus zu büßen</ref>, so werden sich ihre Biographen darnach zu richten haben. Für ihre Zeitgenossen aber durften sie nicht annehmen, daß sich die Richtung der religiösen Einsicht bei einem Jeden unter ihnen gerade so gestaltet habe, wie die ihrige. Wie thöricht für Andere fromm sein zu wollen! Und was nennt Ihr Frömmigkeit? bleibt die erste Frage in einer Sache, wo die stille Kammer des Herzens entscheidet, nicht ein Dekret vom Throne.</p>
        <p><ref xml:id="TEXTUeberhauptsollBISdierechteHand"/>Ueberhaupt soll ein Fürst von einem Dinge weder annehmen, daß es gut, noch daß es schlecht sei. <ref xml:id="TEXTErsollwederBISbauenlassen" target="BrN3E.htm#ERLErsollwederBISbauenlassen">Er soll weder Kirchen nach seinem Geschmack, noch Pinakotheken und dergleichen bauen lassen</ref>, hinterher von seinen Ständen die Deckung der Kosten verlangen, er höre die Wünsche seines Volks, und sei bei der Ausführung die rechte Hand.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0030] Andere eine Vorschrift sein will. Noch mehr! man paart mit der Zumuthung, seinen Beifall nicht versagen zu wollen, die Gefälligkeit, eine meist so lästige Tugend der Menschen. Man macht sich anheischig, für Andere das sein zu wollen, wozu ein Jeder sein eigenes Herz und seinen eigenen Kopf braucht. Wenn die Monarchen, wie sie da alle Drei in Paris einzogen, das Bedürfniß fühlten, alte Sünden hintennach und neue im Voraus zu büßen, so werden sich ihre Biographen darnach zu richten haben. Für ihre Zeitgenossen aber durften sie nicht annehmen, daß sich die Richtung der religiösen Einsicht bei einem Jeden unter ihnen gerade so gestaltet habe, wie die ihrige. Wie thöricht für Andere fromm sein zu wollen! Und was nennt Ihr Frömmigkeit? bleibt die erste Frage in einer Sache, wo die stille Kammer des Herzens entscheidet, nicht ein Dekret vom Throne. Ueberhaupt soll ein Fürst von einem Dinge weder annehmen, daß es gut, noch daß es schlecht sei. Er soll weder Kirchen nach seinem Geschmack, noch Pinakotheken und dergleichen bauen lassen, hinterher von seinen Ständen die Deckung der Kosten verlangen, er höre die Wünsche seines Volks, und sei bei der Ausführung die rechte Hand.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/30
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/30>, abgerufen am 25.04.2024.