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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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noch solche Scenen erleben, wie sie in den kalten, öden Todesmauern des byzantinischen Kaiserhauses vorkamen? Wenn du gut thust, hieß es schon in dem Königsspiel bei Horaz, so wirst du König sein, wo nicht, nicht.

Wie ich höre, geht es in Hanau schon wieder hoch her. Die Zollhäuser auf der Frankfurter Straße sind kaum zerstört. Wovon ich mich selbst überzeugt habe, ist die ganze Angelegenheit so sehr in das moralische Bewußtsein der Leute dort eingegangen, daß selbst der Schenkwirth im Zollhause nie mehr sein Gebäude zu einem solchen ruchlosen Zwecke hingeben wollte. Man weiß es, daß sich Unzählige für einen zugesteckten Thaler eher todtschlagen lassen, als daß sie den Wiederanfang des kaum beendeten Unwesens duldeten. Aber das Alles wird nicht gefürchtet, man vergibt sich Nichts, und wird nicht nur den Zoll für neue Waaren verlangen, sondern selbst für die, die seither ohne Beleg durchgiengen. Den Kaffee und Zucker, den man längst verdaut hat, können die Kaufleute und wir noch hintennach veraccisen. Man wundre sich nicht, wenn die Bürgergarden bei solchen Cravallen zusammengetrommelt werden, und nicht erscheinen. Ohne Uniform sind sie selbst der Feind, gegen den sie agiren sollen.

noch solche Scenen erleben, wie sie in den kalten, öden Todesmauern des byzantinischen Kaiserhauses vorkamen? Wenn du gut thust, hieß es schon in dem Königsspiel bei Horaz, so wirst du König sein, wo nicht, nicht.

Wie ich höre, geht es in Hanau schon wieder hoch her. Die Zollhäuser auf der Frankfurter Straße sind kaum zerstört. Wovon ich mich selbst überzeugt habe, ist die ganze Angelegenheit so sehr in das moralische Bewußtsein der Leute dort eingegangen, daß selbst der Schenkwirth im Zollhause nie mehr sein Gebäude zu einem solchen ruchlosen Zwecke hingeben wollte. Man weiß es, daß sich Unzählige für einen zugesteckten Thaler eher todtschlagen lassen, als daß sie den Wiederanfang des kaum beendeten Unwesens duldeten. Aber das Alles wird nicht gefürchtet, man vergibt sich Nichts, und wird nicht nur den Zoll für neue Waaren verlangen, sondern selbst für die, die seither ohne Beleg durchgiengen. Den Kaffee und Zucker, den man längst verdaut hat, können die Kaufleute und wir noch hintennach veraccisen. Man wundre sich nicht, wenn die Bürgergarden bei solchen Cravallen zusammengetrommelt werden, und nicht erscheinen. Ohne Uniform sind sie selbst der Feind, gegen den sie agiren sollen.

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[30/0043] noch solche Scenen erleben, wie sie in den kalten, öden Todesmauern des byzantinischen Kaiserhauses vorkamen? Wenn du gut thust, hieß es schon in dem Königsspiel bei Horaz, so wirst du König sein, wo nicht, nicht. Wie ich höre, geht es in Hanau schon wieder hoch her. Die Zollhäuser auf der Frankfurter Straße sind kaum zerstört. Wovon ich mich selbst überzeugt habe, ist die ganze Angelegenheit so sehr in das moralische Bewußtsein der Leute dort eingegangen, daß selbst der Schenkwirth im Zollhause nie mehr sein Gebäude zu einem solchen ruchlosen Zwecke hingeben wollte. Man weiß es, daß sich Unzählige für einen zugesteckten Thaler eher todtschlagen lassen, als daß sie den Wiederanfang des kaum beendeten Unwesens duldeten. Aber das Alles wird nicht gefürchtet, man vergibt sich Nichts, und wird nicht nur den Zoll für neue Waaren verlangen, sondern selbst für die, die seither ohne Beleg durchgiengen. Den Kaffee und Zucker, den man längst verdaut hat, können die Kaufleute und wir noch hintennach veraccisen. Man wundre sich nicht, wenn die Bürgergarden bei solchen Cravallen zusammengetrommelt werden, und nicht erscheinen. Ohne Uniform sind sie selbst der Feind, gegen den sie agiren sollen.

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/43>, abgerufen am 25.04.2024.