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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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IIII. Abschn. Das Reden.
Vierter Abschnitt.
Das Reden.
§. 1.

Diese Untersuchung, welche wir hier vor die Hand neh-
men, ist eine der schönsten, und sie legt davon eine
vortrefliche Probe ab, daß man einsehen lernt, wie
viel eine sorgfältige Erwägung der Begebenheiten, nicht
nur in der Entdekkung der Ratur, sondern auch in der
Verbesserung der Leibesgebrechen, auszurichten vermögend
sey. Wir haben nemlich bloß aus einer wißbegierigen
Beobachtung über das Reden eines Menschen den Nuz-
zen gezogen, daß wir, welches doch gewiß ein seltenes
Exempel ist, die Ursachen erzählen können, wie die Aus-
sprache eines jeden Buchstaben verrichtet werde, so wie
wir endlich gelernt haben, diejenigen Menschen vollkom-
mener zu machen, die entweder einige Buchstaben schlecht
aussprechen, oder überhaupt von ihrem ersten Alter an
nicht reden können.

Wenn ein Buchstabe ein Schall ist, welcher sich in
einfachen Töne nicht weiter theilen läst (k), so wird das
Reden eine Bildung der Stimme seyn, durch Buch-
staben und Wörter, die aus Buchstaben zusammengesezzt
sind. Wenn aber die verschiedenen Töne nicht weiter in
einfache zerlegt werden können, so wird vielmehr das
Reden eine Bildung der Stimme seyn, die aus der Glot-
tis herausgestossen worden, und von der Zunge, dem
Munde, und der Nase in solche Elemente verwandelt
wird, daß wir dadurch die Empfindungen unserer Seele
andern Menschen mittheilen können (l). Folglich kann
der Mensch nach waren Empfindungen reden, ob einige

Thiere
(k) [Spaltenumbruch] WALLIS de loquela. S. 2.
(l) [Spaltenumbruch] Vorgl. amman. S. 18.
Z z 2
IIII. Abſchn. Das Reden.
Vierter Abſchnitt.
Das Reden.
§. 1.

Dieſe Unterſuchung, welche wir hier vor die Hand neh-
men, iſt eine der ſchoͤnſten, und ſie legt davon eine
vortrefliche Probe ab, daß man einſehen lernt, wie
viel eine ſorgfaͤltige Erwaͤgung der Begebenheiten, nicht
nur in der Entdekkung der Ratur, ſondern auch in der
Verbeſſerung der Leibesgebrechen, auszurichten vermoͤgend
ſey. Wir haben nemlich bloß aus einer wißbegierigen
Beobachtung uͤber das Reden eines Menſchen den Nuz-
zen gezogen, daß wir, welches doch gewiß ein ſeltenes
Exempel iſt, die Urſachen erzaͤhlen koͤnnen, wie die Aus-
ſprache eines jeden Buchſtaben verrichtet werde, ſo wie
wir endlich gelernt haben, diejenigen Menſchen vollkom-
mener zu machen, die entweder einige Buchſtaben ſchlecht
ausſprechen, oder uͤberhaupt von ihrem erſten Alter an
nicht reden koͤnnen.

Wenn ein Buchſtabe ein Schall iſt, welcher ſich in
einfachen Toͤne nicht weiter theilen laͤſt (k), ſo wird das
Reden eine Bildung der Stimme ſeyn, durch Buch-
ſtaben und Woͤrter, die aus Buchſtaben zuſammengeſezzt
ſind. Wenn aber die verſchiedenen Toͤne nicht weiter in
einfache zerlegt werden koͤnnen, ſo wird vielmehr das
Reden eine Bildung der Stimme ſeyn, die aus der Glot-
tis herausgeſtoſſen worden, und von der Zunge, dem
Munde, und der Naſe in ſolche Elemente verwandelt
wird, daß wir dadurch die Empfindungen unſerer Seele
andern Menſchen mittheilen koͤnnen (l). Folglich kann
der Menſch nach waren Empfindungen reden, ob einige

Thiere
(k) [Spaltenumbruch] WALLIS de loquela. S. 2.
(l) [Spaltenumbruch] Vorgl. amman. S. 18.
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[721[723]/0729] IIII. Abſchn. Das Reden. Vierter Abſchnitt. Das Reden. §. 1. Dieſe Unterſuchung, welche wir hier vor die Hand neh- men, iſt eine der ſchoͤnſten, und ſie legt davon eine vortrefliche Probe ab, daß man einſehen lernt, wie viel eine ſorgfaͤltige Erwaͤgung der Begebenheiten, nicht nur in der Entdekkung der Ratur, ſondern auch in der Verbeſſerung der Leibesgebrechen, auszurichten vermoͤgend ſey. Wir haben nemlich bloß aus einer wißbegierigen Beobachtung uͤber das Reden eines Menſchen den Nuz- zen gezogen, daß wir, welches doch gewiß ein ſeltenes Exempel iſt, die Urſachen erzaͤhlen koͤnnen, wie die Aus- ſprache eines jeden Buchſtaben verrichtet werde, ſo wie wir endlich gelernt haben, diejenigen Menſchen vollkom- mener zu machen, die entweder einige Buchſtaben ſchlecht ausſprechen, oder uͤberhaupt von ihrem erſten Alter an nicht reden koͤnnen. Wenn ein Buchſtabe ein Schall iſt, welcher ſich in einfachen Toͤne nicht weiter theilen laͤſt (k), ſo wird das Reden eine Bildung der Stimme ſeyn, durch Buch- ſtaben und Woͤrter, die aus Buchſtaben zuſammengeſezzt ſind. Wenn aber die verſchiedenen Toͤne nicht weiter in einfache zerlegt werden koͤnnen, ſo wird vielmehr das Reden eine Bildung der Stimme ſeyn, die aus der Glot- tis herausgeſtoſſen worden, und von der Zunge, dem Munde, und der Naſe in ſolche Elemente verwandelt wird, daß wir dadurch die Empfindungen unſerer Seele andern Menſchen mittheilen koͤnnen (l). Folglich kann der Menſch nach waren Empfindungen reden, ob einige Thiere (k) WALLIS de loquela. S. 2. (l) Vorgl. amman. S. 18. Z z 2

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 721[723]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/729>, abgerufen am 28.03.2024.