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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Reise schlecht gelegen haben, das sonst so dunkle Haar war ausgebleicht, und schien sehr grau. Das Gräuliche hat auch mich angesteckt, mein dunkelblonder Haarwuchs ist seither so weiß geworden, wie die schneebedeckten Fluren, die sich dort drüben vor meinen Augen ausbreiten.

Ich weiß nicht, ob Dir auch so ist. Mein Leben ist mir schon so alt, und doch fühl' ich mich zuweilen jung, als lebt' ich noch immer, obschon ich gewiß weiß, daß ich wenigstens einmal gestorben bin.

Glaubst auch Du nicht daran, daß ich im Grunde nur ein Mährchen bin? Mit dem Greisenhaupte meines Januskopfes seh' ich in die dunkeln Nebenpforten fernster Vergangenheit, und mit dem Jünglingsblicke auf die Wiege, als wär' ich erst gestern geboren. Da hab' ich ein altes Buch voller wundersamer Geschichten, ich spiel' in ihnen immer die Hauptrolle, die verzauberten Prinzen. Jetzt in einen schwarzen Käfer, dann in eine glühende Kröte, oder auch in ein todtes Marmorbild verwandelt, harr' ich auf Liebe und Unschuld, die meinen Zauber lösen können.

Deine Liebe und Unschuld hören gewiß meine Klagen, die jetzt einsam durch die Nacht tönen, und von den Vögeln in Musik, von den Blumen in Duft gesetzt werden. Liebste! erinnerst Du Dich

Reise schlecht gelegen haben, das sonst so dunkle Haar war ausgebleicht, und schien sehr grau. Das Gräuliche hat auch mich angesteckt, mein dunkelblonder Haarwuchs ist seither so weiß geworden, wie die schneebedeckten Fluren, die sich dort drüben vor meinen Augen ausbreiten.

Ich weiß nicht, ob Dir auch so ist. Mein Leben ist mir schon so alt, und doch fühl’ ich mich zuweilen jung, als lebt’ ich noch immer, obschon ich gewiß weiß, daß ich wenigstens einmal gestorben bin.

Glaubst auch Du nicht daran, daß ich im Grunde nur ein Mährchen bin? Mit dem Greisenhaupte meines Januskopfes seh’ ich in die dunkeln Nebenpforten fernster Vergangenheit, und mit dem Jünglingsblicke auf die Wiege, als wär’ ich erst gestern geboren. Da hab’ ich ein altes Buch voller wundersamer Geschichten, ich spiel’ in ihnen immer die Hauptrolle, die verzauberten Prinzen. Jetzt in einen schwarzen Käfer, dann in eine glühende Kröte, oder auch in ein todtes Marmorbild verwandelt, harr’ ich auf Liebe und Unschuld, die meinen Zauber lösen können.

Deine Liebe und Unschuld hören gewiß meine Klagen, die jetzt einsam durch die Nacht tönen, und von den Vögeln in Musik, von den Blumen in Duft gesetzt werden. Liebste! erinnerst Du Dich

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[24/0037] Reise schlecht gelegen haben, das sonst so dunkle Haar war ausgebleicht, und schien sehr grau. Das Gräuliche hat auch mich angesteckt, mein dunkelblonder Haarwuchs ist seither so weiß geworden, wie die schneebedeckten Fluren, die sich dort drüben vor meinen Augen ausbreiten. Ich weiß nicht, ob Dir auch so ist. Mein Leben ist mir schon so alt, und doch fühl’ ich mich zuweilen jung, als lebt’ ich noch immer, obschon ich gewiß weiß, daß ich wenigstens einmal gestorben bin. Glaubst auch Du nicht daran, daß ich im Grunde nur ein Mährchen bin? Mit dem Greisenhaupte meines Januskopfes seh’ ich in die dunkeln Nebenpforten fernster Vergangenheit, und mit dem Jünglingsblicke auf die Wiege, als wär’ ich erst gestern geboren. Da hab’ ich ein altes Buch voller wundersamer Geschichten, ich spiel’ in ihnen immer die Hauptrolle, die verzauberten Prinzen. Jetzt in einen schwarzen Käfer, dann in eine glühende Kröte, oder auch in ein todtes Marmorbild verwandelt, harr’ ich auf Liebe und Unschuld, die meinen Zauber lösen können. Deine Liebe und Unschuld hören gewiß meine Klagen, die jetzt einsam durch die Nacht tönen, und von den Vögeln in Musik, von den Blumen in Duft gesetzt werden. Liebste! erinnerst Du Dich

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/37>, abgerufen am 18.04.2024.