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Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876.

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welche den Körper jedes höheren Thieres, jeder höheren
Pflanze zusammensetzen, entstehen nicht durch geschlecht¬
liche, sondern durch ungeschlechtliche Zeugung, durch
Theilung. Alle oder doch die Meisten von den zahlreichen
einzelligen Wesen, die auf der Grenze von Thierreich und
Pflanzenreich stehen, und die wir als Protisten zusammen¬
fassen, vermehren sich nicht durch geschlechtliche, sondern
durch ungeschlechtliche Zeugung. Aber auch viele höhere
Thiere und Pflanzen, die sich der geschlechtlichen Zeugung
erfreuen, vermehren sich daneben auf ungeschlechtlichem
Wege, durch Theilung, Knospenbildung, Sporenbildung.
Bedenken wir, wie überall und jederzeit Unmassen von
Plastiden zu Grunde gehen und von neuen, durch Theilung
und Knospung entstandenen ersetzt werden, so liegt es auf
der Hand, dass die ungeschlechtliche Fortpflanzung die
allgemeine Regel und die geschlechtliche eine verhältniss¬
mässig seltene Ausnahme bildet. Gewiss werden wir eher
zu Wenig als zu Viel behaupten, wenn wir annehmen,
dass durchschnittlich auf jeden einzelnen geschlechtlichen
Zeugungs-Act in der Natur mehr als Tausend, wahrschein¬
lich mehr als eine Million ungeschlechtliche Zeugungs-Acte
kommen.

Nun sind es aber gerade die einfachsten Formen der
ungeschlechtlichen oder monogonen Fortpflanzung, vor
allen die Theilung, demnächst die Knospenbildung, welche
uns die klarsten Aufschlüsse über das Wesen der Fort¬
pflanzung überhaupt geben und zum Verständniss der viel
schwierigeren und verwickelteren geschlechtlichen Fort¬
pflanzung hinführen. Von jenen einfachsten Formen der
Monogonie ausgehend, finden wir auf unsere Frage die

welche den Körper jedes höheren Thieres, jeder höheren
Pflanze zusammensetzen, entstehen nicht durch geschlecht¬
liche, sondern durch ungeschlechtliche Zeugung, durch
Theilung. Alle oder doch die Meisten von den zahlreichen
einzelligen Wesen, die auf der Grenze von Thierreich und
Pflanzenreich stehen, und die wir als Protisten zusammen¬
fassen, vermehren sich nicht durch geschlechtliche, sondern
durch ungeschlechtliche Zeugung. Aber auch viele höhere
Thiere und Pflanzen, die sich der geschlechtlichen Zeugung
erfreuen, vermehren sich daneben auf ungeschlechtlichem
Wege, durch Theilung, Knospenbildung, Sporenbildung.
Bedenken wir, wie überall und jederzeit Unmassen von
Plastiden zu Grunde gehen und von neuen, durch Theilung
und Knospung entstandenen ersetzt werden, so liegt es auf
der Hand, dass die ungeschlechtliche Fortpflanzung die
allgemeine Regel und die geschlechtliche eine verhältniss¬
mässig seltene Ausnahme bildet. Gewiss werden wir eher
zu Wenig als zu Viel behaupten, wenn wir annehmen,
dass durchschnittlich auf jeden einzelnen geschlechtlichen
Zeugungs-Act in der Natur mehr als Tausend, wahrschein¬
lich mehr als eine Million ungeschlechtliche Zeugungs-Acte
kommen.

Nun sind es aber gerade die einfachsten Formen der
ungeschlechtlichen oder monogonen Fortpflanzung, vor
allen die Theilung, demnächst die Knospenbildung, welche
uns die klarsten Aufschlüsse über das Wesen der Fort¬
pflanzung überhaupt geben und zum Verständniss der viel
schwierigeren und verwickelteren geschlechtlichen Fort¬
pflanzung hinführen. Von jenen einfachsten Formen der
Monogonie ausgehend, finden wir auf unsere Frage die

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[44/0050] welche den Körper jedes höheren Thieres, jeder höheren Pflanze zusammensetzen, entstehen nicht durch geschlecht¬ liche, sondern durch ungeschlechtliche Zeugung, durch Theilung. Alle oder doch die Meisten von den zahlreichen einzelligen Wesen, die auf der Grenze von Thierreich und Pflanzenreich stehen, und die wir als Protisten zusammen¬ fassen, vermehren sich nicht durch geschlechtliche, sondern durch ungeschlechtliche Zeugung. Aber auch viele höhere Thiere und Pflanzen, die sich der geschlechtlichen Zeugung erfreuen, vermehren sich daneben auf ungeschlechtlichem Wege, durch Theilung, Knospenbildung, Sporenbildung. Bedenken wir, wie überall und jederzeit Unmassen von Plastiden zu Grunde gehen und von neuen, durch Theilung und Knospung entstandenen ersetzt werden, so liegt es auf der Hand, dass die ungeschlechtliche Fortpflanzung die allgemeine Regel und die geschlechtliche eine verhältniss¬ mässig seltene Ausnahme bildet. Gewiss werden wir eher zu Wenig als zu Viel behaupten, wenn wir annehmen, dass durchschnittlich auf jeden einzelnen geschlechtlichen Zeugungs-Act in der Natur mehr als Tausend, wahrschein¬ lich mehr als eine Million ungeschlechtliche Zeugungs-Acte kommen. Nun sind es aber gerade die einfachsten Formen der ungeschlechtlichen oder monogonen Fortpflanzung, vor allen die Theilung, demnächst die Knospenbildung, welche uns die klarsten Aufschlüsse über das Wesen der Fort¬ pflanzung überhaupt geben und zum Verständniss der viel schwierigeren und verwickelteren geschlechtlichen Fort¬ pflanzung hinführen. Von jenen einfachsten Formen der Monogonie ausgehend, finden wir auf unsere Frage die

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_plastidule_1876/50>, abgerufen am 28.03.2024.