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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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Die thierische Bewegung. XI. Buch.

Es trift sich auch, daß aus einem andern benach-
barten Muskel, sehnige oder fleischige Hülfsfasern zu ei-
ner Sehne hinlaufen. Und auf solche Art entstehen die
Sehnen der Fingerausstrecker, die zu beiden Seiten aus
den Zwischenknochenmuskeln, und dem wurmförmigen
zusammen gesetzt sind. Oft vereinigen sich die allergrö-
sten Muskeln, und zwar mehrere, in eine und eben die-
selbe Sehne, wie die Ausstrecker am Schienbeine, und
dem Ellbogen. Ja es ist nicht möglich, die Mannigfal-
tigkeiten der Natur zu erschöpfen.

Daß aber kein einziger einfacher Muskel sein
sollte [Spaltenumbruch] y, an dem die Sehnenfasern vom Anfange bis zum
Ende gerade weg gehen, scheint zu viel zu sein, ob sol-
ches gleich Lower beiahet, wie man an dem Muskel
des obern gezackten z, oder dem kleinen Rautenmuskel
ersehen kann a.

§. 20.
Die Scheiden der Sehnen.

Es laufen oft die Sehnen um die schmalen Enden
der rundlichen Gliedmaaßen krumm herum. Und hier hat
die Natur auf vielfache Weise für ihre Schadloshaltung
gesorgt. Sie hat nämlich die Knochen mit Furchen aus-
gehölt, welche sich für diese Sehnen schicken, sie hat diese
Furchen mit einem höchst glatten Knorpel überzogen b,
und folglich gemacht, daß sich die Sehnen über diesem
Knorpel, ohne alle Gefahr des Reibens, bewegen können.

Der-
y p. 19.
z Albin. T. 17. f. 16.
a Ibid. f. 24.
b De la Sone Mem. de l'Acad.
1752. p.
170. 171. Diese Knorpeln
läst er aus Fäden entstehen, welche
[Spaltenumbruch] gegen die Knochenfläche senkrecht
liegen. Ein Knorpel wiedersteht
dem Drukke am besten, denn da
ein Pulsadersakk sogar die Knochen
zerstöret hatte, so wiederstanden
ihm blos die Knorpeln der Ribben.
Obs. of a societ. at London p. 348.
Die thieriſche Bewegung. XI. Buch.

Es trift ſich auch, daß aus einem andern benach-
barten Muskel, ſehnige oder fleiſchige Huͤlfsfaſern zu ei-
ner Sehne hinlaufen. Und auf ſolche Art entſtehen die
Sehnen der Fingerausſtrecker, die zu beiden Seiten aus
den Zwiſchenknochenmuskeln, und dem wurmfoͤrmigen
zuſammen geſetzt ſind. Oft vereinigen ſich die allergroͤ-
ſten Muskeln, und zwar mehrere, in eine und eben die-
ſelbe Sehne, wie die Ausſtrecker am Schienbeine, und
dem Ellbogen. Ja es iſt nicht moͤglich, die Mannigfal-
tigkeiten der Natur zu erſchoͤpfen.

Daß aber kein einziger einfacher Muskel ſein
ſollte [Spaltenumbruch] y, an dem die Sehnenfaſern vom Anfange bis zum
Ende gerade weg gehen, ſcheint zu viel zu ſein, ob ſol-
ches gleich Lower beiahet, wie man an dem Muskel
des obern gezackten z, oder dem kleinen Rautenmuskel
erſehen kann a.

§. 20.
Die Scheiden der Sehnen.

Es laufen oft die Sehnen um die ſchmalen Enden
der rundlichen Gliedmaaßen krumm herum. Und hier hat
die Natur auf vielfache Weiſe fuͤr ihre Schadloshaltung
geſorgt. Sie hat naͤmlich die Knochen mit Furchen aus-
gehoͤlt, welche ſich fuͤr dieſe Sehnen ſchicken, ſie hat dieſe
Furchen mit einem hoͤchſt glatten Knorpel uͤberzogen b,
und folglich gemacht, daß ſich die Sehnen uͤber dieſem
Knorpel, ohne alle Gefahr des Reibens, bewegen koͤnnen.

Der-
y p. 19.
z Albin. T. 17. f. 16.
a Ibid. f. 24.
b De la Sone Mem. de l’Acad.
1752. p.
170. 171. Dieſe Knorpeln
laͤſt er aus Faͤden entſtehen, welche
[Spaltenumbruch] gegen die Knochenflaͤche ſenkrecht
liegen. Ein Knorpel wiederſteht
dem Drukke am beſten, denn da
ein Pulsaderſakk ſogar die Knochen
zerſtoͤret hatte, ſo wiederſtanden
ihm blos die Knorpeln der Ribben.
Obſ. of a ſociet. at London p. 348.
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[686/0722] Die thieriſche Bewegung. XI. Buch. Es trift ſich auch, daß aus einem andern benach- barten Muskel, ſehnige oder fleiſchige Huͤlfsfaſern zu ei- ner Sehne hinlaufen. Und auf ſolche Art entſtehen die Sehnen der Fingerausſtrecker, die zu beiden Seiten aus den Zwiſchenknochenmuskeln, und dem wurmfoͤrmigen zuſammen geſetzt ſind. Oft vereinigen ſich die allergroͤ- ſten Muskeln, und zwar mehrere, in eine und eben die- ſelbe Sehne, wie die Ausſtrecker am Schienbeine, und dem Ellbogen. Ja es iſt nicht moͤglich, die Mannigfal- tigkeiten der Natur zu erſchoͤpfen. Daß aber kein einziger einfacher Muskel ſein ſollte y, an dem die Sehnenfaſern vom Anfange bis zum Ende gerade weg gehen, ſcheint zu viel zu ſein, ob ſol- ches gleich Lower beiahet, wie man an dem Muskel des obern gezackten z, oder dem kleinen Rautenmuskel erſehen kann a. §. 20. Die Scheiden der Sehnen. Es laufen oft die Sehnen um die ſchmalen Enden der rundlichen Gliedmaaßen krumm herum. Und hier hat die Natur auf vielfache Weiſe fuͤr ihre Schadloshaltung geſorgt. Sie hat naͤmlich die Knochen mit Furchen aus- gehoͤlt, welche ſich fuͤr dieſe Sehnen ſchicken, ſie hat dieſe Furchen mit einem hoͤchſt glatten Knorpel uͤberzogen b, und folglich gemacht, daß ſich die Sehnen uͤber dieſem Knorpel, ohne alle Gefahr des Reibens, bewegen koͤnnen. Der- y p. 19. z Albin. T. 17. f. 16. a Ibid. f. 24. b De la Sone Mem. de l’Acad. 1752. p. 170. 171. Dieſe Knorpeln laͤſt er aus Faͤden entſtehen, welche gegen die Knochenflaͤche ſenkrecht liegen. Ein Knorpel wiederſteht dem Drukke am beſten, denn da ein Pulsaderſakk ſogar die Knochen zerſtoͤret hatte, ſo wiederſtanden ihm blos die Knorpeln der Ribben. Obſ. of a ſociet. at London p. 348.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/722>, abgerufen am 29.03.2024.