Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Buch. Das Herz.
§. 10.
Das Schlagen des rechten Herzohres.

Es folget nunmehr das rechte Herzohr, welches das
aus der Holader herausgetriebene Blut aufnimmt. So
bald dieses Blut bis zum obersten Anhang fortgetrieben
worden (p), so schwillt das ganze Ohr auf, richtet sich
in die Höhe, breitet seine Kämme auseinander, wird
steif, und es scheinet ein violettes Blut durch die Wän-
de desselben durch. Daß aber die Vorstellungen, so sich
einige gemacht haben, als ob es die Gestalt eines ungleich-
seitigen Vierekkes (Trapezium) (q) hätte, ganz unrichtig
sind, wird derjenige leicht einsehen, der nur in etwas
überlegt, daß eine jegliche Gestalt des Herzohres, es sey
auch was für eine es wolle, dem aus denen Blutadern
hervorkommenden Blute leichtlich nachgeben werde, so
bald nur dasselbe einen weitern und grössern Umfang hat,
als die Blutader. Und so hat die Natur bei denen Thie-
ren die Herzohren nach verschiedener Gestalt gebildet, sie
sind aber allezeit weiter, als die Holader.

Es ziehet sich demnach dieses Ohr, da es höchst reiz-
bar ist, sogleich, wenn es das Blut aufgenommen hat, zu-
sammen (r), es wird blaß (s), und treibet das empfan-
gene Blut mit einer sonderbaren Hurtigkeit wieder her-
aus. Es sind aber zween Wege vorhanden, auf denen
dieses fortgepressete Blut ausweichen kann. Der erste
eröfnet sich in beide Holadern. Man trift nämlich in
keinem mir bekannten Thiere einige Klappe zwischen dem
Herzohre und der Holader, ausser der bekannten unvoll-
kommenen Eustachischen Klappe, an. Und daher
pflegt das Blut in allen Thieren, die ich jemals geöfnet

habe
(p) [Spaltenumbruch] Exp. 492. u. f.
(q) Hamberger de dilatat. cord.
n. XXII.
(r) [Spaltenumbruch] Siehe den vorhergehenden
6ten §.
(s) Harvey S. 40. 58. Lanci-
sius
S. 68.
Viertes Buch. Das Herz.
§. 10.
Das Schlagen des rechten Herzohres.

Es folget nunmehr das rechte Herzohr, welches das
aus der Holader herausgetriebene Blut aufnimmt. So
bald dieſes Blut bis zum oberſten Anhang fortgetrieben
worden (p), ſo ſchwillt das ganze Ohr auf, richtet ſich
in die Hoͤhe, breitet ſeine Kaͤmme auseinander, wird
ſteif, und es ſcheinet ein violettes Blut durch die Waͤn-
de deſſelben durch. Daß aber die Vorſtellungen, ſo ſich
einige gemacht haben, als ob es die Geſtalt eines ungleich-
ſeitigen Vierekkes (Trapezium) (q) haͤtte, ganz unrichtig
ſind, wird derjenige leicht einſehen, der nur in etwas
uͤberlegt, daß eine jegliche Geſtalt des Herzohres, es ſey
auch was fuͤr eine es wolle, dem aus denen Blutadern
hervorkommenden Blute leichtlich nachgeben werde, ſo
bald nur daſſelbe einen weitern und groͤſſern Umfang hat,
als die Blutader. Und ſo hat die Natur bei denen Thie-
ren die Herzohren nach verſchiedener Geſtalt gebildet, ſie
ſind aber allezeit weiter, als die Holader.

Es ziehet ſich demnach dieſes Ohr, da es hoͤchſt reiz-
bar iſt, ſogleich, wenn es das Blut aufgenommen hat, zu-
ſammen (r), es wird blaß (s), und treibet das empfan-
gene Blut mit einer ſonderbaren Hurtigkeit wieder her-
aus. Es ſind aber zween Wege vorhanden, auf denen
dieſes fortgepreſſete Blut ausweichen kann. Der erſte
eroͤfnet ſich in beide Holadern. Man trift naͤmlich in
keinem mir bekannten Thiere einige Klappe zwiſchen dem
Herzohre und der Holader, auſſer der bekannten unvoll-
kommenen Euſtachiſchen Klappe, an. Und daher
pflegt das Blut in allen Thieren, die ich jemals geoͤfnet

habe
(p) [Spaltenumbruch] Exp. 492. u. f.
(q) Hamberger de dilatat. cord.
n. XXII.
(r) [Spaltenumbruch] Siehe den vorhergehenden
6ten §.
(s) Harvey S. 40. 58. Lanci-
ſius
S. 68.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0818" n="762"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 10.<lb/>
Das Schlagen des rechten Herzohres.</head><lb/>
            <p>Es folget nunmehr das rechte Herzohr, welches das<lb/>
aus der Holader herausgetriebene Blut aufnimmt. So<lb/>
bald die&#x017F;es Blut bis zum ober&#x017F;ten Anhang fortgetrieben<lb/>
worden <note place="foot" n="(p)"><cb/><hi rendition="#aq">Exp.</hi> 492. u. f.</note>, &#x017F;o &#x017F;chwillt das ganze Ohr auf, richtet &#x017F;ich<lb/>
in die Ho&#x0364;he, breitet &#x017F;eine Ka&#x0364;mme auseinander, wird<lb/>
&#x017F;teif, und es &#x017F;cheinet ein violettes Blut durch die Wa&#x0364;n-<lb/>
de de&#x017F;&#x017F;elben durch. Daß aber die Vor&#x017F;tellungen, &#x017F;o &#x017F;ich<lb/>
einige gemacht haben, als ob es die Ge&#x017F;talt eines ungleich-<lb/>
&#x017F;eitigen Vierekkes (<hi rendition="#aq">Trapezium</hi>) <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#fr">Hamberger</hi><hi rendition="#aq">de dilatat. cord.<lb/>
n. XXII.</hi></note> ha&#x0364;tte, ganz unrichtig<lb/>
&#x017F;ind, wird derjenige leicht ein&#x017F;ehen, der nur in etwas<lb/>
u&#x0364;berlegt, daß eine jegliche Ge&#x017F;talt des Herzohres, es &#x017F;ey<lb/>
auch was fu&#x0364;r eine es wolle, dem aus denen Blutadern<lb/>
hervorkommenden Blute leichtlich nachgeben werde, &#x017F;o<lb/>
bald nur da&#x017F;&#x017F;elbe einen weitern und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Umfang hat,<lb/>
als die Blutader. Und &#x017F;o hat die Natur bei denen Thie-<lb/>
ren die Herzohren nach ver&#x017F;chiedener Ge&#x017F;talt gebildet, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind aber allezeit weiter, als die Holader.</p><lb/>
            <p>Es ziehet &#x017F;ich demnach die&#x017F;es Ohr, da es ho&#x0364;ch&#x017F;t reiz-<lb/>
bar i&#x017F;t, &#x017F;ogleich, wenn es das Blut aufgenommen hat, zu-<lb/>
&#x017F;ammen <note place="foot" n="(r)"><cb/>
Siehe den vorhergehenden<lb/>
6ten §.</note>, es wird blaß <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#fr">Harvey</hi> S. 40. 58. <hi rendition="#fr">Lanci-<lb/>
&#x017F;ius</hi> S. 68.</note>, und treibet das empfan-<lb/>
gene Blut mit einer &#x017F;onderbaren Hurtigkeit wieder her-<lb/>
aus. Es &#x017F;ind aber zween Wege vorhanden, auf denen<lb/>
die&#x017F;es fortgepre&#x017F;&#x017F;ete Blut ausweichen kann. Der er&#x017F;te<lb/>
ero&#x0364;fnet &#x017F;ich in beide Holadern. Man trift na&#x0364;mlich in<lb/>
keinem mir bekannten Thiere einige Klappe zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Herzohre und der Holader, au&#x017F;&#x017F;er der bekannten unvoll-<lb/>
kommenen <hi rendition="#fr">Eu&#x017F;tachi&#x017F;chen Klappe,</hi> an. Und daher<lb/>
pflegt das Blut in allen Thieren, die ich jemals geo&#x0364;fnet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">habe</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[762/0818] Viertes Buch. Das Herz. §. 10. Das Schlagen des rechten Herzohres. Es folget nunmehr das rechte Herzohr, welches das aus der Holader herausgetriebene Blut aufnimmt. So bald dieſes Blut bis zum oberſten Anhang fortgetrieben worden (p), ſo ſchwillt das ganze Ohr auf, richtet ſich in die Hoͤhe, breitet ſeine Kaͤmme auseinander, wird ſteif, und es ſcheinet ein violettes Blut durch die Waͤn- de deſſelben durch. Daß aber die Vorſtellungen, ſo ſich einige gemacht haben, als ob es die Geſtalt eines ungleich- ſeitigen Vierekkes (Trapezium) (q) haͤtte, ganz unrichtig ſind, wird derjenige leicht einſehen, der nur in etwas uͤberlegt, daß eine jegliche Geſtalt des Herzohres, es ſey auch was fuͤr eine es wolle, dem aus denen Blutadern hervorkommenden Blute leichtlich nachgeben werde, ſo bald nur daſſelbe einen weitern und groͤſſern Umfang hat, als die Blutader. Und ſo hat die Natur bei denen Thie- ren die Herzohren nach verſchiedener Geſtalt gebildet, ſie ſind aber allezeit weiter, als die Holader. Es ziehet ſich demnach dieſes Ohr, da es hoͤchſt reiz- bar iſt, ſogleich, wenn es das Blut aufgenommen hat, zu- ſammen (r), es wird blaß (s), und treibet das empfan- gene Blut mit einer ſonderbaren Hurtigkeit wieder her- aus. Es ſind aber zween Wege vorhanden, auf denen dieſes fortgepreſſete Blut ausweichen kann. Der erſte eroͤfnet ſich in beide Holadern. Man trift naͤmlich in keinem mir bekannten Thiere einige Klappe zwiſchen dem Herzohre und der Holader, auſſer der bekannten unvoll- kommenen Euſtachiſchen Klappe, an. Und daher pflegt das Blut in allen Thieren, die ich jemals geoͤfnet habe (p) Exp. 492. u. f. (q) Hamberger de dilatat. cord. n. XXII. (r) Siehe den vorhergehenden 6ten §. (s) Harvey S. 40. 58. Lanci- ſius S. 68.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/818
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/818>, abgerufen am 25.04.2024.