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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Die Lebenssäfte.
gen, die nach ihm der ehedem berümte Peter Anton Mi-
chelotti
(b) ebenfalls angenommen hat. Es glaubten
diese berümte Männer genung gethan zu haben, daß sie
die dikken Säfte von den dünnen unterschieden. Et-
was enger war dagegen die Einteilung des in der Na-
turgeschichte so berümten Johann Godschalk Walle-
rius
(c), und diese gefiel mir ehedem; ich lasse hier das
Blut, wovon bereits so viel gehandelt worden, aus der
Acht, und übergehe auch die geistigen Säfte, von denen
man zur Zeit nur gar zu wenig weis. Es sind demnach
vier Arten von Lebenssäften übrig, wie ich sie ehedem
vorgetragen (d), und sie andre berümte Männer ebenfalls
angenommen haben: nämlich die wäßrigen, schlei-
migen, gallertige,
und öligen. Jch erzäle ihre Na-
men in eben der Ordnung, nach der sie die Natur offen-
bar hervorbringt. Denn erst bildet sich aus Wasser,
welches aus der Erde gezogen worden, ein Schleim, in
den Blättern, in Stämmen, oder man mag die Natur
bei diesem Geschäfte am Pflanzensaamen arbeiten sehen
wollen. Eine grössere Reifung verwandelt den Schleim
zum Gallerte, welcher, wenn er mit der Zeit seine Voll-
kommenheit erreicht, ein öliges Meel hervorbringt (d*).
Auf diesem Wege entsteht das Weizenmeel aus Wasser
und einem nach und nach dikkern Schleime. Das sind
reine Säfte, wir werden aber auch einige zusammenge-
sezzte und gemischte hinzufügen müssen.

§. 3.
Die wäßrigen Säfte.

Es haben diese Säfte unter sich gemein, daß ihr
Wasser ein grosses Verhältnis gegen die übrigen Grund-
stoffe hat, daß sie daher ungemein hurtig flissen, und

sich
(b) [Spaltenumbruch] De separati. humorum. c. 2.
(c) Hydrolog. S. 79.
(d) Comment. ad Praelect. boer-
haav.
T. II.
S. 411.
(d*) [Spaltenumbruch] Steph. hales Vegetable
statiks.
Es ist dieses eine| Anmer-
kung, die sich von diesem berüm-
ten Manne herschreibt.
O o 4

Die Lebensſaͤfte.
gen, die nach ihm der ehedem beruͤmte Peter Anton Mi-
chelotti
(b) ebenfalls angenommen hat. Es glaubten
dieſe beruͤmte Maͤnner genung gethan zu haben, daß ſie
die dikken Saͤfte von den duͤnnen unterſchieden. Et-
was enger war dagegen die Einteilung des in der Na-
turgeſchichte ſo beruͤmten Johann Godſchalk Walle-
rius
(c), und dieſe gefiel mir ehedem; ich laſſe hier das
Blut, wovon bereits ſo viel gehandelt worden, aus der
Acht, und uͤbergehe auch die geiſtigen Saͤfte, von denen
man zur Zeit nur gar zu wenig weis. Es ſind demnach
vier Arten von Lebensſaͤften uͤbrig, wie ich ſie ehedem
vorgetragen (d), und ſie andre beruͤmte Maͤnner ebenfalls
angenommen haben: naͤmlich die waͤßrigen, ſchlei-
migen, gallertige,
und oͤligen. Jch erzaͤle ihre Na-
men in eben der Ordnung, nach der ſie die Natur offen-
bar hervorbringt. Denn erſt bildet ſich aus Waſſer,
welches aus der Erde gezogen worden, ein Schleim, in
den Blaͤttern, in Staͤmmen, oder man mag die Natur
bei dieſem Geſchaͤfte am Pflanzenſaamen arbeiten ſehen
wollen. Eine groͤſſere Reifung verwandelt den Schleim
zum Gallerte, welcher, wenn er mit der Zeit ſeine Voll-
kommenheit erreicht, ein oͤliges Meel hervorbringt (d*).
Auf dieſem Wege entſteht das Weizenmeel aus Waſſer
und einem nach und nach dikkern Schleime. Das ſind
reine Saͤfte, wir werden aber auch einige zuſammenge-
ſezzte und gemiſchte hinzufuͤgen muͤſſen.

§. 3.
Die waͤßrigen Saͤfte.

Es haben dieſe Saͤfte unter ſich gemein, daß ihr
Waſſer ein groſſes Verhaͤltnis gegen die uͤbrigen Grund-
ſtoffe hat, daß ſie daher ungemein hurtig fliſſen, und

ſich
(b) [Spaltenumbruch] De ſeparati. humorum. c. 2.
(c) Hydrolog. S. 79.
(d) Comment. ad Praelect. boer-
haav.
T. II.
S. 411.
(d*) [Spaltenumbruch] Steph. haleſ Vegetable
ſtatiks.
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kung, die ſich von dieſem beruͤm-
ten Manne herſchreibt.
O o 4
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[583/0603] Die Lebensſaͤfte. gen, die nach ihm der ehedem beruͤmte Peter Anton Mi- chelotti (b) ebenfalls angenommen hat. Es glaubten dieſe beruͤmte Maͤnner genung gethan zu haben, daß ſie die dikken Saͤfte von den duͤnnen unterſchieden. Et- was enger war dagegen die Einteilung des in der Na- turgeſchichte ſo beruͤmten Johann Godſchalk Walle- rius (c), und dieſe gefiel mir ehedem; ich laſſe hier das Blut, wovon bereits ſo viel gehandelt worden, aus der Acht, und uͤbergehe auch die geiſtigen Saͤfte, von denen man zur Zeit nur gar zu wenig weis. Es ſind demnach vier Arten von Lebensſaͤften uͤbrig, wie ich ſie ehedem vorgetragen (d), und ſie andre beruͤmte Maͤnner ebenfalls angenommen haben: naͤmlich die waͤßrigen, ſchlei- migen, gallertige, und oͤligen. Jch erzaͤle ihre Na- men in eben der Ordnung, nach der ſie die Natur offen- bar hervorbringt. Denn erſt bildet ſich aus Waſſer, welches aus der Erde gezogen worden, ein Schleim, in den Blaͤttern, in Staͤmmen, oder man mag die Natur bei dieſem Geſchaͤfte am Pflanzenſaamen arbeiten ſehen wollen. Eine groͤſſere Reifung verwandelt den Schleim zum Gallerte, welcher, wenn er mit der Zeit ſeine Voll- kommenheit erreicht, ein oͤliges Meel hervorbringt (d*). Auf dieſem Wege entſteht das Weizenmeel aus Waſſer und einem nach und nach dikkern Schleime. Das ſind reine Saͤfte, wir werden aber auch einige zuſammenge- ſezzte und gemiſchte hinzufuͤgen muͤſſen. §. 3. Die waͤßrigen Saͤfte. Es haben dieſe Saͤfte unter ſich gemein, daß ihr Waſſer ein groſſes Verhaͤltnis gegen die uͤbrigen Grund- ſtoffe hat, daß ſie daher ungemein hurtig fliſſen, und ſich (b) De ſeparati. humorum. c. 2. (c) Hydrolog. S. 79. (d) Comment. ad Praelect. boer- haav. T. II. S. 411. (d*) Steph. haleſ Vegetable ſtatiks. Es iſt dieſes eine| Anmer- kung, die ſich von dieſem beruͤm- ten Manne herſchreibt. O o 4

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/603>, abgerufen am 25.04.2024.