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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
§. 12.
Folglich sind die Lebensgeister nicht wäßrig,
eiweisartig.

Es folget demnach aus diesen Forderungssätzen, daß
die Lebensgeister, vor allen andern Eigenschaften nicht
dicke, sichtbar, oder von einem Wesen sein müssen, wel-
ches sich wie ein Eiweis verhält [Spaltenumbruch] h.

Dergleichen Saft glauben einige berümte Männer
in den Nerven gesehen zu haben, und es ist nichts wie-
dersinniges, daß aus den Schlagäderchen, welche zu
einem Nerven hinlaufen, ein zarter Dunst in die Fächer-
höhlungen dampfe, welche zwischen den Nervenschnüren
liegen [Spaltenumbruch] i, welcher zu einem Wasser oder Gallert werde,
wenn sich derselbe sammelt k.

Es ist aber dieser Saft zu der erstaunlichen Schnel-
ligkeit und Beweglichkeit, zu den Kräften, welche er in
krampfhaften und wahnwitzigen Personen auszuüben hat,
und die feinsten Wege im menschlicheu Körper zu durch-
laufen, überhaupt ungeschickt. Was man sonst vor eine
hidrostatische Entschuldignng, für einen dergleichen Saft
vorzubringen pflegt, so entschuldigt solche zwar die kleine
Kraft, allein sie erklärt doch die Geschwindigkeit nicht k*.

Man
h Eiweis ähnlich, Glisson c. 7.
n.
7. Träge und langsam, Ferret
in thes. par.
1737. Von der Dicke
des Eiweises, Charleton three Le-
ctur. p. 85. Malpigh. l. c.
und
Bellin l. c. wässrig, von langsamer
Art, Monroo nerv. p. 368. 371. 373.
Ein reiner Theil der Lymphe. Ber-
ger
natur. hum. p.
269 flüßiger
als die Limphe, zart und schlei-
mig. Kinneir p. 44. Aus der Lym-
phe wird in 21 Tagen der Lebens-
geist, Boerhaave praelect. II. p. 568.
Siehe auch den Georgi prop. 53.
&c. Schelhammer diss. XIII. n.
47.
der diese Materie von den Lebens-
geistern unterscheidet.
i Zwischen der harten Gehirn-
haut und dem Nerven befindet sich
ein Thau, III. Tronchin. colic.
pict. p.
127. Der Nervensaft ist in
Kapseln enthalten, Gorter chirurg.
p. 174. perspir. p. 52. 312. 517. &c.

Dieses sind die kleine Tropfen, die in
den Fächern der Nerven verschwin-
den, Commerc. Bonon. T. III. p. 282.
k Bartholin medic. poet. exp.
I. p.
4. aus verletzten Nerven.
k* Ein kleines Tröpfgen, wel-
ches aus einem sehr zarten Röhr-
gen, in eine grosse Flasche herab-
fällt, stößt ein grosses Gewicht aus
der Stelle, doch um desto langsa-
mer, ie kleiner das Röhrgen ist.
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
§. 12.
Folglich ſind die Lebensgeiſter nicht waͤßrig,
eiweisartig.

Es folget demnach aus dieſen Forderungsſaͤtzen, daß
die Lebensgeiſter, vor allen andern Eigenſchaften nicht
dicke, ſichtbar, oder von einem Weſen ſein muͤſſen, wel-
ches ſich wie ein Eiweis verhaͤlt [Spaltenumbruch] h.

Dergleichen Saft glauben einige beruͤmte Maͤnner
in den Nerven geſehen zu haben, und es iſt nichts wie-
derſinniges, daß aus den Schlagaͤderchen, welche zu
einem Nerven hinlaufen, ein zarter Dunſt in die Faͤcher-
hoͤhlungen dampfe, welche zwiſchen den Nervenſchnuͤren
liegen [Spaltenumbruch] i, welcher zu einem Waſſer oder Gallert werde,
wenn ſich derſelbe ſammelt k.

Es iſt aber dieſer Saft zu der erſtaunlichen Schnel-
ligkeit und Beweglichkeit, zu den Kraͤften, welche er in
krampfhaften und wahnwitzigen Perſonen auszuuͤben hat,
und die feinſten Wege im menſchlicheu Koͤrper zu durch-
laufen, uͤberhaupt ungeſchickt. Was man ſonſt vor eine
hidroſtatiſche Entſchuldignng, fuͤr einen dergleichen Saft
vorzubringen pflegt, ſo entſchuldigt ſolche zwar die kleine
Kraft, allein ſie erklaͤrt doch die Geſchwindigkeit nicht k*.

Man
h Eiweis aͤhnlich, Gliſſon c. 7.
n.
7. Traͤge und langſam, Ferret
in theſ. par.
1737. Von der Dicke
des Eiweiſes, Charleton three Le-
ctur. p. 85. Malpigh. l. c.
und
Bellin l. c. waͤſſrig, von langſamer
Art, Monroo nerv. p. 368. 371. 373.
Ein reiner Theil der Lymphe. Ber-
ger
natur. hum. p.
269 fluͤßiger
als die Limphe, zart und ſchlei-
mig. Kinneir p. 44. Aus der Lym-
phe wird in 21 Tagen der Lebens-
geiſt, Boerhaave praelect. II. p. 568.
Siehe auch den Georgi prop. 53.
&c. Schelhammer diſſ. XIII. n.
47.
der dieſe Materie von den Lebens-
geiſtern unterſcheidet.
i Zwiſchen der harten Gehirn-
haut und dem Nerven befindet ſich
ein Thau, III. Tronchin. colic.
pict. p.
127. Der Nervenſaft iſt in
Kapſeln enthalten, Gorter chirurg.
p. 174. perſpir. p. 52. 312. 517. &c.

Dieſes ſind die kleine Tropfen, die in
den Faͤchern der Nerven verſchwin-
den, Commerc. Bonon. T. III. p. 282.
k Bartholin medic. poet. exp.
I. p.
4. aus verletzten Nerven.
k* Ein kleines Troͤpfgen, wel-
ches aus einem ſehr zarten Roͤhr-
gen, in eine groſſe Flaſche herab-
faͤllt, ſtoͤßt ein groſſes Gewicht aus
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[588/0624] Das Gehirn und die Nerven. X. Buch. §. 12. Folglich ſind die Lebensgeiſter nicht waͤßrig, eiweisartig. Es folget demnach aus dieſen Forderungsſaͤtzen, daß die Lebensgeiſter, vor allen andern Eigenſchaften nicht dicke, ſichtbar, oder von einem Weſen ſein muͤſſen, wel- ches ſich wie ein Eiweis verhaͤlt h. Dergleichen Saft glauben einige beruͤmte Maͤnner in den Nerven geſehen zu haben, und es iſt nichts wie- derſinniges, daß aus den Schlagaͤderchen, welche zu einem Nerven hinlaufen, ein zarter Dunſt in die Faͤcher- hoͤhlungen dampfe, welche zwiſchen den Nervenſchnuͤren liegen i, welcher zu einem Waſſer oder Gallert werde, wenn ſich derſelbe ſammelt k. Es iſt aber dieſer Saft zu der erſtaunlichen Schnel- ligkeit und Beweglichkeit, zu den Kraͤften, welche er in krampfhaften und wahnwitzigen Perſonen auszuuͤben hat, und die feinſten Wege im menſchlicheu Koͤrper zu durch- laufen, uͤberhaupt ungeſchickt. Was man ſonſt vor eine hidroſtatiſche Entſchuldignng, fuͤr einen dergleichen Saft vorzubringen pflegt, ſo entſchuldigt ſolche zwar die kleine Kraft, allein ſie erklaͤrt doch die Geſchwindigkeit nicht k*. Man h Eiweis aͤhnlich, Gliſſon c. 7. n. 7. Traͤge und langſam, Ferret in theſ. par. 1737. Von der Dicke des Eiweiſes, Charleton three Le- ctur. p. 85. Malpigh. l. c. und Bellin l. c. waͤſſrig, von langſamer Art, Monroo nerv. p. 368. 371. 373. Ein reiner Theil der Lymphe. Ber- ger natur. hum. p. 269 fluͤßiger als die Limphe, zart und ſchlei- mig. Kinneir p. 44. Aus der Lym- phe wird in 21 Tagen der Lebens- geiſt, Boerhaave praelect. II. p. 568. Siehe auch den Georgi prop. 53. &c. Schelhammer diſſ. XIII. n. 47. der dieſe Materie von den Lebens- geiſtern unterſcheidet. i Zwiſchen der harten Gehirn- haut und dem Nerven befindet ſich ein Thau, III. Tronchin. colic. pict. p. 127. Der Nervenſaft iſt in Kapſeln enthalten, Gorter chirurg. p. 174. perſpir. p. 52. 312. 517. &c. Dieſes ſind die kleine Tropfen, die in den Faͤchern der Nerven verſchwin- den, Commerc. Bonon. T. III. p. 282. k Bartholin medic. poet. exp. I. p. 4. aus verletzten Nerven. k* Ein kleines Troͤpfgen, wel- ches aus einem ſehr zarten Roͤhr- gen, in eine groſſe Flaſche herab- faͤllt, ſtoͤßt ein groſſes Gewicht aus der Stelle, doch um deſto langſa- mer, ie kleiner das Roͤhrgen iſt.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/624>, abgerufen am 28.03.2024.