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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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VIII. Abschnitt. Die Muthmassungen.
ven zum voraus, theils werden sie in Bewegung gera-
then, und diese Bewegung wird von den Fortsetzen des
kleinen Gehirns weiter unterhalten werden. So wird
gegentheils, die vom grossen Gehirn veranstalltete
Ruhe, in den Nerven der Empfindung, oder des Will-
kührs, nicht Statt haben, weil die beigemischten Lebens-
röhrchen vom kleinen Gehirne zu wirken fortfahren.

Aus diesen, und andern Gründen haben sich die
größten Männer vor schuldig erachtet, diese zierliche
Theorie zu verlassen [Spaltenumbruch] c. Und es behauptet, selbst der
berümte Enkel des Börhaaven, Kaauw [Spaltenumbruch] d, daß die
Lebensgeister des grossen und kleinen Gehirns nicht von
einander unterschieden sind.

Folglich giebt es keine eigentliche Lebensnerven,
welche einzig und allein, oder doch vornämlich von dem
kleinen Gehirne entspringen sollten.

Wir könnten hier die Frage von der bewegenden
Gewalt der Seele vornehmen, allein sie scheint sich bes-
ser an den Ort zu schicken, wo wir die Versuche von der
Reitzbarkeit untersuchen wollen.

§. 22.
Ob die Lebensgeister der Sinne und der Bewegung
von einander unterschieden sind.

Es haben die Aerzte der ältesten Zeiten, die Ner-
ven noch auf eine andre Art unterscheiden wollen. Era-
sistratus
ließ dieienigen, welche vom grossen und klei-
nen Gehirne herkommen, der Bewegung vorgesetzt
sein e, hingegen leitete er die hohlen und die empfin-
dende von den Gehirnshäuten her.

Auf
c Senac. du coeur T. I. p. 430.
Tralles de opio p. 199. Zinn p. 33.
seqq. Car Fracassatus p. 293. & Sa-
muel Collins
p.
1034.
d Imp. faciens. n. 337.
e Apud Rufum L. II. p. 65.
Q q 3

VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
ven zum voraus, theils werden ſie in Bewegung gera-
then, und dieſe Bewegung wird von den Fortſetzen des
kleinen Gehirns weiter unterhalten werden. So wird
gegentheils, die vom groſſen Gehirn veranſtalltete
Ruhe, in den Nerven der Empfindung, oder des Will-
kuͤhrs, nicht Statt haben, weil die beigemiſchten Lebens-
roͤhrchen vom kleinen Gehirne zu wirken fortfahren.

Aus dieſen, und andern Gruͤnden haben ſich die
groͤßten Maͤnner vor ſchuldig erachtet, dieſe zierliche
Theorie zu verlaſſen [Spaltenumbruch] c. Und es behauptet, ſelbſt der
beruͤmte Enkel des Boͤrhaaven, Kaauw [Spaltenumbruch] d, daß die
Lebensgeiſter des groſſen und kleinen Gehirns nicht von
einander unterſchieden ſind.

Folglich giebt es keine eigentliche Lebensnerven,
welche einzig und allein, oder doch vornaͤmlich von dem
kleinen Gehirne entſpringen ſollten.

Wir koͤnnten hier die Frage von der bewegenden
Gewalt der Seele vornehmen, allein ſie ſcheint ſich beſ-
ſer an den Ort zu ſchicken, wo wir die Verſuche von der
Reitzbarkeit unterſuchen wollen.

§. 22.
Ob die Lebensgeiſter der Sinne und der Bewegung
von einander unterſchieden ſind.

Es haben die Aerzte der aͤlteſten Zeiten, die Ner-
ven noch auf eine andre Art unterſcheiden wollen. Era-
ſiſtratus
ließ dieienigen, welche vom groſſen und klei-
nen Gehirne herkommen, der Bewegung vorgeſetzt
ſein e, hingegen leitete er die hohlen und die empfin-
dende von den Gehirnshaͤuten her.

Auf
c Senac. du coeur T. I. p. 430.
Tralles de opio p. 199. Zinn p. 33.
ſeqq. Car Fracaſſatus p. 293. & Sa-
muel Collins
p.
1034.
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e Apud Rufum L. II. p. 65.
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[613/0649] VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen. ven zum voraus, theils werden ſie in Bewegung gera- then, und dieſe Bewegung wird von den Fortſetzen des kleinen Gehirns weiter unterhalten werden. So wird gegentheils, die vom groſſen Gehirn veranſtalltete Ruhe, in den Nerven der Empfindung, oder des Will- kuͤhrs, nicht Statt haben, weil die beigemiſchten Lebens- roͤhrchen vom kleinen Gehirne zu wirken fortfahren. Aus dieſen, und andern Gruͤnden haben ſich die groͤßten Maͤnner vor ſchuldig erachtet, dieſe zierliche Theorie zu verlaſſen c. Und es behauptet, ſelbſt der beruͤmte Enkel des Boͤrhaaven, Kaauw d, daß die Lebensgeiſter des groſſen und kleinen Gehirns nicht von einander unterſchieden ſind. Folglich giebt es keine eigentliche Lebensnerven, welche einzig und allein, oder doch vornaͤmlich von dem kleinen Gehirne entſpringen ſollten. Wir koͤnnten hier die Frage von der bewegenden Gewalt der Seele vornehmen, allein ſie ſcheint ſich beſ- ſer an den Ort zu ſchicken, wo wir die Verſuche von der Reitzbarkeit unterſuchen wollen. §. 22. Ob die Lebensgeiſter der Sinne und der Bewegung von einander unterſchieden ſind. Es haben die Aerzte der aͤlteſten Zeiten, die Ner- ven noch auf eine andre Art unterſcheiden wollen. Era- ſiſtratus ließ dieienigen, welche vom groſſen und klei- nen Gehirne herkommen, der Bewegung vorgeſetzt ſein e, hingegen leitete er die hohlen und die empfin- dende von den Gehirnshaͤuten her. Auf c Senac. du coeur T. I. p. 430. Tralles de opio p. 199. Zinn p. 33. ſeqq. Car Fracaſſatus p. 293. & Sa- muel Collins p. 1034. d Imp. faciens. n. 337. e Apud Rufum L. II. p. 65. Q q 3

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/649>, abgerufen am 24.04.2024.