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Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876.

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sich aus diesem später Protoplasma und Nucleus sonderte,
entstand die Zelle. Die Cytode ist die erste und niedere,
die Zelle die zweite und höhere Form der Lebens-Einheit.
Beide zusammen habe ich in der generellen Morphologie
kurz als Bildnerinnen oder Plastiden bezeichnet; denn
sie allein sind in Wahrheit die plastischen Künstlerinnen,
welche durch ihre Thätigkeit das ganze wundervolle Ge¬
bäude des organischen Lebens errichten. Alle organischen
Formen verdanken allein der bildenden Thätigkeit der
mikroskopischen Plastiden ihre Existenz. So erweitert
sich die Zellen-Theorie zur Plastiden-Theorie. (Ver¬
gleiche meine biologischen "Stadien über Moneren und
andere Protisten". 1870.)

Wenn demnach jetzt der weitere Begriff der Plastide
an die Stelle des engeren Zellenbegriffes tritt, und wenn
somit das ganze geheimnissvolle Problem des "Lebens"
auf die elementare chemische Thätigkeit des Plasson
zurückgeführt wird, so muss unsere nächste Aufgabe sein,
eine möglichst erschöpfende Kenntniss von der Natur dieses
wichtigsten "Lebensstoffes", dieser wahren "physikalischen
Lebens-Grundlage" zu erlangen. Zunächst erscheint hier
die Chemie berufen, uns Aufschlüsse über die quantitative
Zusammensetzung und die qualitativen chemischen Eigen¬
schaften des Plasson zu geben. Leider steht aber unsere
chemische Kenntniss des Plasson in umgekehrtem Verhält¬
niss zu seiner ausserordentlichen Bedeutung. Nicht, dass
es an zahlreichen und emsigen Versuchen gefehlt hätte,
die räthselhaft chemische Constitution der zahlreichen
Modificationen des Plasson, des Protoplasma und des Nu¬
cleus zu entschleiern. Aber die Schwierigkeiten, die sich

sich aus diesem später Protoplasma und Nucleus sonderte,
entstand die Zelle. Die Cytode ist die erste und niedere,
die Zelle die zweite und höhere Form der Lebens-Einheit.
Beide zusammen habe ich in der generellen Morphologie
kurz als Bildnerinnen oder Plastiden bezeichnet; denn
sie allein sind in Wahrheit die plastischen Künstlerinnen,
welche durch ihre Thätigkeit das ganze wundervolle Ge¬
bäude des organischen Lebens errichten. Alle organischen
Formen verdanken allein der bildenden Thätigkeit der
mikroskopischen Plastiden ihre Existenz. So erweitert
sich die Zellen-Theorie zur Plastiden-Theorie. (Ver¬
gleiche meine biologischen „Stadien über Moneren und
andere Protisten“. 1870.)

Wenn demnach jetzt der weitere Begriff der Plastide
an die Stelle des engeren Zellenbegriffes tritt, und wenn
somit das ganze geheimnissvolle Problem des „Lebens“
auf die elementare chemische Thätigkeit des Plasson
zurückgeführt wird, so muss unsere nächste Aufgabe sein,
eine möglichst erschöpfende Kenntniss von der Natur dieses
wichtigsten „Lebensstoffes“, dieser wahren „physikalischen
Lebens-Grundlage“ zu erlangen. Zunächst erscheint hier
die Chemie berufen, uns Aufschlüsse über die quantitative
Zusammensetzung und die qualitativen chemischen Eigen¬
schaften des Plasson zu geben. Leider steht aber unsere
chemische Kenntniss des Plasson in umgekehrtem Verhält¬
niss zu seiner ausserordentlichen Bedeutung. Nicht, dass
es an zahlreichen und emsigen Versuchen gefehlt hätte,
die räthselhaft chemische Constitution der zahlreichen
Modificationen des Plasson, des Protoplasma und des Nu¬
cleus zu entschleiern. Aber die Schwierigkeiten, die sich

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[31/0037] sich aus diesem später Protoplasma und Nucleus sonderte, entstand die Zelle. Die Cytode ist die erste und niedere, die Zelle die zweite und höhere Form der Lebens-Einheit. Beide zusammen habe ich in der generellen Morphologie kurz als Bildnerinnen oder Plastiden bezeichnet; denn sie allein sind in Wahrheit die plastischen Künstlerinnen, welche durch ihre Thätigkeit das ganze wundervolle Ge¬ bäude des organischen Lebens errichten. Alle organischen Formen verdanken allein der bildenden Thätigkeit der mikroskopischen Plastiden ihre Existenz. So erweitert sich die Zellen-Theorie zur Plastiden-Theorie. (Ver¬ gleiche meine biologischen „Stadien über Moneren und andere Protisten“. 1870.) Wenn demnach jetzt der weitere Begriff der Plastide an die Stelle des engeren Zellenbegriffes tritt, und wenn somit das ganze geheimnissvolle Problem des „Lebens“ auf die elementare chemische Thätigkeit des Plasson zurückgeführt wird, so muss unsere nächste Aufgabe sein, eine möglichst erschöpfende Kenntniss von der Natur dieses wichtigsten „Lebensstoffes“, dieser wahren „physikalischen Lebens-Grundlage“ zu erlangen. Zunächst erscheint hier die Chemie berufen, uns Aufschlüsse über die quantitative Zusammensetzung und die qualitativen chemischen Eigen¬ schaften des Plasson zu geben. Leider steht aber unsere chemische Kenntniss des Plasson in umgekehrtem Verhält¬ niss zu seiner ausserordentlichen Bedeutung. Nicht, dass es an zahlreichen und emsigen Versuchen gefehlt hätte, die räthselhaft chemische Constitution der zahlreichen Modificationen des Plasson, des Protoplasma und des Nu¬ cleus zu entschleiern. Aber die Schwierigkeiten, die sich

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_plastidule_1876/37>, abgerufen am 19.04.2024.