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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Verhältnis der Blutstoffe u. s. f.
ungeduldiger Mensch geworden. Hingegen rühren die
sanften Sitten der Brachmanen und Jndianer daher,
daß sie blos von Pflanzenspeisen ihr Leben erhalten, so
wie die von Pflanzen lebenden Thiere ein änliches fried-
fertiges Wesen äussern, und es zeiget ferner die äusserste
Schwäche, welche einen Menschen, der nur Pflanzen
oder Früchte zu seiner Narung angewendet, überfällt,
mehr als zu viel (o), wie mächtig eine Lebensart in Be-
stimmung des Temperaments sey.

Fast eben solche Wirkungen, als ein beständiges
Fleischessen hervorbringt, äussern sich auch von einer bren-
nenden Luft, von einem arbeitsamen Leben, vom Ge-
brauche geistiger Getränke, und endlich auch vom Fieber,
und durch Hülfe dieser Dinge entstehet diese ganze
Schärfe, und der Gestank des Harns und Schweisses, und
die damit verbundne äusserste Munterkeit der Muskeln
und des Herzens. Bei phlegmatischen Personen ist so
gar der Zustand vor dem Ausbruche der Kinderblattern
derjenige Stachel, der bei ihnen Munterkeit und ein thä-
tiges Wesen veranlasset (p).

§. 4.
Von der überflüßigen Menge Wassers.

Aber auch das gegenseitige Temperament, da das
Ebenmaas der roten Kügelchen und der salzigen Stoffe
gegen das Wasser gar zu klein ist, führet eben so wenig
Dunkelheit, als das vorhergehende bei sich. Mit ihm
vergesellschaftet sich eine kleinere Verdichtungskraft des
Blutes, eine schwächere Röte, eine geringere Lebenswärme.
Es äussert sich ferner im ganzen Körper, und zugleich am
Herzen, eine lose Spannung der schwach zusammenhän-
genden, durch das Wasser erweichten und weichen Fasern,
und ihre Trägheit den Körper in Bewegung zu sezzen;

man
(o) [Spaltenumbruch] lobb de calculo S. 243.
(p) [Spaltenumbruch] kirkpatrik Analys. of ino-
culation
S. 62.

Verhaͤltnis der Blutſtoffe u. ſ. f.
ungeduldiger Menſch geworden. Hingegen ruͤhren die
ſanften Sitten der Brachmanen und Jndianer daher,
daß ſie blos von Pflanzenſpeiſen ihr Leben erhalten, ſo
wie die von Pflanzen lebenden Thiere ein aͤnliches fried-
fertiges Weſen aͤuſſern, und es zeiget ferner die aͤuſſerſte
Schwaͤche, welche einen Menſchen, der nur Pflanzen
oder Fruͤchte zu ſeiner Narung angewendet, uͤberfaͤllt,
mehr als zu viel (o), wie maͤchtig eine Lebensart in Be-
ſtimmung des Temperaments ſey.

Faſt eben ſolche Wirkungen, als ein beſtaͤndiges
Fleiſcheſſen hervorbringt, aͤuſſern ſich auch von einer bren-
nenden Luft, von einem arbeitſamen Leben, vom Ge-
brauche geiſtiger Getraͤnke, und endlich auch vom Fieber,
und durch Huͤlfe dieſer Dinge entſtehet dieſe ganze
Schaͤrfe, und der Geſtank des Harns und Schweiſſes, und
die damit verbundne aͤuſſerſte Munterkeit der Muskeln
und des Herzens. Bei phlegmatiſchen Perſonen iſt ſo
gar der Zuſtand vor dem Ausbruche der Kinderblattern
derjenige Stachel, der bei ihnen Munterkeit und ein thaͤ-
tiges Weſen veranlaſſet (p).

§. 4.
Von der uͤberfluͤßigen Menge Waſſers.

Aber auch das gegenſeitige Temperament, da das
Ebenmaas der roten Kuͤgelchen und der ſalzigen Stoffe
gegen das Waſſer gar zu klein iſt, fuͤhret eben ſo wenig
Dunkelheit, als das vorhergehende bei ſich. Mit ihm
vergeſellſchaftet ſich eine kleinere Verdichtungskraft des
Blutes, eine ſchwaͤchere Roͤte, eine geringere Lebenswaͤrme.
Es aͤuſſert ſich ferner im ganzen Koͤrper, und zugleich am
Herzen, eine loſe Spannung der ſchwach zuſammenhaͤn-
genden, durch das Waſſer erweichten und weichen Faſern,
und ihre Traͤgheit den Koͤrper in Bewegung zu ſezzen;

man
(o) [Spaltenumbruch] lobb de calculo S. 243.
(p) [Spaltenumbruch] kirkpatrik Analyſ. of ino-
culation
S. 62.
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[223/0243] Verhaͤltnis der Blutſtoffe u. ſ. f. ungeduldiger Menſch geworden. Hingegen ruͤhren die ſanften Sitten der Brachmanen und Jndianer daher, daß ſie blos von Pflanzenſpeiſen ihr Leben erhalten, ſo wie die von Pflanzen lebenden Thiere ein aͤnliches fried- fertiges Weſen aͤuſſern, und es zeiget ferner die aͤuſſerſte Schwaͤche, welche einen Menſchen, der nur Pflanzen oder Fruͤchte zu ſeiner Narung angewendet, uͤberfaͤllt, mehr als zu viel (o), wie maͤchtig eine Lebensart in Be- ſtimmung des Temperaments ſey. Faſt eben ſolche Wirkungen, als ein beſtaͤndiges Fleiſcheſſen hervorbringt, aͤuſſern ſich auch von einer bren- nenden Luft, von einem arbeitſamen Leben, vom Ge- brauche geiſtiger Getraͤnke, und endlich auch vom Fieber, und durch Huͤlfe dieſer Dinge entſtehet dieſe ganze Schaͤrfe, und der Geſtank des Harns und Schweiſſes, und die damit verbundne aͤuſſerſte Munterkeit der Muskeln und des Herzens. Bei phlegmatiſchen Perſonen iſt ſo gar der Zuſtand vor dem Ausbruche der Kinderblattern derjenige Stachel, der bei ihnen Munterkeit und ein thaͤ- tiges Weſen veranlaſſet (p). §. 4. Von der uͤberfluͤßigen Menge Waſſers. Aber auch das gegenſeitige Temperament, da das Ebenmaas der roten Kuͤgelchen und der ſalzigen Stoffe gegen das Waſſer gar zu klein iſt, fuͤhret eben ſo wenig Dunkelheit, als das vorhergehende bei ſich. Mit ihm vergeſellſchaftet ſich eine kleinere Verdichtungskraft des Blutes, eine ſchwaͤchere Roͤte, eine geringere Lebenswaͤrme. Es aͤuſſert ſich ferner im ganzen Koͤrper, und zugleich am Herzen, eine loſe Spannung der ſchwach zuſammenhaͤn- genden, durch das Waſſer erweichten und weichen Faſern, und ihre Traͤgheit den Koͤrper in Bewegung zu ſezzen; man (o) lobb de calculo S. 243. (p) kirkpatrik Analyſ. of ino- culation S. 62.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/243>, abgerufen am 25.04.2024.