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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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III. Abschnitt. Ursachen.
Glied an sich ziehe, wenn man in die Schlagader Wasser
einsprizzt (p). Andre behaupten dieses blos von kaltem
Wasser (p*).

Diesem kömmt die Theorie des berümten le Cat nahe,
welcher sich einbildet, daß die Schlagädergen in die Mus-
kelfächer eine dem Nervensafte änliche Limphe ausschütten
(p**), und daher wären Thiere aus dem Grunde stark,
weil sie bei wenigem Gehirne mehr Blut hätten.

§. 20.
Einwürfe gegen diese Hipotesen.

Es ist offenbar, daß man die Bewegung eines Muskels
nicht von dem blossen Triebe des Herzens, und von dem
häufig in den Muskel eindringenden Blute, herleiten
könne, da das Herz nicht vom Willen beherrscht wird (q),
die Muskeln aber nach Gefallen, entweder ruhen, oder in
Bewegung sind; und da man keine künstliche Erfindung
angiebt, wie in einem besondern Muskel das Blut, nach
einer andern Regel, als in andre sehr benachbarte Mus-
keln eindringt, welche aus einerlei Stamme ihr Blut em-
pfangen, und doch den vorigen entgegen handeln, wie sehr
oft geschicht. Es bekommen nämlich die ausstrekkende
Muskeln (r) des Ellbogens ihr Blut von den Schlag-
adern zwischen den Knochen her, welches Fortsäzze von der
Spindel und Ellbogenschlagader sind, von denen auch
die Beugemuskeln Aeste empfangen. Es ist auch die Bewe-
gung des Blutes viel träger, als die Bewegung der Mus-
keln (s) und die Kraft des Herzens viel zu schwach dazu

(s*)
(p) [Spaltenumbruch] VIEUSSENS nov. sy-
stem. p. 105. Le CATT Mem.
p. 162. BERTIER p.
309.
(p*) BOHN apud FORE-
STUM
de motu cordis. VATER
physiol. p.
18.
(p**) Mem. pag. 58.
(q) pag. 520. etc.
(r) [Spaltenumbruch] conf. Fasc. icon. anat. VI.
(s) Diss. sur le mecan. du mou-
vem. des muscl. p.
83. Daß es
sich bewege bis zu einem halben
Zolle, in einer Sekunde; ein
Muskel hingegen bis auf 2 Zolle;
allein, diese Geschwindigkeit ist
grösser. pag. 481. seqq.

III. Abſchnitt. Urſachen.
Glied an ſich ziehe, wenn man in die Schlagader Waſſer
einſprizzt (p). Andre behaupten dieſes blos von kaltem
Waſſer (p*).

Dieſem koͤmmt die Theorie des beruͤmten le Cat nahe,
welcher ſich einbildet, daß die Schlagaͤdergen in die Muſ-
kelfaͤcher eine dem Nervenſafte aͤnliche Limphe ausſchuͤtten
(p**), und daher waͤren Thiere aus dem Grunde ſtark,
weil ſie bei wenigem Gehirne mehr Blut haͤtten.

§. 20.
Einwuͤrfe gegen dieſe Hipoteſen.

Es iſt offenbar, daß man die Bewegung eines Muſkels
nicht von dem bloſſen Triebe des Herzens, und von dem
haͤufig in den Muſkel eindringenden Blute, herleiten
koͤnne, da das Herz nicht vom Willen beherrſcht wird (q),
die Muſkeln aber nach Gefallen, entweder ruhen, oder in
Bewegung ſind; und da man keine kuͤnſtliche Erfindung
angiebt, wie in einem beſondern Muſkel das Blut, nach
einer andern Regel, als in andre ſehr benachbarte Muſ-
keln eindringt, welche aus einerlei Stamme ihr Blut em-
pfangen, und doch den vorigen entgegen handeln, wie ſehr
oft geſchicht. Es bekommen naͤmlich die ausſtrekkende
Muſkeln (r) des Ellbogens ihr Blut von den Schlag-
adern zwiſchen den Knochen her, welches Fortſaͤzze von der
Spindel und Ellbogenſchlagader ſind, von denen auch
die Beugemuſkeln Aeſte empfangen. Es iſt auch die Bewe-
gung des Blutes viel traͤger, als die Bewegung der Muſ-
keln (s) und die Kraft des Herzens viel zu ſchwach dazu

(s*)
(p) [Spaltenumbruch] VIEUSSENS nov. ſy-
ſtem. p. 105. Le CATT Mem.
p. 162. BERTIER p.
309.
(p*) BOHN apud FORE-
STUM
de motu cordis. VATER
phyſiol. p.
18.
(p**) Mem. pag. 58.
(q) pag. 520. etc.
(r) [Spaltenumbruch] conf. Faſc. icon. anat. VI.
(s) Diſſ. ſur le mecan. du mou-
vem. des muſcl. p.
83. Daß es
ſich bewege bis zu einem halben
Zolle, in einer Sekunde; ein
Muſkel hingegen bis auf 2 Zolle;
allein, dieſe Geſchwindigkeit iſt
groͤſſer. pag. 481. ſeqq.
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[171/0189] III. Abſchnitt. Urſachen. Glied an ſich ziehe, wenn man in die Schlagader Waſſer einſprizzt (p). Andre behaupten dieſes blos von kaltem Waſſer (p*). Dieſem koͤmmt die Theorie des beruͤmten le Cat nahe, welcher ſich einbildet, daß die Schlagaͤdergen in die Muſ- kelfaͤcher eine dem Nervenſafte aͤnliche Limphe ausſchuͤtten (p**), und daher waͤren Thiere aus dem Grunde ſtark, weil ſie bei wenigem Gehirne mehr Blut haͤtten. §. 20. Einwuͤrfe gegen dieſe Hipoteſen. Es iſt offenbar, daß man die Bewegung eines Muſkels nicht von dem bloſſen Triebe des Herzens, und von dem haͤufig in den Muſkel eindringenden Blute, herleiten koͤnne, da das Herz nicht vom Willen beherrſcht wird (q), die Muſkeln aber nach Gefallen, entweder ruhen, oder in Bewegung ſind; und da man keine kuͤnſtliche Erfindung angiebt, wie in einem beſondern Muſkel das Blut, nach einer andern Regel, als in andre ſehr benachbarte Muſ- keln eindringt, welche aus einerlei Stamme ihr Blut em- pfangen, und doch den vorigen entgegen handeln, wie ſehr oft geſchicht. Es bekommen naͤmlich die ausſtrekkende Muſkeln (r) des Ellbogens ihr Blut von den Schlag- adern zwiſchen den Knochen her, welches Fortſaͤzze von der Spindel und Ellbogenſchlagader ſind, von denen auch die Beugemuſkeln Aeſte empfangen. Es iſt auch die Bewe- gung des Blutes viel traͤger, als die Bewegung der Muſ- keln (s) und die Kraft des Herzens viel zu ſchwach dazu (s*) (p) VIEUSSENS nov. ſy- ſtem. p. 105. Le CATT Mem. p. 162. BERTIER p. 309. (p*) BOHN apud FORE- STUM de motu cordis. VATER phyſiol. p. 18. (p**) Mem. pag. 58. (q) pag. 520. etc. (r) conf. Faſc. icon. anat. VI. (s) Diſſ. ſur le mecan. du mou- vem. des muſcl. p. 83. Daß es ſich bewege bis zu einem halben Zolle, in einer Sekunde; ein Muſkel hingegen bis auf 2 Zolle; allein, dieſe Geſchwindigkeit iſt groͤſſer. pag. 481. ſeqq.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/189>, abgerufen am 28.03.2024.