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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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VI. Abschn. Die Nerven.

Wenn man den Nerven vorher von seinen fächri-
gen Banden losmacht, und alsdann erst mitten durch-
schneidet, alsdenn zieht sich der Nerve gar nicht zurükke,
sondern er wird vielmehr länger, und es berühren sich
nicht nur seine zwei neben einander liegende Enden, son-
dern sie liegen überhaupt unter einander parallel. End-
lich so nehmen sie nicht einmal ihre Kürze wieder an,
wenn man sie von einander zieht, sondern sie bleiben
vielmehr länger [Spaltenumbruch] (f). Es ist auch in dieser Erscheinung
der Grund eben derselbe, indem nämlich das Mark selbst,
welches aus den einzelnen ungemein kleinen Schnüren in
Gestalt einer Halbkugel (g) heraustritt, diesen kleinen
weissen Berg ausmacht. Jch habe diesen Versuch oft
angestellt, und es hat ihn vor mir der berühmte Alexan-
der Stuart
(h) angegeben. Es sind dieses die klei-
nen Marktröpfchen, welche hervorquollen, als man den
Sehnerven drückte (i), und davon rührt das schwammi-
ge Fleisch her, welches aus den zerschnittenen Nerven
hervortritt [Spaltenumbruch] (k), und vielleicht kömt auch das drüsenarti-
ge Gewächse daher, welches man an dem gestochenen
Nerven eines Hundes bemerkte (l).

Folglich ist ein Nerve nicht auf die Art elastisch,
wie es eine Schlagader ist; er zieht sich auch, wenn er
zerschnitten wird, wie eine Saite zurükke und man kann
auch nicht von ihm füglich sagen, daß er gedehnt gewe-
sen (m), indem sich alle Theile eines gedehnten Kör-

pers,
(f) KINNEIR. S. 25.
(g) LEEVWENHOECK
epist. physiol.
S. 311. BIDLOO
de nervis Exerc. 1. DUVER-
NOI
angef. Ort. S. 384. 385.
BILFINGER S. 386.
(h) Phil. transact. n. 424. de
motu muscul.
S. 30. Lect. 3. 4.
KINNEIR
S. 25. LAVTH.
(i) J. D. MAIOR Colleg.
med. cur. spec.
3.
(k) J. de HORNE de duct.
saliv. n.
6.
(l) MAYOW S. 390.
(m) GOHL. vom an Vorurth.
kranken Verstand.
S. 74. u. s. f.
GOELIKE läugnet, daß die Ner-
ven werch seyn, Sel. Franc. T. III.
n.
5. S. 39. PLINIVS verglei-
chet sie mit metallenen Saiten spi-
rit. anim.
S. 175. Jeder Nerve
ist weich, VIEVSSENS de
l' oreill.
S. 91.
VI. Abſchn. Die Nerven.

Wenn man den Nerven vorher von ſeinen faͤchri-
gen Banden losmacht, und alsdann erſt mitten durch-
ſchneidet, alsdenn zieht ſich der Nerve gar nicht zuruͤkke,
ſondern er wird vielmehr laͤnger, und es beruͤhren ſich
nicht nur ſeine zwei neben einander liegende Enden, ſon-
dern ſie liegen uͤberhaupt unter einander parallel. End-
lich ſo nehmen ſie nicht einmal ihre Kuͤrze wieder an,
wenn man ſie von einander zieht, ſondern ſie bleiben
vielmehr laͤnger [Spaltenumbruch] (f). Es iſt auch in dieſer Erſcheinung
der Grund eben derſelbe, indem naͤmlich das Mark ſelbſt,
welches aus den einzelnen ungemein kleinen Schnuͤren in
Geſtalt einer Halbkugel (g) heraustritt, dieſen kleinen
weiſſen Berg ausmacht. Jch habe dieſen Verſuch oft
angeſtellt, und es hat ihn vor mir der beruͤhmte Alexan-
der Stuart
(h) angegeben. Es ſind dieſes die klei-
nen Marktroͤpfchen, welche hervorquollen, als man den
Sehnerven druͤckte (i), und davon ruͤhrt das ſchwammi-
ge Fleiſch her, welches aus den zerſchnittenen Nerven
hervortritt [Spaltenumbruch] (k), und vielleicht koͤmt auch das druͤſenarti-
ge Gewaͤchſe daher, welches man an dem geſtochenen
Nerven eines Hundes bemerkte (l).

Folglich iſt ein Nerve nicht auf die Art elaſtiſch,
wie es eine Schlagader iſt; er zieht ſich auch, wenn er
zerſchnitten wird, wie eine Saite zuruͤkke und man kann
auch nicht von ihm fuͤglich ſagen, daß er gedehnt gewe-
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epiſt. phyſiol.
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angef. Ort. S. 384. 385.
BILFINGER S. 386.
(h) Phil. transact. n. 424. de
motu muſcul.
S. 30. Lect. 3. 4.
KINNEIR
S. 25. LAVTH.
(i) J. D. MAIOR Colleg.
med. cur. ſpec.
3.
(k) J. de HORNE de duct.
ſaliv. n.
6.
(l) MAYOW S. 390.
(m) GOHL. vom an Vorurth.
kranken Verſtand.
S. 74. u. ſ. f.
GOELIKE laͤugnet, daß die Ner-
ven werch ſeyn, Sel. Franc. T. III.
n.
5. S. 39. PLINIVS verglei-
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[303/0339] VI. Abſchn. Die Nerven. Wenn man den Nerven vorher von ſeinen faͤchri- gen Banden losmacht, und alsdann erſt mitten durch- ſchneidet, alsdenn zieht ſich der Nerve gar nicht zuruͤkke, ſondern er wird vielmehr laͤnger, und es beruͤhren ſich nicht nur ſeine zwei neben einander liegende Enden, ſon- dern ſie liegen uͤberhaupt unter einander parallel. End- lich ſo nehmen ſie nicht einmal ihre Kuͤrze wieder an, wenn man ſie von einander zieht, ſondern ſie bleiben vielmehr laͤnger (f). Es iſt auch in dieſer Erſcheinung der Grund eben derſelbe, indem naͤmlich das Mark ſelbſt, welches aus den einzelnen ungemein kleinen Schnuͤren in Geſtalt einer Halbkugel (g) heraustritt, dieſen kleinen weiſſen Berg ausmacht. Jch habe dieſen Verſuch oft angeſtellt, und es hat ihn vor mir der beruͤhmte Alexan- der Stuart (h) angegeben. Es ſind dieſes die klei- nen Marktroͤpfchen, welche hervorquollen, als man den Sehnerven druͤckte (i), und davon ruͤhrt das ſchwammi- ge Fleiſch her, welches aus den zerſchnittenen Nerven hervortritt (k), und vielleicht koͤmt auch das druͤſenarti- ge Gewaͤchſe daher, welches man an dem geſtochenen Nerven eines Hundes bemerkte (l). Folglich iſt ein Nerve nicht auf die Art elaſtiſch, wie es eine Schlagader iſt; er zieht ſich auch, wenn er zerſchnitten wird, wie eine Saite zuruͤkke und man kann auch nicht von ihm fuͤglich ſagen, daß er gedehnt gewe- ſen (m), indem ſich alle Theile eines gedehnten Koͤr- pers, (f) KINNEIR. S. 25. (g) LEEVWENHOECK epiſt. phyſiol. S. 311. BIDLOO de nervis Exerc. 1. DUVER- NOI angef. Ort. S. 384. 385. BILFINGER S. 386. (h) Phil. transact. n. 424. de motu muſcul. S. 30. Lect. 3. 4. KINNEIR S. 25. LAVTH. (i) J. D. MAIOR Colleg. med. cur. ſpec. 3. (k) J. de HORNE de duct. ſaliv. n. 6. (l) MAYOW S. 390. (m) GOHL. vom an Vorurth. kranken Verſtand. S. 74. u. ſ. f. GOELIKE laͤugnet, daß die Ner- ven werch ſeyn, Sel. Franc. T. III. n. 5. S. 39. PLINIVS verglei- chet ſie mit metallenen Saiten ſpi- rit. anim. S. 175. Jeder Nerve iſt weich, VIEVSSENS de l’ oreill. S. 91.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/339>, abgerufen am 28.03.2024.