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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Anmerkungen und Erläuterungen.
die absolute Länge der phylogenetischen Zeiträume annähernd sicher zu
bestimmen, so besitzen wir dagegen andererseits sehr wohl die Mittel, die
relative Länge derselben ungefähr abzuschätzen. Nehmen wir hundert
Millionen Jahre als Minimal-Zahlen, so würden sich dieselben auf die fünf
Hauptperioden der organischen Erdgeschichte etwa folgendermaßen vertheilen:
I. Archozoische Periode (Primordial-Zeit), vom
Beginn des organischen Lebens bis zum Ende der
kambrischen Schichtenbildung; Zeitalter der Schädel-
losen     52 Millionen,
II. Paläozoische Periode (Primär-Zeit), vom Beginn
der silurischen bis zum Ende der permischen Schichten-
bildung; Zeitalter der Fische     34 Millionen,
III. Mesozoische Periode (Sekundär-Zeit), vom Be-
ginn der Trias-Periode bis zum Ende der Kreide-
Periode; Zeitalter der Reptilien     11 Millionen,
IV. Cänozoische Periode (Tertiär-Zeit), vom Beginn
der eocänen bis zum Ende der pliocänen Periode;
Zeitalter der Säugethiere     3 Millionen,
V. Anthropozoische Periode (Quartär-Zeit), vom
Beginn der Diluvial-Zeit (in welchen wahrscheinlich
die Entwickelung der menschlichen Sprache fällt) bis
zur Gegenwart; Zeitalter des Menschen, mindestens
100000 Jahre =     0,1 Million.
Um die ungeheure Länge dieser phylogenetischen Zeiträume dem
menschlichen Auffassungs-Vermögen näher zu bringen und namentlich die
relative Kürze der sogenannten "Weltgeschichte" (d. h. der Geschichte der
Kulturvölker!) zum Bewußtsein zu bringen, hat kürzlich einer meiner
Schüler, Heinrich Schmidt (Jena), die angenommene Minimal-Zahl von
hundert Jahr-Millionen durch chronometrische Reduktion auf einen
Tag
projicirt. Durch diese "verjüngende Projektion" vertheilen sich die
24 Stunden des "Schöpfungs-Tages" folgendermaßen auf die fünf an-
geführten phylogenetischen Perioden:
I. Archozoische Periode (52 Jahrmillionen) = 12 St. 30 Min.
(= von Mitternacht bis 1/21 Uhr Mittags).
II. Paläozoische Periode (34 Jahrmillionen) = 8 St. 5 Min.
(= von 1/21 Uhr Mittags bis 1/29 Uhr Abends).
III. Mesozoische Periode (11 Jahr-Millionen) = 2 St. 38 Min.
(= von 1/29 Uhr bis 1/412 Uhr Abends).
IV. Cänozoische Periode (3 Jahrmillionen) = 43 Min.
(= von 1/412 Uhr Abends bis 2 Min. vor
Mitternacht).
V. Anthropozoische Periode (0,1-0,2 Jahr-
millionen)     = 2 Min.
VI. Kultur-Periode, sogen. "Weltgeschichte"
(6000 Jahre)     = 5 Sek.
Anmerkungen und Erläuterungen.
die abſolute Länge der phylogenetiſchen Zeiträume annähernd ſicher zu
beſtimmen, ſo beſitzen wir dagegen andererſeits ſehr wohl die Mittel, die
relative Länge derſelben ungefähr abzuſchätzen. Nehmen wir hundert
Millionen Jahre als Minimal-Zahlen, ſo würden ſich dieſelben auf die fünf
Hauptperioden der organiſchen Erdgeſchichte etwa folgendermaßen vertheilen:
I. Archozoiſche Periode (Primordial-Zeit), vom
Beginn des organiſchen Lebens bis zum Ende der
kambriſchen Schichtenbildung; Zeitalter der Schädel-
loſen     52 Millionen,
II. Paläozoiſche Periode (Primär-Zeit), vom Beginn
der ſiluriſchen bis zum Ende der permiſchen Schichten-
bildung; Zeitalter der Fiſche     34 Millionen,
III. Meſozoiſche Periode (Sekundär-Zeit), vom Be-
ginn der Trias-Periode bis zum Ende der Kreide-
Periode; Zeitalter der Reptilien     11 Millionen,
IV. Cänozoiſche Periode (Tertiär-Zeit), vom Beginn
der eocänen bis zum Ende der pliocänen Periode;
Zeitalter der Säugethiere     3 Millionen,
V. Anthropozoiſche Periode (Quartär-Zeit), vom
Beginn der Diluvial-Zeit (in welchen wahrſcheinlich
die Entwickelung der menſchlichen Sprache fällt) bis
zur Gegenwart; Zeitalter des Menſchen, mindeſtens
100000 Jahre =     0,1 Million.
Um die ungeheure Länge dieſer phylogenetiſchen Zeiträume dem
menſchlichen Auffaſſungs-Vermögen näher zu bringen und namentlich die
relative Kürze der ſogenannten „Weltgeſchichte“ (d. h. der Geſchichte der
Kulturvölker!) zum Bewußtſein zu bringen, hat kürzlich einer meiner
Schüler, Heinrich Schmidt (Jena), die angenommene Minimal-Zahl von
hundert Jahr-Millionen durch chronometriſche Reduktion auf einen
Tag
projicirt. Durch dieſe „verjüngende Projektion“ vertheilen ſich die
24 Stunden des „Schöpfungs-Tages“ folgendermaßen auf die fünf an-
geführten phylogenetiſchen Perioden:
I. Archozoiſche Periode (52 Jahrmillionen) = 12 St. 30 Min.
(= von Mitternacht bis ½1 Uhr Mittags).
II. Paläozoiſche Periode (34 Jahrmillionen) = 8 St. 5 Min.
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III. Meſozoiſche Periode (11 Jahr-Millionen) = 2 St. 38 Min.
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IV. Cänozoiſche Periode (3 Jahrmillionen) = 43 Min.
(= von ¼12 Uhr Abends bis 2 Min. vor
Mitternacht).
V. Anthropozoiſche Periode (0,1-0,2 Jahr-
millionen)     = 2 Min.
VI. Kultur-Periode, ſogen. „Weltgeſchichte“
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[442/0458] Anmerkungen und Erläuterungen. ¹⁾ die abſolute Länge der phylogenetiſchen Zeiträume annähernd ſicher zu beſtimmen, ſo beſitzen wir dagegen andererſeits ſehr wohl die Mittel, die relative Länge derſelben ungefähr abzuſchätzen. Nehmen wir hundert Millionen Jahre als Minimal-Zahlen, ſo würden ſich dieſelben auf die fünf Hauptperioden der organiſchen Erdgeſchichte etwa folgendermaßen vertheilen: I. Archozoiſche Periode (Primordial-Zeit), vom Beginn des organiſchen Lebens bis zum Ende der kambriſchen Schichtenbildung; Zeitalter der Schädel- loſen 52 Millionen, II. Paläozoiſche Periode (Primär-Zeit), vom Beginn der ſiluriſchen bis zum Ende der permiſchen Schichten- bildung; Zeitalter der Fiſche 34 Millionen, III. Meſozoiſche Periode (Sekundär-Zeit), vom Be- ginn der Trias-Periode bis zum Ende der Kreide- Periode; Zeitalter der Reptilien 11 Millionen, IV. Cänozoiſche Periode (Tertiär-Zeit), vom Beginn der eocänen bis zum Ende der pliocänen Periode; Zeitalter der Säugethiere 3 Millionen, V. Anthropozoiſche Periode (Quartär-Zeit), vom Beginn der Diluvial-Zeit (in welchen wahrſcheinlich die Entwickelung der menſchlichen Sprache fällt) bis zur Gegenwart; Zeitalter des Menſchen, mindeſtens 100000 Jahre = 0,1 Million. Um die ungeheure Länge dieſer phylogenetiſchen Zeiträume dem menſchlichen Auffaſſungs-Vermögen näher zu bringen und namentlich die relative Kürze der ſogenannten „Weltgeſchichte“ (d. h. der Geſchichte der Kulturvölker!) zum Bewußtſein zu bringen, hat kürzlich einer meiner Schüler, Heinrich Schmidt (Jena), die angenommene Minimal-Zahl von hundert Jahr-Millionen durch chronometriſche Reduktion auf einen Tag projicirt. Durch dieſe „verjüngende Projektion“ vertheilen ſich die 24 Stunden des „Schöpfungs-Tages“ folgendermaßen auf die fünf an- geführten phylogenetiſchen Perioden: I. Archozoiſche Periode (52 Jahrmillionen) = 12 St. 30 Min. (= von Mitternacht bis ½1 Uhr Mittags). II. Paläozoiſche Periode (34 Jahrmillionen) = 8 St. 5 Min. (= von ½1 Uhr Mittags bis ½9 Uhr Abends). III. Meſozoiſche Periode (11 Jahr-Millionen) = 2 St. 38 Min. (= von ½9 Uhr bis ¼12 Uhr Abends). IV. Cänozoiſche Periode (3 Jahrmillionen) = 43 Min. (= von ¼12 Uhr Abends bis 2 Min. vor Mitternacht). V. Anthropozoiſche Periode (0,1-0,2 Jahr- millionen) = 2 Min. VI. Kultur-Periode, ſogen. „Weltgeſchichte“ (6000 Jahre) = 5 Sek.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/458>, abgerufen am 29.03.2024.