Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite




Dritter Abschnitt.
Speise und Trank.
§. 1.
Man mus sich diesen beiden Empfindungen
beqvemen.

Es würde eine unnötige Spizzfündigkeit sein, wenn
man Hunger und Durst anders, als einen Schmerz
betrachten wollte, oder wenn man einen besondern Sinn
(a) zu erdenken suchte, zu welchem beide gehören sollten.

Beide sind getreue Wegweiser der Natur (b), wenn
man sie für sich allein, und ohne Beimischung anderer
Jdeen anhört: und es ist nicht nötig, nach dem Gewich-
te (c), oder nach der unmerklichen Ausdünstung zu be-
rechnen, wie viel Narungsmittel man bedarf, denn der
noch übrige Hunger befielt uns schon, ob wir weiter essen,
und die gestillte Lust, daß wir aufhören sollen. Und so
wissen alle Thiere, ohne Lehrmeister, in ihren Speisen
Maas zu halten.

Ferner, da eben dieselben Ursachen den Durst hervor-
bringen, welche uns in die Notwendigkeit zu trinken sez-
zen, und dieses thut der Mangel an Feuchtigkeit (d), die
Schärfe der Säfte oder ihre Zähigkeit, so ist es billig,
daß durch einerlei Maas, theils die Absicht, warum man
trinkt, erhalten, theils dem Verlangen darnach ein Ende
gemacht wird. Wenn die Feuchtigkeit wieder ersezzt, die
Schärfe benommen, die Zähigkeit aufgelöst worden, so
hat man keine Ursache mehr, zu trinken; und so ist es

auch
(a) [Spaltenumbruch] GORTER es sei ein inner-
licher Geschmakk PERRAULT du
gout.
(b) [Spaltenumbruch] WAINEWRIGTH of meat.
p.
157.
(c) GORTER de fame p. 71 75.
(d) p. 180.




Dritter Abſchnitt.
Speiſe und Trank.
§. 1.
Man mus ſich dieſen beiden Empfindungen
beqvemen.

Es wuͤrde eine unnoͤtige Spizzfuͤndigkeit ſein, wenn
man Hunger und Durſt anders, als einen Schmerz
betrachten wollte, oder wenn man einen beſondern Sinn
(a) zu erdenken ſuchte, zu welchem beide gehoͤren ſollten.

Beide ſind getreue Wegweiſer der Natur (b), wenn
man ſie fuͤr ſich allein, und ohne Beimiſchung anderer
Jdeen anhoͤrt: und es iſt nicht noͤtig, nach dem Gewich-
te (c), oder nach der unmerklichen Ausduͤnſtung zu be-
rechnen, wie viel Narungsmittel man bedarf, denn der
noch uͤbrige Hunger befielt uns ſchon, ob wir weiter eſſen,
und die geſtillte Luſt, daß wir aufhoͤren ſollen. Und ſo
wiſſen alle Thiere, ohne Lehrmeiſter, in ihren Speiſen
Maas zu halten.

Ferner, da eben dieſelben Urſachen den Durſt hervor-
bringen, welche uns in die Notwendigkeit zu trinken ſez-
zen, und dieſes thut der Mangel an Feuchtigkeit (d), die
Schaͤrfe der Saͤfte oder ihre Zaͤhigkeit, ſo iſt es billig,
daß durch einerlei Maas, theils die Abſicht, warum man
trinkt, erhalten, theils dem Verlangen darnach ein Ende
gemacht wird. Wenn die Feuchtigkeit wieder erſezzt, die
Schaͤrfe benommen, die Zaͤhigkeit aufgeloͤſt worden, ſo
hat man keine Urſache mehr, zu trinken; und ſo iſt es

auch
(a) [Spaltenumbruch] GORTER es ſei ein inner-
licher Geſchmakk PERRAULT du
gout.
(b) [Spaltenumbruch] WAINEWRIGTH of meat.
p.
157.
(c) GORTER de fame p. 71 75.
(d) p. 180.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0305" n="269[285]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Dritter Ab&#x017F;chnitt.<lb/>
Spei&#x017F;e und Trank.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">§. 1.<lb/>
Man mus &#x017F;ich die&#x017F;en beiden Empfindungen<lb/>
beqvemen.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">E</hi>s wu&#x0364;rde eine unno&#x0364;tige Spizzfu&#x0364;ndigkeit &#x017F;ein, wenn<lb/>
man Hunger und Dur&#x017F;t anders, als einen Schmerz<lb/>
betrachten wollte, oder wenn man einen be&#x017F;ondern Sinn<lb/><note place="foot" n="(a)"><cb/><hi rendition="#aq">GORTER</hi> es &#x017F;ei ein inner-<lb/>
licher Ge&#x017F;chmakk <hi rendition="#aq">PERRAULT du<lb/>
gout.</hi></note> zu erdenken &#x017F;uchte, zu welchem beide geho&#x0364;ren &#x017F;ollten.</p><lb/>
            <p>Beide &#x017F;ind getreue Wegwei&#x017F;er der Natur <note place="foot" n="(b)"><cb/><hi rendition="#aq">WAINEWRIGTH of meat.<lb/>
p.</hi> 157.</note>, wenn<lb/>
man &#x017F;ie fu&#x0364;r &#x017F;ich allein, und ohne Beimi&#x017F;chung anderer<lb/>
Jdeen anho&#x0364;rt: und es i&#x017F;t nicht no&#x0364;tig, nach dem Gewich-<lb/>
te <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">GORTER de fame p.</hi> 71 75.</note>, oder nach der unmerklichen Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung zu be-<lb/>
rechnen, wie viel Narungsmittel man bedarf, denn der<lb/>
noch u&#x0364;brige Hunger befielt uns &#x017F;chon, ob wir weiter e&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und die ge&#x017F;tillte Lu&#x017F;t, daß wir aufho&#x0364;ren &#x017F;ollen. Und &#x017F;o<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en alle Thiere, ohne Lehrmei&#x017F;ter, in ihren Spei&#x017F;en<lb/>
Maas zu halten.</p><lb/>
            <p>Ferner, da eben die&#x017F;elben Ur&#x017F;achen den Dur&#x017F;t hervor-<lb/>
bringen, welche uns in die Notwendigkeit zu trinken &#x017F;ez-<lb/>
zen, und die&#x017F;es thut der Mangel an Feuchtigkeit <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 180.</note>, die<lb/>
Scha&#x0364;rfe der Sa&#x0364;fte oder ihre Za&#x0364;higkeit, &#x017F;o i&#x017F;t es billig,<lb/>
daß durch einerlei Maas, theils die Ab&#x017F;icht, warum man<lb/>
trinkt, erhalten, theils dem Verlangen darnach ein Ende<lb/>
gemacht wird. Wenn die Feuchtigkeit wieder er&#x017F;ezzt, die<lb/>
Scha&#x0364;rfe benommen, die Za&#x0364;higkeit aufgelo&#x0364;&#x017F;t worden, &#x017F;o<lb/>
hat man keine Ur&#x017F;ache mehr, zu trinken; und &#x017F;o i&#x017F;t es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269[285]/0305] Dritter Abſchnitt. Speiſe und Trank. §. 1. Man mus ſich dieſen beiden Empfindungen beqvemen. Es wuͤrde eine unnoͤtige Spizzfuͤndigkeit ſein, wenn man Hunger und Durſt anders, als einen Schmerz betrachten wollte, oder wenn man einen beſondern Sinn (a) zu erdenken ſuchte, zu welchem beide gehoͤren ſollten. Beide ſind getreue Wegweiſer der Natur (b), wenn man ſie fuͤr ſich allein, und ohne Beimiſchung anderer Jdeen anhoͤrt: und es iſt nicht noͤtig, nach dem Gewich- te (c), oder nach der unmerklichen Ausduͤnſtung zu be- rechnen, wie viel Narungsmittel man bedarf, denn der noch uͤbrige Hunger befielt uns ſchon, ob wir weiter eſſen, und die geſtillte Luſt, daß wir aufhoͤren ſollen. Und ſo wiſſen alle Thiere, ohne Lehrmeiſter, in ihren Speiſen Maas zu halten. Ferner, da eben dieſelben Urſachen den Durſt hervor- bringen, welche uns in die Notwendigkeit zu trinken ſez- zen, und dieſes thut der Mangel an Feuchtigkeit (d), die Schaͤrfe der Saͤfte oder ihre Zaͤhigkeit, ſo iſt es billig, daß durch einerlei Maas, theils die Abſicht, warum man trinkt, erhalten, theils dem Verlangen darnach ein Ende gemacht wird. Wenn die Feuchtigkeit wieder erſezzt, die Schaͤrfe benommen, die Zaͤhigkeit aufgeloͤſt worden, ſo hat man keine Urſache mehr, zu trinken; und ſo iſt es auch (a) GORTER es ſei ein inner- licher Geſchmakk PERRAULT du gout. (b) WAINEWRIGTH of meat. p. 157. (c) GORTER de fame p. 71 75. (d) p. 180.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/305
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 269[285]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/305>, abgerufen am 19.04.2024.