Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite

VIII. Abschnitt. Die Muthmassungen.
gen zum Empfinden gebracht zu werden, welches ferner
ungemein schnell wirke, subtiler sei, als daß es mit allen
Sinnen begriffen werden könne, doch aber, unsrer Mei-
nung nach, ein dickeres Element, als das Feuer, der
Aether, die elektrische Materie und die magnetische sei,
weil es nicht nur von Gefässen eingeschlossen, sondern
auch von Bändern aufgehalten werden kann, und daß
es sich offenbar aus unsern Speisen erzeugen und wieder
erzeugen lasse. Wir vermuthen aber dabei, daß kein
geringer Theil dieses flüßigen, aus dem herrschenden
Stammgeiste bestehe, von dem sich unsre Lebensgeister
vermehren, die Sinnen anstrengen, die Einbildungs-
kraft lebhafter machen, die Muskelkräfte verstärken,
und iede zu heftige Bewegung, ia die Sinnen selbst,
durch stinkende Dämpfe, und durch Opium schwächen
lassen.

Sie müssen ferner aus einer thierischen Materie
bestehen, welche die äusserste Subtilität erlangt hat,
indem von dieser, sonderlich die Kräfte der Muskeln ab-
hängen, indem fleischfräßige Thiere nicht nur wilder,
sondern auch stärker sind, wie man auch an denienigen
Völkern sieht, welche viel Fleisch essen, und die auch
andre, nach dem Beispiele der Engländer, an Leibesstär-
ke übertreffen. Menschen, die durch Krankheiten von
allen Kräften gekommen, erlangen aber auch vom Ge-
nusse derber Speisen ihre Kräfte und Stärke wieder.

Es müssen aber diese höchst bewegliche Stoffe eini-
germassen verdünnt sein, daß sie uns nicht in die Sinne
fallen. Und was hindert wohl, da wir nunmehr wissen,
daß das Licht vom Feuer unterschieden sei, daß von bei-
den die magnetische Materie unterschieden, daß von allen
diesen der Aether und die Luft unterschieden sei, zu sagen,
daß auch dieses ein besonderes Element, und blos durch
seine Wirkungen bekannt sei. Man hat es ohnlängst

mit
P p 4

VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
gen zum Empfinden gebracht zu werden, welches ferner
ungemein ſchnell wirke, ſubtiler ſei, als daß es mit allen
Sinnen begriffen werden koͤnne, doch aber, unſrer Mei-
nung nach, ein dickeres Element, als das Feuer, der
Aether, die elektriſche Materie und die magnetiſche ſei,
weil es nicht nur von Gefaͤſſen eingeſchloſſen, ſondern
auch von Baͤndern aufgehalten werden kann, und daß
es ſich offenbar aus unſern Speiſen erzeugen und wieder
erzeugen laſſe. Wir vermuthen aber dabei, daß kein
geringer Theil dieſes fluͤßigen, aus dem herrſchenden
Stammgeiſte beſtehe, von dem ſich unſre Lebensgeiſter
vermehren, die Sinnen anſtrengen, die Einbildungs-
kraft lebhafter machen, die Muskelkraͤfte verſtaͤrken,
und iede zu heftige Bewegung, ia die Sinnen ſelbſt,
durch ſtinkende Daͤmpfe, und durch Opium ſchwaͤchen
laſſen.

Sie muͤſſen ferner aus einer thieriſchen Materie
beſtehen, welche die aͤuſſerſte Subtilitaͤt erlangt hat,
indem von dieſer, ſonderlich die Kraͤfte der Muskeln ab-
haͤngen, indem fleiſchfraͤßige Thiere nicht nur wilder,
ſondern auch ſtaͤrker ſind, wie man auch an denienigen
Voͤlkern ſieht, welche viel Fleiſch eſſen, und die auch
andre, nach dem Beiſpiele der Englaͤnder, an Leibesſtaͤr-
ke uͤbertreffen. Menſchen, die durch Krankheiten von
allen Kraͤften gekommen, erlangen aber auch vom Ge-
nuſſe derber Speiſen ihre Kraͤfte und Staͤrke wieder.

Es muͤſſen aber dieſe hoͤchſt bewegliche Stoffe eini-
germaſſen verduͤnnt ſein, daß ſie uns nicht in die Sinne
fallen. Und was hindert wohl, da wir nunmehr wiſſen,
daß das Licht vom Feuer unterſchieden ſei, daß von bei-
den die magnetiſche Materie unterſchieden, daß von allen
dieſen der Aether und die Luft unterſchieden ſei, zu ſagen,
daß auch dieſes ein beſonderes Element, und blos durch
ſeine Wirkungen bekannt ſei. Man hat es ohnlaͤngſt

mit
P p 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0635" n="599"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Die Muthma&#x017F;&#x017F;ungen.</hi></fw><lb/>
gen zum Empfinden gebracht zu werden, welches ferner<lb/>
ungemein &#x017F;chnell wirke, &#x017F;ubtiler &#x017F;ei, als daß es mit allen<lb/>
Sinnen begriffen werden ko&#x0364;nne, doch aber, un&#x017F;rer Mei-<lb/>
nung nach, ein dickeres Element, als das Feuer, der<lb/>
Aether, die elektri&#x017F;che Materie und die magneti&#x017F;che &#x017F;ei,<lb/>
weil es nicht nur von Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern<lb/>
auch von Ba&#x0364;ndern aufgehalten werden kann, und daß<lb/>
es &#x017F;ich offenbar aus un&#x017F;ern Spei&#x017F;en erzeugen und wieder<lb/>
erzeugen la&#x017F;&#x017F;e. Wir vermuthen aber dabei, daß kein<lb/>
geringer Theil die&#x017F;es flu&#x0364;ßigen, aus dem herr&#x017F;chenden<lb/>
Stammgei&#x017F;te be&#x017F;tehe, von dem &#x017F;ich un&#x017F;re Lebensgei&#x017F;ter<lb/>
vermehren, die Sinnen an&#x017F;trengen, die Einbildungs-<lb/>
kraft lebhafter machen, die Muskelkra&#x0364;fte ver&#x017F;ta&#x0364;rken,<lb/>
und iede zu heftige Bewegung, ia die Sinnen &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
durch &#x017F;tinkende Da&#x0364;mpfe, und durch Opium &#x017F;chwa&#x0364;chen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ferner aus einer thieri&#x017F;chen Materie<lb/>
be&#x017F;tehen, welche die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te Subtilita&#x0364;t erlangt hat,<lb/>
indem von die&#x017F;er, &#x017F;onderlich die Kra&#x0364;fte der Muskeln ab-<lb/>
ha&#x0364;ngen, indem flei&#x017F;chfra&#x0364;ßige Thiere nicht nur wilder,<lb/>
&#x017F;ondern auch &#x017F;ta&#x0364;rker &#x017F;ind, wie man auch an denienigen<lb/>
Vo&#x0364;lkern &#x017F;ieht, welche viel Flei&#x017F;ch e&#x017F;&#x017F;en, und die auch<lb/>
andre, nach dem Bei&#x017F;piele der Engla&#x0364;nder, an Leibes&#x017F;ta&#x0364;r-<lb/>
ke u&#x0364;bertreffen. Men&#x017F;chen, die durch Krankheiten von<lb/>
allen Kra&#x0364;ften gekommen, erlangen aber auch vom Ge-<lb/>
nu&#x017F;&#x017F;e derber Spei&#x017F;en ihre Kra&#x0364;fte und Sta&#x0364;rke wieder.</p><lb/>
            <p>Es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aber die&#x017F;e ho&#x0364;ch&#x017F;t bewegliche Stoffe eini-<lb/>
germa&#x017F;&#x017F;en verdu&#x0364;nnt &#x017F;ein, daß &#x017F;ie uns nicht in die Sinne<lb/>
fallen. Und was hindert wohl, da wir nunmehr wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß das Licht vom Feuer unter&#x017F;chieden &#x017F;ei, daß von bei-<lb/>
den die magneti&#x017F;che Materie unter&#x017F;chieden, daß von allen<lb/>
die&#x017F;en der Aether und die Luft unter&#x017F;chieden &#x017F;ei, zu &#x017F;agen,<lb/>
daß auch die&#x017F;es ein be&#x017F;onderes Element, und blos durch<lb/>
&#x017F;eine Wirkungen bekannt &#x017F;ei. Man hat es ohnla&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P p 4</fw><fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[599/0635] VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen. gen zum Empfinden gebracht zu werden, welches ferner ungemein ſchnell wirke, ſubtiler ſei, als daß es mit allen Sinnen begriffen werden koͤnne, doch aber, unſrer Mei- nung nach, ein dickeres Element, als das Feuer, der Aether, die elektriſche Materie und die magnetiſche ſei, weil es nicht nur von Gefaͤſſen eingeſchloſſen, ſondern auch von Baͤndern aufgehalten werden kann, und daß es ſich offenbar aus unſern Speiſen erzeugen und wieder erzeugen laſſe. Wir vermuthen aber dabei, daß kein geringer Theil dieſes fluͤßigen, aus dem herrſchenden Stammgeiſte beſtehe, von dem ſich unſre Lebensgeiſter vermehren, die Sinnen anſtrengen, die Einbildungs- kraft lebhafter machen, die Muskelkraͤfte verſtaͤrken, und iede zu heftige Bewegung, ia die Sinnen ſelbſt, durch ſtinkende Daͤmpfe, und durch Opium ſchwaͤchen laſſen. Sie muͤſſen ferner aus einer thieriſchen Materie beſtehen, welche die aͤuſſerſte Subtilitaͤt erlangt hat, indem von dieſer, ſonderlich die Kraͤfte der Muskeln ab- haͤngen, indem fleiſchfraͤßige Thiere nicht nur wilder, ſondern auch ſtaͤrker ſind, wie man auch an denienigen Voͤlkern ſieht, welche viel Fleiſch eſſen, und die auch andre, nach dem Beiſpiele der Englaͤnder, an Leibesſtaͤr- ke uͤbertreffen. Menſchen, die durch Krankheiten von allen Kraͤften gekommen, erlangen aber auch vom Ge- nuſſe derber Speiſen ihre Kraͤfte und Staͤrke wieder. Es muͤſſen aber dieſe hoͤchſt bewegliche Stoffe eini- germaſſen verduͤnnt ſein, daß ſie uns nicht in die Sinne fallen. Und was hindert wohl, da wir nunmehr wiſſen, daß das Licht vom Feuer unterſchieden ſei, daß von bei- den die magnetiſche Materie unterſchieden, daß von allen dieſen der Aether und die Luft unterſchieden ſei, zu ſagen, daß auch dieſes ein beſonderes Element, und blos durch ſeine Wirkungen bekannt ſei. Man hat es ohnlaͤngſt mit P p 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/635
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/635>, abgerufen am 19.04.2024.