Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Einheit der Naturkräfte.
die damit verknüpfte Cellular-Pathologie dem Arzte erst klar
und verständlich geworden.

Nicht minder gewaltig sind aber die Entdeckungen des
19. Jahrhunderts im Bereiche der anorganischen Natur. Die
Physik hat in allen Theilen ihres Gebiets, in der Optik und Akustik,
in der Lehre vom Magnetismus und der Elektricität, in der Me-
chanik und Wärmelehre die erstaunlichsten Fortschritte gemacht;
und, was wichtiger ist, sie hat die Einheit der Naturkräfte
im ganzen Universum nachgewiesen. Die mechanische Wärme-
Theorie hat gezeigt, wie eng dieselben zusammenhängen, und
wie jede unter bestimmten Bedingungen sich direkt in die andere
verwandeln kann. Die Spektral-Analyse hat uns gelehrt, daß
dieselben Stoffe, welche unseren Erdkörper und seine leben-
digen Bewohner zusammensetzen, auch die Masse der übrigen
Planeten, der Sonne und der entferntesten Fixsterne zusammen-
setzen. Die Astrophysik hat unsere Weltanschauung im groß-
artigsten Maaßstabe erweitert, indem sie uns im unendlichen
Weltraum Millionen von kreisenden Weltkörpern nachgewiesen
hat, größer als unsere Erde, und gleich dieser in beständiger
Umbildung begriffen, in einem ewigen Wechsel von "Werden
und Vergehen". Die Chemie hat uns mit einer Masse von
neuen, früher unbekannten Stoffen bekannt gemacht, die alle aus
Verbindungen von wenigen unzerlegbaren Elementen (ungefähr
siebzig) bestehen, und die zum Theil die größte praktische Be-
deutung in allen Lebensgebieten gewonnen haben. Sie hat
gezeigt, daß eines von diesen Elementen, der Kohlenstoff, der
wunderbare Körper ist, welcher die Bildung der unendlich mannich-
faltigen organischen Verbindungen bewirkt und somit die "che-
mische Basis des Lebens" darstellt. Alle einzelnen Fortschritte der
Physik und Chemie stehen aber an theoretischer Bedeutung der
Erkenntniß des gewaltigen Gesetzes nach, welches alle in einem
gemeinsamen Brennpunkt vereinigt, des Substanz-Gesetzes.

I. Einheit der Naturkräfte.
die damit verknüpfte Cellular-Pathologie dem Arzte erſt klar
und verſtändlich geworden.

Nicht minder gewaltig ſind aber die Entdeckungen des
19. Jahrhunderts im Bereiche der anorganiſchen Natur. Die
Phyſik hat in allen Theilen ihres Gebiets, in der Optik und Akuſtik,
in der Lehre vom Magnetismus und der Elektricität, in der Me-
chanik und Wärmelehre die erſtaunlichſten Fortſchritte gemacht;
und, was wichtiger iſt, ſie hat die Einheit der Naturkräfte
im ganzen Univerſum nachgewieſen. Die mechaniſche Wärme-
Theorie hat gezeigt, wie eng dieſelben zuſammenhängen, und
wie jede unter beſtimmten Bedingungen ſich direkt in die andere
verwandeln kann. Die Spektral-Analyſe hat uns gelehrt, daß
dieſelben Stoffe, welche unſeren Erdkörper und ſeine leben-
digen Bewohner zuſammenſetzen, auch die Maſſe der übrigen
Planeten, der Sonne und der entfernteſten Fixſterne zuſammen-
ſetzen. Die Aſtrophyſik hat unſere Weltanſchauung im groß-
artigſten Maaßſtabe erweitert, indem ſie uns im unendlichen
Weltraum Millionen von kreiſenden Weltkörpern nachgewieſen
hat, größer als unſere Erde, und gleich dieſer in beſtändiger
Umbildung begriffen, in einem ewigen Wechſel von „Werden
und Vergehen“. Die Chemie hat uns mit einer Maſſe von
neuen, früher unbekannten Stoffen bekannt gemacht, die alle aus
Verbindungen von wenigen unzerlegbaren Elementen (ungefähr
ſiebzig) beſtehen, und die zum Theil die größte praktiſche Be-
deutung in allen Lebensgebieten gewonnen haben. Sie hat
gezeigt, daß eines von dieſen Elementen, der Kohlenſtoff, der
wunderbare Körper iſt, welcher die Bildung der unendlich mannich-
faltigen organiſchen Verbindungen bewirkt und ſomit die „che-
miſche Baſis des Lebens“ darſtellt. Alle einzelnen Fortſchritte der
Phyſik und Chemie ſtehen aber an theoretiſcher Bedeutung der
Erkenntniß des gewaltigen Geſetzes nach, welches alle in einem
gemeinſamen Brennpunkt vereinigt, des Subſtanz-Geſetzes.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0021" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Einheit der Naturkräfte.</fw><lb/>
die damit verknüpfte Cellular-Pathologie dem Arzte er&#x017F;t klar<lb/>
und ver&#x017F;tändlich geworden.</p><lb/>
          <p>Nicht minder gewaltig &#x017F;ind aber die Entdeckungen des<lb/>
19. Jahrhunderts im Bereiche der anorgani&#x017F;chen Natur. Die<lb/>
Phy&#x017F;ik hat in allen Theilen ihres Gebiets, in der Optik und Aku&#x017F;tik,<lb/>
in der Lehre vom Magnetismus und der Elektricität, in der Me-<lb/>
chanik und Wärmelehre die er&#x017F;taunlich&#x017F;ten Fort&#x017F;chritte gemacht;<lb/>
und, was wichtiger i&#x017F;t, &#x017F;ie hat die <hi rendition="#g">Einheit der Naturkräfte</hi><lb/>
im ganzen Univer&#x017F;um nachgewie&#x017F;en. Die mechani&#x017F;che Wärme-<lb/>
Theorie hat gezeigt, wie eng die&#x017F;elben zu&#x017F;ammenhängen, und<lb/>
wie jede unter be&#x017F;timmten Bedingungen &#x017F;ich direkt in die andere<lb/>
verwandeln kann. Die Spektral-Analy&#x017F;e hat uns gelehrt, daß<lb/>
die&#x017F;elben Stoffe, welche un&#x017F;eren Erdkörper und &#x017F;eine leben-<lb/>
digen Bewohner zu&#x017F;ammen&#x017F;etzen, auch die Ma&#x017F;&#x017F;e der übrigen<lb/>
Planeten, der Sonne und der entfernte&#x017F;ten Fix&#x017F;terne zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;etzen. Die A&#x017F;trophy&#x017F;ik hat un&#x017F;ere Weltan&#x017F;chauung im groß-<lb/>
artig&#x017F;ten Maaß&#x017F;tabe erweitert, indem &#x017F;ie uns im unendlichen<lb/>
Weltraum Millionen von krei&#x017F;enden Weltkörpern nachgewie&#x017F;en<lb/>
hat, größer als un&#x017F;ere Erde, und gleich die&#x017F;er in be&#x017F;tändiger<lb/>
Umbildung begriffen, in einem ewigen Wech&#x017F;el von &#x201E;Werden<lb/>
und Vergehen&#x201C;. Die Chemie hat uns mit einer Ma&#x017F;&#x017F;e von<lb/>
neuen, früher unbekannten Stoffen bekannt gemacht, die alle aus<lb/>
Verbindungen von wenigen unzerlegbaren Elementen (ungefähr<lb/>
&#x017F;iebzig) be&#x017F;tehen, und die zum Theil die größte prakti&#x017F;che Be-<lb/>
deutung in allen Lebensgebieten gewonnen haben. Sie hat<lb/>
gezeigt, daß eines von die&#x017F;en Elementen, der Kohlen&#x017F;toff, der<lb/>
wunderbare Körper i&#x017F;t, welcher die Bildung der unendlich mannich-<lb/>
faltigen organi&#x017F;chen Verbindungen bewirkt und &#x017F;omit die &#x201E;che-<lb/>
mi&#x017F;che Ba&#x017F;is des Lebens&#x201C; dar&#x017F;tellt. Alle einzelnen Fort&#x017F;chritte der<lb/>
Phy&#x017F;ik und Chemie &#x017F;tehen aber an theoreti&#x017F;cher Bedeutung der<lb/>
Erkenntniß des gewaltigen Ge&#x017F;etzes nach, welches alle in einem<lb/>
gemein&#x017F;amen Brennpunkt vereinigt, des <hi rendition="#g">Sub&#x017F;tanz-Ge&#x017F;etzes</hi>.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0021] I. Einheit der Naturkräfte. die damit verknüpfte Cellular-Pathologie dem Arzte erſt klar und verſtändlich geworden. Nicht minder gewaltig ſind aber die Entdeckungen des 19. Jahrhunderts im Bereiche der anorganiſchen Natur. Die Phyſik hat in allen Theilen ihres Gebiets, in der Optik und Akuſtik, in der Lehre vom Magnetismus und der Elektricität, in der Me- chanik und Wärmelehre die erſtaunlichſten Fortſchritte gemacht; und, was wichtiger iſt, ſie hat die Einheit der Naturkräfte im ganzen Univerſum nachgewieſen. Die mechaniſche Wärme- Theorie hat gezeigt, wie eng dieſelben zuſammenhängen, und wie jede unter beſtimmten Bedingungen ſich direkt in die andere verwandeln kann. Die Spektral-Analyſe hat uns gelehrt, daß dieſelben Stoffe, welche unſeren Erdkörper und ſeine leben- digen Bewohner zuſammenſetzen, auch die Maſſe der übrigen Planeten, der Sonne und der entfernteſten Fixſterne zuſammen- ſetzen. Die Aſtrophyſik hat unſere Weltanſchauung im groß- artigſten Maaßſtabe erweitert, indem ſie uns im unendlichen Weltraum Millionen von kreiſenden Weltkörpern nachgewieſen hat, größer als unſere Erde, und gleich dieſer in beſtändiger Umbildung begriffen, in einem ewigen Wechſel von „Werden und Vergehen“. Die Chemie hat uns mit einer Maſſe von neuen, früher unbekannten Stoffen bekannt gemacht, die alle aus Verbindungen von wenigen unzerlegbaren Elementen (ungefähr ſiebzig) beſtehen, und die zum Theil die größte praktiſche Be- deutung in allen Lebensgebieten gewonnen haben. Sie hat gezeigt, daß eines von dieſen Elementen, der Kohlenſtoff, der wunderbare Körper iſt, welcher die Bildung der unendlich mannich- faltigen organiſchen Verbindungen bewirkt und ſomit die „che- miſche Baſis des Lebens“ darſtellt. Alle einzelnen Fortſchritte der Phyſik und Chemie ſtehen aber an theoretiſcher Bedeutung der Erkenntniß des gewaltigen Geſetzes nach, welches alle in einem gemeinſamen Brennpunkt vereinigt, des Subſtanz-Geſetzes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/21
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/21>, abgerufen am 29.03.2024.