Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

wohl noch jener Zeit, als ich die Anatomie Deiner Blicke studierte, als ich bei Deinem Herzen ansprach um einen gefälligen Beitrag zu der Collecte, die ich nach dem großen, von Deinen Augen in mir angerichteten Brande bei allen himmlischen Wesen sammeln ging? Oder wie war das? Man vergißt seine Freuden leichter, als seine Leiden. Ich habe so viel vergessen, waren das Alles Freuden?

Nun aber theil' ich Dir ein Geheimniß mit, das Du Dir gewiß nicht hast träumen lassen; fürs Erste mußt Du aber noch reinen Mund halten.

Der Sultan hat mich als Redacteur des konstantinopolitanischen Moniteurs berufen. Findest Du das ungereimt? Und auch auf Dich, Du herrliches Weib, hat er sein gnadenreiches Auge geworfen. Du sollst mit mir ziehen, und die Stelle der Frau von Hübsch vertreten.

Du fragst nach den nähern Umständen dieses Rufes? Nun so höre, wem ich den Rang abgelaufen habe! Mein Mitbewerber war der berühmte Bibliothekar Dr. Ernst Münch, ein Lichtfreund, den Ignoranten ein Wetterblitz, der den freimüthigen Hutten, wenn nicht nachgeahmt, so doch herausgegeben hat. Er hatte zwar gegen die Osmanen, oder richtiger die Feldzüge gegen die Osmanen geschrieben, aber

wohl noch jener Zeit, als ich die Anatomie Deiner Blicke studierte, als ich bei Deinem Herzen ansprach um einen gefälligen Beitrag zu der Collecte, die ich nach dem großen, von Deinen Augen in mir angerichteten Brande bei allen himmlischen Wesen sammeln ging? Oder wie war das? Man vergißt seine Freuden leichter, als seine Leiden. Ich habe so viel vergessen, waren das Alles Freuden?

Nun aber theil’ ich Dir ein Geheimniß mit, das Du Dir gewiß nicht hast träumen lassen; fürs Erste mußt Du aber noch reinen Mund halten.

Der Sultan hat mich als Redacteur des konstantinopolitanischen Moniteurs berufen. Findest Du das ungereimt? Und auch auf Dich, Du herrliches Weib, hat er sein gnadenreiches Auge geworfen. Du sollst mit mir ziehen, und die Stelle der Frau von Hübsch vertreten.

Du fragst nach den nähern Umständen dieses Rufes? Nun so höre, wem ich den Rang abgelaufen habe! Mein Mitbewerber war der berühmte Bibliothekar Dr. Ernst Münch, ein Lichtfreund, den Ignoranten ein Wetterblitz, der den freimüthigen Hutten, wenn nicht nachgeahmt, so doch herausgegeben hat. Er hatte zwar gegen die Osmanen, oder richtiger die Feldzüge gegen die Osmanen geschrieben, aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="25"/>
wohl noch jener Zeit, als ich die Anatomie Deiner Blicke studierte, als ich bei Deinem Herzen ansprach um einen gefälligen Beitrag zu der Collecte, die ich nach dem großen, von Deinen Augen in mir angerichteten Brande bei allen himmlischen Wesen sammeln ging? Oder wie war das? Man vergißt seine Freuden leichter, als seine Leiden. Ich habe so viel vergessen, waren das Alles Freuden?</p>
        <p>Nun aber theil&#x2019; ich Dir ein Geheimniß mit, das Du Dir gewiß nicht hast träumen lassen; fürs Erste mußt Du aber noch reinen Mund halten.</p>
        <p><ref xml:id="TEXTDerSultanBISMoniteursberufen" target="BrN3E.htm#ERLDerSultanBISMoniteursberufen">Der Sultan hat mich als Redacteur des konstantinopolitanischen Moniteurs berufen.</ref> Findest Du das ungereimt? Und auch auf Dich, Du herrliches Weib, hat er sein gnadenreiches Auge geworfen. Du sollst mit mir ziehen, und <ref xml:id="TEXTdieStelleBISHuebsch" target="BrN3E.htm#ERLdieStelleBISHuebsch">die Stelle der Frau von Hübsch</ref> vertreten.</p>
        <p>Du fragst nach den nähern Umständen dieses Rufes? Nun so höre, wem ich den Rang abgelaufen habe! Mein Mitbewerber war <ref xml:id="TEXTderberuehmteBISMuench" target="BrN3E.htm#ERLderberuehmteBISMuench">der berühmte Bibliothekar <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Ernst Münch</ref>, ein <ref xml:id="TEXTLichtfreund" target="BrN3E.htm#ERLLichtfreund">Lichtfreund</ref>, den Ignoranten ein Wetterblitz, der den freimüthigen Hutten, wenn nicht nachgeahmt, so doch herausgegeben hat. Er hatte zwar gegen die Osmanen, oder richtiger die Feldzüge gegen die Osmanen geschrieben, aber
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0038] wohl noch jener Zeit, als ich die Anatomie Deiner Blicke studierte, als ich bei Deinem Herzen ansprach um einen gefälligen Beitrag zu der Collecte, die ich nach dem großen, von Deinen Augen in mir angerichteten Brande bei allen himmlischen Wesen sammeln ging? Oder wie war das? Man vergißt seine Freuden leichter, als seine Leiden. Ich habe so viel vergessen, waren das Alles Freuden? Nun aber theil’ ich Dir ein Geheimniß mit, das Du Dir gewiß nicht hast träumen lassen; fürs Erste mußt Du aber noch reinen Mund halten. Der Sultan hat mich als Redacteur des konstantinopolitanischen Moniteurs berufen. Findest Du das ungereimt? Und auch auf Dich, Du herrliches Weib, hat er sein gnadenreiches Auge geworfen. Du sollst mit mir ziehen, und die Stelle der Frau von Hübsch vertreten. Du fragst nach den nähern Umständen dieses Rufes? Nun so höre, wem ich den Rang abgelaufen habe! Mein Mitbewerber war der berühmte Bibliothekar Dr. Ernst Münch, ein Lichtfreund, den Ignoranten ein Wetterblitz, der den freimüthigen Hutten, wenn nicht nachgeahmt, so doch herausgegeben hat. Er hatte zwar gegen die Osmanen, oder richtiger die Feldzüge gegen die Osmanen geschrieben, aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/38
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/38>, abgerufen am 23.04.2024.