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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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IIII. Abschn. dessen Erscheinungen.
§. 31.
Das Gähnen.

Das Gähnen ist ebenfalls ein langes und langsames
Einatmen, vermittelst dessen wir eine Menge Luft in die
Lunge ziehen. Allein es ist auf mehr, als eine Art
vom Seufzen unterschieden (b). Es wird nämlich im
Gähnen, auf ein langes Einatmen, und indem man zu-
gleich den Mund wieder zuzieht, ein grosses Ausatmen,
wobei man zugleich das Geräusche von der bewegten
Luft hören kann.

Vor dem Gähnen geht ein langsamer Umlauf des
Blutes in der Lunge voran, der so gros ist, daß man ihn
mit den gewöhnlichen Einatmungskräften nicht verbes-
sern kann. Davon empfinden wir eine Beschwerlichkeit,
und gleichsam eine Last in der Lunge. Folglich unterneh-
men wir ein sehr grosses Einatmen, wir ziehen eine Men-
ge Luft in uns, damit die Luft gleichsam, wie im Hooki-
schen
Versuche, durch die sehr ausgedehnte Lunge, ei-
nen leichten Weg finden könne. Folglich ist auch, selbst
das Gähnen eine Sache des Willens, und vornämlich
des Zwerchfelles.

Die entfernten Ursachen des Gähnes haben faft alle
eine gewisse Schwäche zum Grunde, nämlich vor andern
eine einbrechende Schläfrigkeit, indem Thiere in diesem
Zustande ebenfalls gähnen (c). Wir pflegen auch bis-
weilen, wenn wir erwachen, zu gähnen, wenn sich noch
der Schlaf mit in das Erwachen einmischt. Wir wer-
den an einem andern Orte zeigen, daß in diesem Zustan-
de das Blut in den Blutadern langsamer laufe (d).

Wir
(b) [Spaltenumbruch] Die Merkmale des Unter-
scheides hat der vortrefliche DAV.
EMAN. BERDOT
gesammlet,
in der thesi inaugurali de suspirio.
(c) De GORTER de perspir.
[Spaltenumbruch] S. 292. Er fügt hinzu, es sei ein
Zeichen einer ganz vollkommnen
Gesundheit.
(d) Das Blut fängt an stille zu
ste-
IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen.
§. 31.
Das Gaͤhnen.

Das Gaͤhnen iſt ebenfalls ein langes und langſames
Einatmen, vermittelſt deſſen wir eine Menge Luft in die
Lunge ziehen. Allein es iſt auf mehr, als eine Art
vom Seufzen unterſchieden (b). Es wird naͤmlich im
Gaͤhnen, auf ein langes Einatmen, und indem man zu-
gleich den Mund wieder zuzieht, ein groſſes Ausatmen,
wobei man zugleich das Geraͤuſche von der bewegten
Luft hoͤren kann.

Vor dem Gaͤhnen geht ein langſamer Umlauf des
Blutes in der Lunge voran, der ſo gros iſt, daß man ihn
mit den gewoͤhnlichen Einatmungskraͤften nicht verbeſ-
ſern kann. Davon empfinden wir eine Beſchwerlichkeit,
und gleichſam eine Laſt in der Lunge. Folglich unterneh-
men wir ein ſehr groſſes Einatmen, wir ziehen eine Men-
ge Luft in uns, damit die Luft gleichſam, wie im Hooki-
ſchen
Verſuche, durch die ſehr ausgedehnte Lunge, ei-
nen leichten Weg finden koͤnne. Folglich iſt auch, ſelbſt
das Gaͤhnen eine Sache des Willens, und vornaͤmlich
des Zwerchfelles.

Die entfernten Urſachen des Gaͤhnes haben faft alle
eine gewiſſe Schwaͤche zum Grunde, naͤmlich vor andern
eine einbrechende Schlaͤfrigkeit, indem Thiere in dieſem
Zuſtande ebenfalls gaͤhnen (c). Wir pflegen auch bis-
weilen, wenn wir erwachen, zu gaͤhnen, wenn ſich noch
der Schlaf mit in das Erwachen einmiſcht. Wir wer-
den an einem andern Orte zeigen, daß in dieſem Zuſtan-
de das Blut in den Blutadern langſamer laufe (d).

Wir
(b) [Spaltenumbruch] Die Merkmale des Unter-
ſcheides hat der vortrefliche DAV.
EMAN. BERDOT
geſammlet,
in der theſi inaugurali de ſuſpirio.
(c) De GORTER de perſpir.
[Spaltenumbruch] S. 292. Er fuͤgt hinzu, es ſei ein
Zeichen einer ganz vollkommnen
Geſundheit.
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[459/0465] IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen. §. 31. Das Gaͤhnen. Das Gaͤhnen iſt ebenfalls ein langes und langſames Einatmen, vermittelſt deſſen wir eine Menge Luft in die Lunge ziehen. Allein es iſt auf mehr, als eine Art vom Seufzen unterſchieden (b). Es wird naͤmlich im Gaͤhnen, auf ein langes Einatmen, und indem man zu- gleich den Mund wieder zuzieht, ein groſſes Ausatmen, wobei man zugleich das Geraͤuſche von der bewegten Luft hoͤren kann. Vor dem Gaͤhnen geht ein langſamer Umlauf des Blutes in der Lunge voran, der ſo gros iſt, daß man ihn mit den gewoͤhnlichen Einatmungskraͤften nicht verbeſ- ſern kann. Davon empfinden wir eine Beſchwerlichkeit, und gleichſam eine Laſt in der Lunge. Folglich unterneh- men wir ein ſehr groſſes Einatmen, wir ziehen eine Men- ge Luft in uns, damit die Luft gleichſam, wie im Hooki- ſchen Verſuche, durch die ſehr ausgedehnte Lunge, ei- nen leichten Weg finden koͤnne. Folglich iſt auch, ſelbſt das Gaͤhnen eine Sache des Willens, und vornaͤmlich des Zwerchfelles. Die entfernten Urſachen des Gaͤhnes haben faft alle eine gewiſſe Schwaͤche zum Grunde, naͤmlich vor andern eine einbrechende Schlaͤfrigkeit, indem Thiere in dieſem Zuſtande ebenfalls gaͤhnen (c). Wir pflegen auch bis- weilen, wenn wir erwachen, zu gaͤhnen, wenn ſich noch der Schlaf mit in das Erwachen einmiſcht. Wir wer- den an einem andern Orte zeigen, daß in dieſem Zuſtan- de das Blut in den Blutadern langſamer laufe (d). Wir (b) Die Merkmale des Unter- ſcheides hat der vortrefliche DAV. EMAN. BERDOT geſammlet, in der theſi inaugurali de ſuſpirio. (c) De GORTER de perſpir. S. 292. Er fuͤgt hinzu, es ſei ein Zeichen einer ganz vollkommnen Geſundheit. (d) Das Blut faͤngt an ſtille zu ſte-

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/465>, abgerufen am 20.04.2024.