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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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entfernen müsse? Freilich, wenn man sich gewöhnt hat, seine Begriffe über Gott und den Weltzweck gänzlich an die Natur anzuknüpfen, da muß wohl die Furcht vor dem Ewigen schwinden, wenn man die Natur in ihren Geheimnissen überrascht und sie zwingt, der kecken Neugier des Menschen Rede zu stehen. Aber die Natur ist nichts Ewiges, sie ist zwar das Abbild göttlicher Begriffe, aber nicht die äußere, dem Jnnern gänzlich entsprechende Form derselben. So sollten auch alle Fortschritte der neuen Erfindungskunst dahin benutzt werden, in den mathematischen, harmonischen Kräften der Natur, in ihren jetzt erst aufgelösten Entwicklungen der Materie diese Anknüpfungspunkte nachzuweisen, wo man durch die Ritzen der Natur hindurch in den göttlichen Ursitz ihrer Schöpfung blicken kann. Alles, was in der Natur Gesetz und Regel ist, ist Nachklang und stärker oder stiller hallendes Echo heimlicher in der Ferne rufender Gottestöne. Und so kann die Natur, weit entfernt, in ihrer Ausbeutung nur zur Verbreitung eines gottfeindlichen Materialismus zu dienen, weit mehr die Begründung einer innigern und darum um so stärkern Religion werden, als sie mit den Fortschritten unsres rastlos strebenden Verstandes einen und denselben Schritt hält. Jetzt triumphirt man noch über die Natur, indem man sie durch unsre großen Entdeckungen und Erfindungen zu demüthigen glaubt; allein wenn wir erst auf den Punkt gekommen sind, nach welchem sich alle philosophische Betrachter unserer Zeit sehnen, daß das Christenthum,

entfernen müsse? Freilich, wenn man sich gewöhnt hat, seine Begriffe über Gott und den Weltzweck gänzlich an die Natur anzuknüpfen, da muß wohl die Furcht vor dem Ewigen schwinden, wenn man die Natur in ihren Geheimnissen überrascht und sie zwingt, der kecken Neugier des Menschen Rede zu stehen. Aber die Natur ist nichts Ewiges, sie ist zwar das Abbild göttlicher Begriffe, aber nicht die äußere, dem Jnnern gänzlich entsprechende Form derselben. So sollten auch alle Fortschritte der neuen Erfindungskunst dahin benutzt werden, in den mathematischen, harmonischen Kräften der Natur, in ihren jetzt erst aufgelösten Entwicklungen der Materie diese Anknüpfungspunkte nachzuweisen, wo man durch die Ritzen der Natur hindurch in den göttlichen Ursitz ihrer Schöpfung blicken kann. Alles, was in der Natur Gesetz und Regel ist, ist Nachklang und stärker oder stiller hallendes Echo heimlicher in der Ferne rufender Gottestöne. Und so kann die Natur, weit entfernt, in ihrer Ausbeutung nur zur Verbreitung eines gottfeindlichen Materialismus zu dienen, weit mehr die Begründung einer innigern und darum um so stärkern Religion werden, als sie mit den Fortschritten unsres rastlos strebenden Verstandes einen und denselben Schritt hält. Jetzt triumphirt man noch über die Natur, indem man sie durch unsre großen Entdeckungen und Erfindungen zu demüthigen glaubt; allein wenn wir erst auf den Punkt gekommen sind, nach welchem sich alle philosophische Betrachter unserer Zeit sehnen, daß das Christenthum,

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entfernen müsse? Freilich, wenn man sich gewöhnt hat, seine Begriffe über Gott und den Weltzweck gänzlich an die Natur anzuknüpfen, da muß wohl die Furcht vor dem Ewigen schwinden, wenn man die Natur in ihren Geheimnissen überrascht und sie zwingt, der kecken Neugier des Menschen Rede zu stehen. Aber die Natur ist nichts Ewiges, sie ist zwar das Abbild göttlicher Begriffe, aber nicht die äußere, dem Jnnern gänzlich entsprechende Form derselben. So sollten auch alle Fortschritte der neuen Erfindungskunst dahin benutzt werden, in den mathematischen, harmonischen Kräften der Natur, in ihren jetzt erst aufgelösten Entwicklungen der Materie diese Anknüpfungspunkte nachzuweisen, wo man durch die Ritzen der Natur hindurch in den göttlichen Ursitz ihrer Schöpfung blicken kann. Alles, was in der Natur Gesetz und Regel ist, ist Nachklang und stärker oder stiller hallendes Echo heimlicher in der Ferne rufender Gottestöne. Und so kann die Natur, weit entfernt, in ihrer Ausbeutung nur zur Verbreitung eines gottfeindlichen Materialismus zu dienen, weit mehr die Begründung einer innigern und darum um so stärkern Religion werden, als sie mit den Fortschritten unsres rastlos strebenden Verstandes einen und denselben Schritt hält. Jetzt triumphirt man noch über die Natur, indem man sie durch unsre großen Entdeckungen und Erfindungen zu demüthigen glaubt; allein wenn wir erst auf den Punkt gekommen sind, nach welchem sich alle philosophische Betrachter unserer Zeit sehnen, daß das Christenthum,
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[268/0296] entfernen müsse? Freilich, wenn man sich gewöhnt hat, seine Begriffe über Gott und den Weltzweck gänzlich an die Natur anzuknüpfen, da muß wohl die Furcht vor dem Ewigen schwinden, wenn man die Natur in ihren Geheimnissen überrascht und sie zwingt, der kecken Neugier des Menschen Rede zu stehen. Aber die Natur ist nichts Ewiges, sie ist zwar das Abbild göttlicher Begriffe, aber nicht die äußere, dem Jnnern gänzlich entsprechende Form derselben. So sollten auch alle Fortschritte der neuen Erfindungskunst dahin benutzt werden, in den mathematischen, harmonischen Kräften der Natur, in ihren jetzt erst aufgelösten Entwicklungen der Materie diese Anknüpfungspunkte nachzuweisen, wo man durch die Ritzen der Natur hindurch in den göttlichen Ursitz ihrer Schöpfung blicken kann. Alles, was in der Natur Gesetz und Regel ist, ist Nachklang und stärker oder stiller hallendes Echo heimlicher in der Ferne rufender Gottestöne. Und so kann die Natur, weit entfernt, in ihrer Ausbeutung nur zur Verbreitung eines gottfeindlichen Materialismus zu dienen, weit mehr die Begründung einer innigern und darum um so stärkern Religion werden, als sie mit den Fortschritten unsres rastlos strebenden Verstandes einen und denselben Schritt hält. Jetzt triumphirt man noch über die Natur, indem man sie durch unsre großen Entdeckungen und Erfindungen zu demüthigen glaubt; allein wenn wir erst auf den Punkt gekommen sind, nach welchem sich alle philosophische Betrachter unserer Zeit sehnen, daß das Christenthum,

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/296>, abgerufen am 28.03.2024.