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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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VII. Ab. Ersch. d. leb. Geh. Die Empfind.
pfindungen haben, in eine Art von Wuth [Spaltenumbruch] s, oder Ver-
zweifelung gesezzt, sie geben alle mögliche Zeichen von
ihren Schmerzen von sich, indem sie eine klägliche Stim-
me anfangen, das schmerzhafte Glied mit Gewalt ent-
reissen, aus allen Kräften davon zu kommen, und sich
vermittelst der Waffen zu beschützen suchen, welche ihnen
die Natur zu ihrer Nothwehr verliehen. Doch es erfolgt
auch bisweilen bei dem allergrösten Schmerzen der Tod
selbst t.

Jch habe diese Erscheinungen, welche so leicht kein
Mensch in Zweifel ziehen wird, und welche iedermann
durch einen allgemeinen Beifall für wahr annimmt, dem
ohngeachtet doch durch viele Versuche bestätiget. So
wird auch von dem Menschen, wenn man einen Nerven
unterbindet, ein heftiger Schmerz empfunden u. Es
erregte der Nerve an der Schienröhre ungemeine Schmer-
zen. Es stieg die Empfindung davon bis zu den Augen-
branen zur Mitte des Kopfs, zum Rücken hinauf, und
es erfolgte eine starke Ohnmacht darauf x. Es erfolgte
ein Krampf, als man einen Nerven mit einem Schwamm
voll kaltes Wassers berührte y. An einem abgebroche-
nen Zahne, und entblößten Nerven zeigten sich ausseror-
dentliche Zusälle z. Von eben dieser Ursache, näm-
lich den Zahnschmerzen, erfolgte eine Sprachlosigkeit und
Taubheit a. Von der Wunde und dem Unterbinden

eines
s Von dem gebundenen achten
und Ribbennerven G. v. Schwie-
ten
p.
255. von dem Schienbeinner-
ven exp. nostr. 174. von einem an-
dern Nerven exp. 39.
t Acad. Comm. Bonon. T. 3.
p.
290. und exp. 18. nach 18., oder
20. Stunden, da die Nerven des
achten Paars gebunden waren Vi-
eussens
tr. de les lig. p.
247. Am
andern Tage Brunn p. 7. 8. am
dritten Brunn p. 6. 7. am fünften
Brunn p. 3. Ein einziger lebendi-
ger Hund ist unter denen durchge-
[Spaltenumbruch] kommen, denen wir die grossen
Nerven gebunden hatten exp.
nostr.
190.
u Molinelli de aneurysm. obs.
2. u. 3. von dem zusammengeschnür-
ten Nerven kommen üble Zufälle
Eph. Nat. Cur. Vol. 10. app. p. 371.
x Simson musc. mot. p. 32.
y Emett. tentam. 2. p. 37.
z Fauchard Chir. dentiste T. 1.
p.
251. V. Rai Wisdom. of. God.
p.
286.
a Linder Act. societ. Vpsal 1724.
p.
536.
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VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind.
pfindungen haben, in eine Art von Wuth [Spaltenumbruch] s, oder Ver-
zweifelung geſezzt, ſie geben alle moͤgliche Zeichen von
ihren Schmerzen von ſich, indem ſie eine klaͤgliche Stim-
me anfangen, das ſchmerzhafte Glied mit Gewalt ent-
reiſſen, aus allen Kraͤften davon zu kommen, und ſich
vermittelſt der Waffen zu beſchuͤtzen ſuchen, welche ihnen
die Natur zu ihrer Nothwehr verliehen. Doch es erfolgt
auch bisweilen bei dem allergroͤſten Schmerzen der Tod
ſelbſt t.

Jch habe dieſe Erſcheinungen, welche ſo leicht kein
Menſch in Zweifel ziehen wird, und welche iedermann
durch einen allgemeinen Beifall fuͤr wahr annimmt, dem
ohngeachtet doch durch viele Verſuche beſtaͤtiget. So
wird auch von dem Menſchen, wenn man einen Nerven
unterbindet, ein heftiger Schmerz empfunden u. Es
erregte der Nerve an der Schienroͤhre ungemeine Schmer-
zen. Es ſtieg die Empfindung davon bis zu den Augen-
branen zur Mitte des Kopfs, zum Ruͤcken hinauf, und
es erfolgte eine ſtarke Ohnmacht darauf x. Es erfolgte
ein Krampf, als man einen Nerven mit einem Schwamm
voll kaltes Waſſers beruͤhrte y. An einem abgebroche-
nen Zahne, und entbloͤßten Nerven zeigten ſich auſſeror-
dentliche Zuſaͤlle z. Von eben dieſer Urſache, naͤm-
lich den Zahnſchmerzen, erfolgte eine Sprachloſigkeit und
Taubheit a. Von der Wunde und dem Unterbinden

eines
s Von dem gebundenen achten
und Ribbennerven G. v. Schwie-
ten
p.
255. von dem Schienbeinner-
ven exp. noſtr. 174. von einem an-
dern Nerven exp. 39.
t Acad. Comm. Bonon. T. 3.
p.
290. und exp. 18. nach 18., oder
20. Stunden, da die Nerven des
achten Paars gebunden waren Vi-
euſſens
tr. de les lig. p.
247. Am
andern Tage Brunn p. 7. 8. am
dritten Brunn p. 6. 7. am fuͤnften
Brunn p. 3. Ein einziger lebendi-
ger Hund iſt unter denen durchge-
[Spaltenumbruch] kommen, denen wir die groſſen
Nerven gebunden hatten exp.
noſtr.
190.
u Molinelli de aneuryſm. obſ.
2. u. 3. von dem zuſammengeſchnuͤr-
ten Nerven kommen uͤble Zufaͤlle
Eph. Nat. Cur. Vol. 10. app. p. 371.
x Simſon muſc. mot. p. 32.
y Emett. tentam. 2. p. 37.
z Fauchard Chir. dentiſte T. 1.
p.
251. V. Rai Wisdom. of. God.
p.
286.
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p.
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[423/0459] VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind. pfindungen haben, in eine Art von Wuth s, oder Ver- zweifelung geſezzt, ſie geben alle moͤgliche Zeichen von ihren Schmerzen von ſich, indem ſie eine klaͤgliche Stim- me anfangen, das ſchmerzhafte Glied mit Gewalt ent- reiſſen, aus allen Kraͤften davon zu kommen, und ſich vermittelſt der Waffen zu beſchuͤtzen ſuchen, welche ihnen die Natur zu ihrer Nothwehr verliehen. Doch es erfolgt auch bisweilen bei dem allergroͤſten Schmerzen der Tod ſelbſt t. Jch habe dieſe Erſcheinungen, welche ſo leicht kein Menſch in Zweifel ziehen wird, und welche iedermann durch einen allgemeinen Beifall fuͤr wahr annimmt, dem ohngeachtet doch durch viele Verſuche beſtaͤtiget. So wird auch von dem Menſchen, wenn man einen Nerven unterbindet, ein heftiger Schmerz empfunden u. Es erregte der Nerve an der Schienroͤhre ungemeine Schmer- zen. Es ſtieg die Empfindung davon bis zu den Augen- branen zur Mitte des Kopfs, zum Ruͤcken hinauf, und es erfolgte eine ſtarke Ohnmacht darauf x. Es erfolgte ein Krampf, als man einen Nerven mit einem Schwamm voll kaltes Waſſers beruͤhrte y. An einem abgebroche- nen Zahne, und entbloͤßten Nerven zeigten ſich auſſeror- dentliche Zuſaͤlle z. Von eben dieſer Urſache, naͤm- lich den Zahnſchmerzen, erfolgte eine Sprachloſigkeit und Taubheit a. Von der Wunde und dem Unterbinden eines s Von dem gebundenen achten und Ribbennerven G. v. Schwie- ten p. 255. von dem Schienbeinner- ven exp. noſtr. 174. von einem an- dern Nerven exp. 39. t Acad. Comm. Bonon. T. 3. p. 290. und exp. 18. nach 18., oder 20. Stunden, da die Nerven des achten Paars gebunden waren Vi- euſſens tr. de les lig. p. 247. Am andern Tage Brunn p. 7. 8. am dritten Brunn p. 6. 7. am fuͤnften Brunn p. 3. Ein einziger lebendi- ger Hund iſt unter denen durchge- kommen, denen wir die groſſen Nerven gebunden hatten exp. noſtr. 190. u Molinelli de aneuryſm. obſ. 2. u. 3. von dem zuſammengeſchnuͤr- ten Nerven kommen uͤble Zufaͤlle Eph. Nat. Cur. Vol. 10. app. p. 371. x Simſon muſc. mot. p. 32. y Emett. tentam. 2. p. 37. z Fauchard Chir. dentiſte T. 1. p. 251. V. Rai Wisdom. of. God. p. 286. a Linder Act. ſociet. Vpſal 1724. p. 536. D d 4

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/459>, abgerufen am 19.04.2024.