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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Durch das Substanz-Gesetz ist zunächst die fundamentale
Thatsache erwiesen, daß jede Naturkraft mittelbar oder unmittelbar
in jede andere umgewandelt werden kann. Mechanische und
chemische Energie, Schall und Wärme, Licht und Elektricität
können in einander übergeführt werden und erweisen sich nur
als verschiedene Erscheinungs-Formen einer und derselben Ur-
kraft, der Energie. Daraus ergiebt sich der bedeutungsvolle
Satz von der Einheit aller Naturkräfte oder, wie wir
auch sagen können, dem "Monismus der Energie". Im
gesammten Gebiete der Physik und Chemie ist dieser Fundamental-
Satz jetzt allgemein anerkannt, soweit er die anorganischen Natur-
körper betrifft.

Anders verhält sich scheinbar die organische Welt, das
bunte und formenreiche Gebiet des Lebens. Zwar liegt es auch
hier auf der Hand, daß ein großer Theil der Lebens-
erscheinungen unmittelbar auf mechanische und chemische Energie,
auf elektrische und Licht-Wirkungen zurückzuführen ist. Für einen
anderen Theil derselben aber wird das auch heute noch bestritten,
so vor Allem für das Welträthsel des Seelenlebens, ins-
besondere des Bewußtseins. Hier ist es nun das hohe Verdienst
der modernen Entwickelungslehre, die Brücke zwischen den
beiden, scheinbar getrennten Gebieten geschlagen zu haben. Wir
sind jetzt zu der klaren Ueberzeugung gelangt, daß auch alle Er-

Durch das Subſtanz-Geſetz iſt zunächſt die fundamentale
Thatſache erwieſen, daß jede Naturkraft mittelbar oder unmittelbar
in jede andere umgewandelt werden kann. Mechaniſche und
chemiſche Energie, Schall und Wärme, Licht und Elektricität
können in einander übergeführt werden und erweiſen ſich nur
als verſchiedene Erſcheinungs-Formen einer und derſelben Ur-
kraft, der Energie. Daraus ergiebt ſich der bedeutungsvolle
Satz von der Einheit aller Naturkräfte oder, wie wir
auch ſagen können, dem „Monismus der Energie“. Im
geſammten Gebiete der Phyſik und Chemie iſt dieſer Fundamental-
Satz jetzt allgemein anerkannt, ſoweit er die anorganiſchen Natur-
körper betrifft.

Anders verhält ſich ſcheinbar die organiſche Welt, das
bunte und formenreiche Gebiet des Lebens. Zwar liegt es auch
hier auf der Hand, daß ein großer Theil der Lebens-
erſcheinungen unmittelbar auf mechaniſche und chemiſche Energie,
auf elektriſche und Licht-Wirkungen zurückzuführen iſt. Für einen
anderen Theil derſelben aber wird das auch heute noch beſtritten,
ſo vor Allem für das Welträthſel des Seelenlebens, ins-
beſondere des Bewußtſeins. Hier iſt es nun das hohe Verdienſt
der modernen Entwickelungslehre, die Brücke zwiſchen den
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[[295]/0311] Durch das Subſtanz-Geſetz iſt zunächſt die fundamentale Thatſache erwieſen, daß jede Naturkraft mittelbar oder unmittelbar in jede andere umgewandelt werden kann. Mechaniſche und chemiſche Energie, Schall und Wärme, Licht und Elektricität können in einander übergeführt werden und erweiſen ſich nur als verſchiedene Erſcheinungs-Formen einer und derſelben Ur- kraft, der Energie. Daraus ergiebt ſich der bedeutungsvolle Satz von der Einheit aller Naturkräfte oder, wie wir auch ſagen können, dem „Monismus der Energie“. Im geſammten Gebiete der Phyſik und Chemie iſt dieſer Fundamental- Satz jetzt allgemein anerkannt, ſoweit er die anorganiſchen Natur- körper betrifft. Anders verhält ſich ſcheinbar die organiſche Welt, das bunte und formenreiche Gebiet des Lebens. Zwar liegt es auch hier auf der Hand, daß ein großer Theil der Lebens- erſcheinungen unmittelbar auf mechaniſche und chemiſche Energie, auf elektriſche und Licht-Wirkungen zurückzuführen iſt. Für einen anderen Theil derſelben aber wird das auch heute noch beſtritten, ſo vor Allem für das Welträthſel des Seelenlebens, ins- beſondere des Bewußtſeins. Hier iſt es nun das hohe Verdienſt der modernen Entwickelungslehre, die Brücke zwiſchen den beiden, ſcheinbar getrennten Gebieten geſchlagen zu haben. Wir ſind jetzt zu der klaren Ueberzeugung gelangt, daß auch alle Er-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. [295]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/311>, abgerufen am 28.03.2024.