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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XV. Dreigötterei (Triplotheismus)
der katholische Polytheismus, in dem zahlreiche "Heilige"
(oft von sehr zweifelhaftem Rufe!) als untergeordnete Gottheiten
angebetet und um gütige Vermittelung beim obersten Gott (oder
bei dessen Freundin, der "Jungfrau Maria") ersucht werden.

Triplotheismus (Dreigötterei, Trinitäts-Lehre). Die Lehre
von der "Dreieinigkeit Gottes", welche heute noch im
Glaubensbekenntniß der christlichen Kultur-Völker die grund-
legenden "drei Glaubens-Artikel" bildet, gipfelt bekanntlich in
der Vorstellung, daß der Eine Gott des Christenthums eigent-
lich in Wahrheit aus drei Personen von verschiedenem Wesen
sich zusammensetzt: I. Gott der Vater ist der "allmächtige
Schöpfer Himmels und der Erde" (dieser unhaltbare Mythus
ist durch die wissenschaftliche Kosmogenie, Astronomie und Geo-
logie längst widerlegt). II. Jesus Christus ist der "ein-
geborene Sohn Gottes des Vaters" (und zugleich der dritten
Person, des "Heiligen Geistes"!!), erzeugt durch unbefleckte Em-
pfängniß der Jungfrau Maria (über diesen Mythus vergl.
Kapitel 17). III. Der Heilige Geist, ein mystisches Wesen,
über dessen unbegreifliches Verhältniß zum "Sohne" und zum
"Vater" sich Millionen von christlichen Theologen seit 1900 Jahren
den Kopf ganz umsonst zerbrochen haben. Die Evangelien, die
doch die einzigen lauteren Quellen dieses christlichen Triplo-
theismus
sind, lassen uns über die eigentlichen Beziehungen
dieser drei Personen zu einander völlig im Dunkeln und geben
auf die Frage nach ihrer räthselhaften Einheit keine irgend be-
friedigende Antwort. Dagegen müssen wir besonders darauf
hinweisen, welche Verwirrung diese unklare und mystische
Trinitäts-Lehre in den Köpfen unserer Kinder schon beim ersten
Schulunterricht nothwendig anrichten muß. Montag Morgens
in der ersten Unterrichtsstunde (Religion) lernen sie: Dreimal
Eins ist Eins! -- und gleich darauf in der zweiten Stunde
(Rechnen): Dreimal Eins ist Drei! Ich erinnere mich selbst

Haeckel, Welträthsel. 21

XV. Dreigötterei (Triplotheismus)
der katholiſche Polytheismus, in dem zahlreiche „Heilige“
(oft von ſehr zweifelhaftem Rufe!) als untergeordnete Gottheiten
angebetet und um gütige Vermittelung beim oberſten Gott (oder
bei deſſen Freundin, der „Jungfrau Maria“) erſucht werden.

Triplotheismus (Dreigötterei, Trinitäts-Lehre). Die Lehre
von der „Dreieinigkeit Gottes“, welche heute noch im
Glaubensbekenntniß der chriſtlichen Kultur-Völker die grund-
legenden „drei Glaubens-Artikel“ bildet, gipfelt bekanntlich in
der Vorſtellung, daß der Eine Gott des Chriſtenthums eigent-
lich in Wahrheit aus drei Perſonen von verſchiedenem Weſen
ſich zuſammenſetzt: I. Gott der Vater iſt der „allmächtige
Schöpfer Himmels und der Erde“ (dieſer unhaltbare Mythus
iſt durch die wiſſenſchaftliche Kosmogenie, Aſtronomie und Geo-
logie längſt widerlegt). II. Jeſus Chriſtus iſt der „ein-
geborene Sohn Gottes des Vaters“ (und zugleich der dritten
Perſon, des „Heiligen Geiſtes“!!), erzeugt durch unbefleckte Em-
pfängniß der Jungfrau Maria (über dieſen Mythus vergl.
Kapitel 17). III. Der Heilige Geiſt, ein myſtiſches Weſen,
über deſſen unbegreifliches Verhältniß zum „Sohne“ und zum
„Vater“ ſich Millionen von chriſtlichen Theologen ſeit 1900 Jahren
den Kopf ganz umſonſt zerbrochen haben. Die Evangelien, die
doch die einzigen lauteren Quellen dieſes chriſtlichen Triplo-
theismus
ſind, laſſen uns über die eigentlichen Beziehungen
dieſer drei Perſonen zu einander völlig im Dunkeln und geben
auf die Frage nach ihrer räthſelhaften Einheit keine irgend be-
friedigende Antwort. Dagegen müſſen wir beſonders darauf
hinweiſen, welche Verwirrung dieſe unklare und myſtiſche
Trinitäts-Lehre in den Köpfen unſerer Kinder ſchon beim erſten
Schulunterricht nothwendig anrichten muß. Montag Morgens
in der erſten Unterrichtsſtunde (Religion) lernen ſie: Dreimal
Eins iſt Eins! — und gleich darauf in der zweiten Stunde
(Rechnen): Dreimal Eins iſt Drei! Ich erinnere mich ſelbſt

Haeckel, Welträthſel. 21
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[321/0337] XV. Dreigötterei (Triplotheismus) der katholiſche Polytheismus, in dem zahlreiche „Heilige“ (oft von ſehr zweifelhaftem Rufe!) als untergeordnete Gottheiten angebetet und um gütige Vermittelung beim oberſten Gott (oder bei deſſen Freundin, der „Jungfrau Maria“) erſucht werden. Triplotheismus (Dreigötterei, Trinitäts-Lehre). Die Lehre von der „Dreieinigkeit Gottes“, welche heute noch im Glaubensbekenntniß der chriſtlichen Kultur-Völker die grund- legenden „drei Glaubens-Artikel“ bildet, gipfelt bekanntlich in der Vorſtellung, daß der Eine Gott des Chriſtenthums eigent- lich in Wahrheit aus drei Perſonen von verſchiedenem Weſen ſich zuſammenſetzt: I. Gott der Vater iſt der „allmächtige Schöpfer Himmels und der Erde“ (dieſer unhaltbare Mythus iſt durch die wiſſenſchaftliche Kosmogenie, Aſtronomie und Geo- logie längſt widerlegt). II. Jeſus Chriſtus iſt der „ein- geborene Sohn Gottes des Vaters“ (und zugleich der dritten Perſon, des „Heiligen Geiſtes“!!), erzeugt durch unbefleckte Em- pfängniß der Jungfrau Maria (über dieſen Mythus vergl. Kapitel 17). III. Der Heilige Geiſt, ein myſtiſches Weſen, über deſſen unbegreifliches Verhältniß zum „Sohne“ und zum „Vater“ ſich Millionen von chriſtlichen Theologen ſeit 1900 Jahren den Kopf ganz umſonſt zerbrochen haben. Die Evangelien, die doch die einzigen lauteren Quellen dieſes chriſtlichen Triplo- theismus ſind, laſſen uns über die eigentlichen Beziehungen dieſer drei Perſonen zu einander völlig im Dunkeln und geben auf die Frage nach ihrer räthſelhaften Einheit keine irgend be- friedigende Antwort. Dagegen müſſen wir beſonders darauf hinweiſen, welche Verwirrung dieſe unklare und myſtiſche Trinitäts-Lehre in den Köpfen unſerer Kinder ſchon beim erſten Schulunterricht nothwendig anrichten muß. Montag Morgens in der erſten Unterrichtsſtunde (Religion) lernen ſie: Dreimal Eins iſt Eins! — und gleich darauf in der zweiten Stunde (Rechnen): Dreimal Eins iſt Drei! Ich erinnere mich ſelbſt Haeckel, Welträthſel. 21

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/337>, abgerufen am 20.04.2024.