Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Stimme. IX. Buch.
§. 12.
Die Stärke der Stimme.

Um eine starke Stimme hervorzubringen, dazu gehö-
ret eine grosse Gewalt der Luft (k), die man durch die
Luftröhrenspalte heraufstossen mus, wie auch ein starkes
Zittern der Bänder. Folglich thut hierbei eine weite Lun-
ge, die mit vieler Luft angefüllt ist, das ihrige. Es
wusten die Alten sehr wohl, daß die Seitentheile des
Körpers sehr gros seyn müssen, um eine starke Stimme
zu machen, und es merkt Galen mit Scharfsinnigkeit
an (l), daß die Anhängsel des Zwerchfells in singenden
Thieren grösser sind, und tiefer herabsinken, als in de-
nen, die wenig Töne machen. Es läst sich auch nach
dem Essen nicht sowol, und mit mehr Beschwerlichkeit,
Reden halten (m), weil der angefüllte Unterleib dem nie-
dersinkenden Zwerchfelle entgegen steht, und die Brust-
höle nicht so gut erweitern läst. Dieienigen, die ihre
Brust nicht wohl erweitern können, helfen sich daher im
Singen damit, daß sie stark einatmen (n). Daher ist
auch in Schwindsüchtigen (o), in denen sich die Lunge
verzehrt hat, die Stimme so schwach, daß man sie kaum
hören kann. Daher haben auch Vögel, nach dem Ver-
hältnisse ihres Körpers, eine starke Stimme, und beson-
ders ist diese in der Nachtigall wunderbar stark, weil die
Vögel nicht blos in den Fächerchen der Lunge; sondern
auch in den Fächern des ganzen Unterleibes voller Luft
sind (p).

So scheinet auch dargegen eine weite Luftröhre (q),
die viel Luft in sich fassen kann, zu der Stärke der Stim-
(p)

me
(k) [Spaltenumbruch] DODART Mem. 1706. S.
74. 1700. S. 266. u. f.
(l) Administr. anat. L. VIII. c. 1.
(m) HALES haemast. S. 88.
(n) BERARD. S. 43.
(o) Vergl. schelh. S. 37.
(p) [Spaltenumbruch] 8 B. 2 A. 5 Nr.
(q) borrich de herm. Aegyp-
tior. sapient.
S. 250. Acta Haf-
niensia. Vol. l.
S. 46.
(p) amman. S. 30.
Die Stimme. IX. Buch.
§. 12.
Die Staͤrke der Stimme.

Um eine ſtarke Stimme hervorzubringen, dazu gehoͤ-
ret eine groſſe Gewalt der Luft (k), die man durch die
Luftroͤhrenſpalte heraufſtoſſen mus, wie auch ein ſtarkes
Zittern der Baͤnder. Folglich thut hierbei eine weite Lun-
ge, die mit vieler Luft angefuͤllt iſt, das ihrige. Es
wuſten die Alten ſehr wohl, daß die Seitentheile des
Koͤrpers ſehr gros ſeyn muͤſſen, um eine ſtarke Stimme
zu machen, und es merkt Galen mit Scharfſinnigkeit
an (l), daß die Anhaͤngſel des Zwerchfells in ſingenden
Thieren groͤſſer ſind, und tiefer herabſinken, als in de-
nen, die wenig Toͤne machen. Es laͤſt ſich auch nach
dem Eſſen nicht ſowol, und mit mehr Beſchwerlichkeit,
Reden halten (m), weil der angefuͤllte Unterleib dem nie-
derſinkenden Zwerchfelle entgegen ſteht, und die Bruſt-
hoͤle nicht ſo gut erweitern laͤſt. Dieienigen, die ihre
Bruſt nicht wohl erweitern koͤnnen, helfen ſich daher im
Singen damit, daß ſie ſtark einatmen (n). Daher iſt
auch in Schwindſuͤchtigen (o), in denen ſich die Lunge
verzehrt hat, die Stimme ſo ſchwach, daß man ſie kaum
hoͤren kann. Daher haben auch Voͤgel, nach dem Ver-
haͤltniſſe ihres Koͤrpers, eine ſtarke Stimme, und beſon-
ders iſt dieſe in der Nachtigall wunderbar ſtark, weil die
Voͤgel nicht blos in den Faͤcherchen der Lunge; ſondern
auch in den Faͤchern des ganzen Unterleibes voller Luft
ſind (p).

So ſcheinet auch dargegen eine weite Luftroͤhre (q),
die viel Luft in ſich faſſen kann, zu der Staͤrke der Stim-
(p)

me
(k) [Spaltenumbruch] DODART Mem. 1706. S.
74. 1700. S. 266. u. f.
(l) Adminiſtr. anat. L. VIII. c. 1.
(m) HALES haemaſt. S. 88.
(n) BERARD. S. 43.
(o) Vergl. ſchelh. S. 37.
(p) [Spaltenumbruch] 8 B. 2 A. 5 Nr.
(q) borrich de herm. Aegyp-
tior. ſapient.
S. 250. Acta Haf-
nienſia. Vol. l.
S. 46.
(p) amman. S. 30.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0714" n="706[708]"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Stimme. <hi rendition="#aq">IX.</hi> Buch.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 12.<lb/>
Die Sta&#x0364;rke der Stimme.</head><lb/>
            <p>Um eine &#x017F;tarke Stimme hervorzubringen, dazu geho&#x0364;-<lb/>
ret eine gro&#x017F;&#x017F;e Gewalt der Luft <note place="foot" n="(k)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">DODART</hi> Mem.</hi> 1706. S.<lb/>
74. 1700. S. 266. u. f.</note>, die man durch die<lb/>
Luftro&#x0364;hren&#x017F;palte herauf&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en mus, wie auch ein &#x017F;tarkes<lb/>
Zittern der Ba&#x0364;nder. Folglich thut hierbei eine weite Lun-<lb/>
ge, die mit vieler Luft angefu&#x0364;llt i&#x017F;t, das ihrige. Es<lb/>
wu&#x017F;ten die Alten &#x017F;ehr wohl, daß die Seitentheile des<lb/>
Ko&#x0364;rpers &#x017F;ehr gros &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um eine &#x017F;tarke Stimme<lb/>
zu machen, und es merkt <hi rendition="#fr">Galen</hi> mit Scharf&#x017F;innigkeit<lb/>
an <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq">Admini&#x017F;tr. anat. L. VIII. c.</hi> 1.</note>, daß die Anha&#x0364;ng&#x017F;el des Zwerchfells in &#x017F;ingenden<lb/>
Thieren gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ind, und tiefer herab&#x017F;inken, als in de-<lb/>
nen, die wenig To&#x0364;ne machen. Es la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich auch nach<lb/>
dem E&#x017F;&#x017F;en nicht &#x017F;owol, und mit mehr Be&#x017F;chwerlichkeit,<lb/>
Reden halten <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">HALES</hi> haema&#x017F;t.</hi> S. 88.</note>, weil der angefu&#x0364;llte Unterleib dem nie-<lb/>
der&#x017F;inkenden Zwerchfelle entgegen &#x017F;teht, und die Bru&#x017F;t-<lb/>
ho&#x0364;le nicht &#x017F;o gut erweitern la&#x0364;&#x017F;t. Dieienigen, die ihre<lb/>
Bru&#x017F;t nicht wohl erweitern ko&#x0364;nnen, helfen &#x017F;ich daher im<lb/>
Singen damit, daß &#x017F;ie &#x017F;tark einatmen <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BERARD.</hi></hi> S. 43.</note>. Daher i&#x017F;t<lb/>
auch in Schwind&#x017F;u&#x0364;chtigen <note place="foot" n="(o)">Vergl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">&#x017F;chelh.</hi></hi></hi> S. 37.</note>, in denen &#x017F;ich die Lunge<lb/>
verzehrt hat, die Stimme &#x017F;o &#x017F;chwach, daß man &#x017F;ie kaum<lb/>
ho&#x0364;ren kann. Daher haben auch Vo&#x0364;gel, nach dem Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ihres Ko&#x0364;rpers, eine &#x017F;tarke Stimme, und be&#x017F;on-<lb/>
ders i&#x017F;t die&#x017F;e in der Nachtigall wunderbar &#x017F;tark, weil die<lb/>
Vo&#x0364;gel nicht blos in den Fa&#x0364;cherchen der Lunge; &#x017F;ondern<lb/>
auch in den Fa&#x0364;chern des ganzen Unterleibes voller Luft<lb/>
&#x017F;ind <note place="foot" n="(p)"><cb/>
8 B. 2 A. 5 Nr.</note>.</p><lb/>
            <p>So &#x017F;cheinet auch dargegen eine weite Luftro&#x0364;hre <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">borrich</hi></hi> de herm. Aegyp-<lb/>
tior. &#x017F;apient.</hi> S. 250. <hi rendition="#aq">Acta Haf-<lb/>
nien&#x017F;ia. Vol. l.</hi> S. 46.</note>,<lb/>
die viel Luft in &#x017F;ich fa&#x017F;&#x017F;en kann, zu der Sta&#x0364;rke der Stim-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">me</fw><lb/><note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">amman.</hi></hi></hi> S. 30.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[706[708]/0714] Die Stimme. IX. Buch. §. 12. Die Staͤrke der Stimme. Um eine ſtarke Stimme hervorzubringen, dazu gehoͤ- ret eine groſſe Gewalt der Luft (k), die man durch die Luftroͤhrenſpalte heraufſtoſſen mus, wie auch ein ſtarkes Zittern der Baͤnder. Folglich thut hierbei eine weite Lun- ge, die mit vieler Luft angefuͤllt iſt, das ihrige. Es wuſten die Alten ſehr wohl, daß die Seitentheile des Koͤrpers ſehr gros ſeyn muͤſſen, um eine ſtarke Stimme zu machen, und es merkt Galen mit Scharfſinnigkeit an (l), daß die Anhaͤngſel des Zwerchfells in ſingenden Thieren groͤſſer ſind, und tiefer herabſinken, als in de- nen, die wenig Toͤne machen. Es laͤſt ſich auch nach dem Eſſen nicht ſowol, und mit mehr Beſchwerlichkeit, Reden halten (m), weil der angefuͤllte Unterleib dem nie- derſinkenden Zwerchfelle entgegen ſteht, und die Bruſt- hoͤle nicht ſo gut erweitern laͤſt. Dieienigen, die ihre Bruſt nicht wohl erweitern koͤnnen, helfen ſich daher im Singen damit, daß ſie ſtark einatmen (n). Daher iſt auch in Schwindſuͤchtigen (o), in denen ſich die Lunge verzehrt hat, die Stimme ſo ſchwach, daß man ſie kaum hoͤren kann. Daher haben auch Voͤgel, nach dem Ver- haͤltniſſe ihres Koͤrpers, eine ſtarke Stimme, und beſon- ders iſt dieſe in der Nachtigall wunderbar ſtark, weil die Voͤgel nicht blos in den Faͤcherchen der Lunge; ſondern auch in den Faͤchern des ganzen Unterleibes voller Luft ſind (p). So ſcheinet auch dargegen eine weite Luftroͤhre (q), die viel Luft in ſich faſſen kann, zu der Staͤrke der Stim- me (p) (k) DODART Mem. 1706. S. 74. 1700. S. 266. u. f. (l) Adminiſtr. anat. L. VIII. c. 1. (m) HALES haemaſt. S. 88. (n) BERARD. S. 43. (o) Vergl. ſchelh. S. 37. (p) 8 B. 2 A. 5 Nr. (q) borrich de herm. Aegyp- tior. ſapient. S. 250. Acta Haf- nienſia. Vol. l. S. 46. (p) amman. S. 30.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/714
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 706[708]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/714>, abgerufen am 28.03.2024.