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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Der Verstand. XVII. Buch.
von Jahren, und von Jugend auf, ohne Hipothese be-
trachten, und genau und offenherzig eine Geschichte von
seiner eignen Seele schreiben wollte.

§. 2
Die Vorstellung geschicht im Gehirne.

Alle die uns bekannte fünf Sinnen, stimmen darin-
nen mit einander überein (a), daß ihr äusserster Nerve,
in dem Werkzeuge eines jeden Sinnes, von einem fühl-
baren Körper berührt wird: und dieses lässet sich vornäm-
lich durch das deutliche Exempel des Sehens, vermittelst
eines auf der Nezzhaut gezeichneten Gemähldes bestätigen.
Es mus aber diese Berührung des empfindenden Nervens
ihre Wirkung dergestalt, dem Gehirn mittheilen (b), daß
die Seele von diesem äussern Objecte gerühret werde. Es
ist nämlich gezeiget worden, daß die Seele blind sein kön-
ne, wenn das Auge gleich an sich gut ist (c), wofern der
Weg vom Auge ins Gehirn gehindert, oder die Gegend
des Gehirns übel beschaffen ist, zu der sich der Sehnerve
hin begiebt.

Darum kömmt aber nicht, das auf der Nezzhaut ab-
gezeichnete Bild, oder die inwendig im Ohre hervorge-
brachte Bebung des Schalls, oder der Geschmakk, der
die Zunge rühret, ins Gehirn. Die Sache ist im Se-
hen am deutlichsten, denn es kann das Bild durch den
langen und dunklen Weg zum Gehirne nicht durchgefüh-
ret werden, und es würde gleich hinter der Nezzhaut
schon ganz verworren gezeichnet werden (d), wenn gleich
der Sehnerve von allen Seiten durchsichtig wäre.

Was wird also, und wie wird es ins Gehirn über-
getragen? Wenn wir von den uns bekannten Empfindun-

gen
(a) [Spaltenumbruch] Alle Sinnen sind Arten des
Gefühles, nach dem BATHURST
praelect. p. 22. MONROO. nerv.
p. 375. DUVERNEY T. I. p. 314.
[Spaltenumbruch] BUFFON Histoire natur. T. III.
p.
353. 355.
(b) L. X. p. 296.
(c) pag. 297.
(d) L. XVI. p. 495.

Der Verſtand. XVII. Buch.
von Jahren, und von Jugend auf, ohne Hipotheſe be-
trachten, und genau und offenherzig eine Geſchichte von
ſeiner eignen Seele ſchreiben wollte.

§. 2
Die Vorſtellung geſchicht im Gehirne.

Alle die uns bekannte fuͤnf Sinnen, ſtimmen darin-
nen mit einander uͤberein (a), daß ihr aͤuſſerſter Nerve,
in dem Werkzeuge eines jeden Sinnes, von einem fuͤhl-
baren Koͤrper beruͤhrt wird: und dieſes laͤſſet ſich vornaͤm-
lich durch das deutliche Exempel des Sehens, vermittelſt
eines auf der Nezzhaut gezeichneten Gemaͤhldes beſtaͤtigen.
Es mus aber dieſe Beruͤhrung des empfindenden Nervens
ihre Wirkung dergeſtalt, dem Gehirn mittheilen (b), daß
die Seele von dieſem aͤuſſern Objecte geruͤhret werde. Es
iſt naͤmlich gezeiget worden, daß die Seele blind ſein koͤn-
ne, wenn das Auge gleich an ſich gut iſt (c), wofern der
Weg vom Auge ins Gehirn gehindert, oder die Gegend
des Gehirns uͤbel beſchaffen iſt, zu der ſich der Sehnerve
hin begiebt.

Darum koͤmmt aber nicht, das auf der Nezzhaut ab-
gezeichnete Bild, oder die inwendig im Ohre hervorge-
brachte Bebung des Schalls, oder der Geſchmakk, der
die Zunge ruͤhret, ins Gehirn. Die Sache iſt im Se-
hen am deutlichſten, denn es kann das Bild durch den
langen und dunklen Weg zum Gehirne nicht durchgefuͤh-
ret werden, und es wuͤrde gleich hinter der Nezzhaut
ſchon ganz verworren gezeichnet werden (d), wenn gleich
der Sehnerve von allen Seiten durchſichtig waͤre.

Was wird alſo, und wie wird es ins Gehirn uͤber-
getragen? Wenn wir von den uns bekannten Empfindun-

gen
(a) [Spaltenumbruch] Alle Sinnen ſind Arten des
Gefuͤhles, nach dem BATHURST
prælect. p. 22. MONROO. nerv.
p. 375. DUVERNEY T. I. p. 314.
[Spaltenumbruch] BUFFON Hiſtoire natur. T. III.
p.
353. 355.
(b) L. X. p. 296.
(c) pag. 297.
(d) L. XVI. p. 495.
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[1044/1062] Der Verſtand. XVII. Buch. von Jahren, und von Jugend auf, ohne Hipotheſe be- trachten, und genau und offenherzig eine Geſchichte von ſeiner eignen Seele ſchreiben wollte. §. 2 Die Vorſtellung geſchicht im Gehirne. Alle die uns bekannte fuͤnf Sinnen, ſtimmen darin- nen mit einander uͤberein (a), daß ihr aͤuſſerſter Nerve, in dem Werkzeuge eines jeden Sinnes, von einem fuͤhl- baren Koͤrper beruͤhrt wird: und dieſes laͤſſet ſich vornaͤm- lich durch das deutliche Exempel des Sehens, vermittelſt eines auf der Nezzhaut gezeichneten Gemaͤhldes beſtaͤtigen. Es mus aber dieſe Beruͤhrung des empfindenden Nervens ihre Wirkung dergeſtalt, dem Gehirn mittheilen (b), daß die Seele von dieſem aͤuſſern Objecte geruͤhret werde. Es iſt naͤmlich gezeiget worden, daß die Seele blind ſein koͤn- ne, wenn das Auge gleich an ſich gut iſt (c), wofern der Weg vom Auge ins Gehirn gehindert, oder die Gegend des Gehirns uͤbel beſchaffen iſt, zu der ſich der Sehnerve hin begiebt. Darum koͤmmt aber nicht, das auf der Nezzhaut ab- gezeichnete Bild, oder die inwendig im Ohre hervorge- brachte Bebung des Schalls, oder der Geſchmakk, der die Zunge ruͤhret, ins Gehirn. Die Sache iſt im Se- hen am deutlichſten, denn es kann das Bild durch den langen und dunklen Weg zum Gehirne nicht durchgefuͤh- ret werden, und es wuͤrde gleich hinter der Nezzhaut ſchon ganz verworren gezeichnet werden (d), wenn gleich der Sehnerve von allen Seiten durchſichtig waͤre. Was wird alſo, und wie wird es ins Gehirn uͤber- getragen? Wenn wir von den uns bekannten Empfindun- gen (a) Alle Sinnen ſind Arten des Gefuͤhles, nach dem BATHURST prælect. p. 22. MONROO. nerv. p. 375. DUVERNEY T. I. p. 314. BUFFON Hiſtoire natur. T. III. p. 353. 355. (b) L. X. p. 296. (c) pag. 297. (d) L. XVI. p. 495.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1044. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1062>, abgerufen am 19.04.2024.