Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Rothe darinnen.
dessen kann man, aus dem, was ich hier wiederholet
habe, beiläufig lernen, wie wenig Nuzzen man von die-
sen Versuchen in der Erkenntnis der Arzeneikräften zie-
hen könne; denn es verändert der Arsenik, dieses schärfste
Gift, das Blut beinahe auf eben die Art, wie solches
der guttätige Salpeter thut. Eßig hingegen teilet unter
allen Officinmitteln dem Blute die traurigste Farbe mit,
ob er gleich darum nicht weniger unschädlich ist. Saure
und laugenhafte Säfte haben dieses unter sich gemein,
daß sie das Geblüte zu gerinnen veranlassen.

§. 28.
Aus allen diesen Versuchen wird die Natur des
Blutes noch lange nicht deutlich
gemacht.

Diese Versuche erweisen noch nicht, daß einiges ware
Salz im Blute befindlich sei. Seine saure Art wird
durch keinerlei Aufbrausen mit Laugensalzen, durch keinen
Geruch, oder Geschmak, so wenig als durch ein ander
Merkmal einer reinen Säure erweislich. Und so stekket
auch keine ungemischte laugenhafte Eigenschaft in diesem
Lebenssafte. Das Blut brauset mit keinerlei Säure
auf, das einzige Vitriolöl ausgenommen: es besizzet
keinen alkalischen Geschmak; es bringt keine solche Far-
ben, wie diese Art von Salzen zu thun pflegt, zum Vor-
schein; es stürzet auch nicht dasjenige nieder, welches
saure Säfte aufgelöset haben. Das aber, was wir jezzo
sagen werden, lehren die Versuche in der That, daß die
Natur nämlich des Blutes die Beschaffenheit habe, daß
sie unter dem Beistande der Luftwärme, oder wenn die
Bewegung der Muskeln vermert, oder endlich einiges
feuerfeste Salz hinzugefügt worden, in Fäulnis gerät.
Aber darum mus das Blut nicht eben für alkalisch erklärt
werden. Denn man weis von keinem einzigen zuver-
läßigen Versuche, daß in lebenden Menschenkörpern

Säfte
J 2

Das Rothe darinnen.
deſſen kann man, aus dem, was ich hier wiederholet
habe, beilaͤufig lernen, wie wenig Nuzzen man von die-
ſen Verſuchen in der Erkenntnis der Arzeneikraͤften zie-
hen koͤnne; denn es veraͤndert der Arſenik, dieſes ſchaͤrfſte
Gift, das Blut beinahe auf eben die Art, wie ſolches
der guttaͤtige Salpeter thut. Eßig hingegen teilet unter
allen Officinmitteln dem Blute die traurigſte Farbe mit,
ob er gleich darum nicht weniger unſchaͤdlich iſt. Saure
und laugenhafte Saͤfte haben dieſes unter ſich gemein,
daß ſie das Gebluͤte zu gerinnen veranlaſſen.

§. 28.
Aus allen dieſen Verſuchen wird die Natur des
Blutes noch lange nicht deutlich
gemacht.

Dieſe Verſuche erweiſen noch nicht, daß einiges ware
Salz im Blute befindlich ſei. Seine ſaure Art wird
durch keinerlei Aufbrauſen mit Laugenſalzen, durch keinen
Geruch, oder Geſchmak, ſo wenig als durch ein ander
Merkmal einer reinen Saͤure erweislich. Und ſo ſtekket
auch keine ungemiſchte laugenhafte Eigenſchaft in dieſem
Lebensſafte. Das Blut brauſet mit keinerlei Saͤure
auf, das einzige Vitrioloͤl ausgenommen: es beſizzet
keinen alkaliſchen Geſchmak; es bringt keine ſolche Far-
ben, wie dieſe Art von Salzen zu thun pflegt, zum Vor-
ſchein; es ſtuͤrzet auch nicht dasjenige nieder, welches
ſaure Saͤfte aufgeloͤſet haben. Das aber, was wir jezzo
ſagen werden, lehren die Verſuche in der That, daß die
Natur naͤmlich des Blutes die Beſchaffenheit habe, daß
ſie unter dem Beiſtande der Luftwaͤrme, oder wenn die
Bewegung der Muskeln vermert, oder endlich einiges
feuerfeſte Salz hinzugefuͤgt worden, in Faͤulnis geraͤt.
Aber darum mus das Blut nicht eben fuͤr alkaliſch erklaͤrt
werden. Denn man weis von keinem einzigen zuver-
laͤßigen Verſuche, daß in lebenden Menſchenkoͤrpern

Saͤfte
J 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0151" n="131"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Rothe darinnen.</hi></fw><lb/>
de&#x017F;&#x017F;en kann man, aus dem, was ich hier wiederholet<lb/>
habe, beila&#x0364;ufig lernen, wie wenig Nuzzen man von die-<lb/>
&#x017F;en Ver&#x017F;uchen in der Erkenntnis der Arzeneikra&#x0364;ften zie-<lb/>
hen ko&#x0364;nne; denn es vera&#x0364;ndert der Ar&#x017F;enik, die&#x017F;es &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;te<lb/>
Gift, das Blut beinahe auf eben die Art, wie &#x017F;olches<lb/>
der gutta&#x0364;tige Salpeter thut. Eßig hingegen teilet unter<lb/>
allen Officinmitteln dem Blute die traurig&#x017F;te Farbe mit,<lb/>
ob er gleich darum nicht weniger un&#x017F;cha&#x0364;dlich i&#x017F;t. Saure<lb/>
und laugenhafte Sa&#x0364;fte haben die&#x017F;es unter &#x017F;ich gemein,<lb/>
daß &#x017F;ie das Geblu&#x0364;te zu gerinnen veranla&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 28.<lb/>
Aus allen die&#x017F;en Ver&#x017F;uchen wird die Natur des<lb/>
Blutes noch lange nicht deutlich<lb/>
gemacht.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Ver&#x017F;uche erwei&#x017F;en noch nicht, daß einiges ware<lb/>
Salz im Blute befindlich &#x017F;ei. Seine &#x017F;aure Art wird<lb/>
durch keinerlei Aufbrau&#x017F;en mit Laugen&#x017F;alzen, durch keinen<lb/>
Geruch, oder Ge&#x017F;chmak, &#x017F;o wenig als durch ein ander<lb/>
Merkmal einer reinen Sa&#x0364;ure erweislich. Und &#x017F;o &#x017F;tekket<lb/>
auch keine ungemi&#x017F;chte laugenhafte Eigen&#x017F;chaft in die&#x017F;em<lb/>
Lebens&#x017F;afte. Das Blut brau&#x017F;et mit keinerlei Sa&#x0364;ure<lb/>
auf, das einzige Vitriolo&#x0364;l ausgenommen: es be&#x017F;izzet<lb/>
keinen alkali&#x017F;chen Ge&#x017F;chmak; es bringt keine &#x017F;olche Far-<lb/>
ben, wie die&#x017F;e Art von Salzen zu thun pflegt, zum Vor-<lb/>
&#x017F;chein; es &#x017F;tu&#x0364;rzet auch nicht dasjenige nieder, welches<lb/>
&#x017F;aure Sa&#x0364;fte aufgelo&#x0364;&#x017F;et haben. Das aber, was wir jezzo<lb/>
&#x017F;agen werden, lehren die Ver&#x017F;uche in der That, daß die<lb/>
Natur na&#x0364;mlich des Blutes die Be&#x017F;chaffenheit habe, daß<lb/>
&#x017F;ie unter dem Bei&#x017F;tande der Luftwa&#x0364;rme, oder wenn die<lb/>
Bewegung der Muskeln vermert, oder endlich einiges<lb/>
feuerfe&#x017F;te Salz hinzugefu&#x0364;gt worden, in Fa&#x0364;ulnis gera&#x0364;t.<lb/>
Aber darum mus das Blut nicht eben fu&#x0364;r alkali&#x017F;ch erkla&#x0364;rt<lb/>
werden. Denn man weis von keinem einzigen zuver-<lb/>
la&#x0364;ßigen Ver&#x017F;uche, daß in lebenden Men&#x017F;chenko&#x0364;rpern<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Sa&#x0364;fte</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0151] Das Rothe darinnen. deſſen kann man, aus dem, was ich hier wiederholet habe, beilaͤufig lernen, wie wenig Nuzzen man von die- ſen Verſuchen in der Erkenntnis der Arzeneikraͤften zie- hen koͤnne; denn es veraͤndert der Arſenik, dieſes ſchaͤrfſte Gift, das Blut beinahe auf eben die Art, wie ſolches der guttaͤtige Salpeter thut. Eßig hingegen teilet unter allen Officinmitteln dem Blute die traurigſte Farbe mit, ob er gleich darum nicht weniger unſchaͤdlich iſt. Saure und laugenhafte Saͤfte haben dieſes unter ſich gemein, daß ſie das Gebluͤte zu gerinnen veranlaſſen. §. 28. Aus allen dieſen Verſuchen wird die Natur des Blutes noch lange nicht deutlich gemacht. Dieſe Verſuche erweiſen noch nicht, daß einiges ware Salz im Blute befindlich ſei. Seine ſaure Art wird durch keinerlei Aufbrauſen mit Laugenſalzen, durch keinen Geruch, oder Geſchmak, ſo wenig als durch ein ander Merkmal einer reinen Saͤure erweislich. Und ſo ſtekket auch keine ungemiſchte laugenhafte Eigenſchaft in dieſem Lebensſafte. Das Blut brauſet mit keinerlei Saͤure auf, das einzige Vitrioloͤl ausgenommen: es beſizzet keinen alkaliſchen Geſchmak; es bringt keine ſolche Far- ben, wie dieſe Art von Salzen zu thun pflegt, zum Vor- ſchein; es ſtuͤrzet auch nicht dasjenige nieder, welches ſaure Saͤfte aufgeloͤſet haben. Das aber, was wir jezzo ſagen werden, lehren die Verſuche in der That, daß die Natur naͤmlich des Blutes die Beſchaffenheit habe, daß ſie unter dem Beiſtande der Luftwaͤrme, oder wenn die Bewegung der Muskeln vermert, oder endlich einiges feuerfeſte Salz hinzugefuͤgt worden, in Faͤulnis geraͤt. Aber darum mus das Blut nicht eben fuͤr alkaliſch erklaͤrt werden. Denn man weis von keinem einzigen zuver- laͤßigen Verſuche, daß in lebenden Menſchenkoͤrpern Saͤfte J 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/151
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/151>, abgerufen am 29.03.2024.