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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

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III. Abschnitt. Speise und Trank.
§. 7.
Der Nuzzen vom Fleischessen.

Es ist kein Zweifel, daß nicht im Fleische viel nären-
des stekken, und daß es nicht Säfte enthalten sollte (a),
die den unsrigen ganz änlich wären. Es ist der Gallert
in den Fasern des Kalbfleisches fast gar nicht von dem
Flieswasser im Menschenblute unterschieden: sein Fert
gar nicht von unserm Fette, und die Milch fast in nichts
von unsrer verschieden. Damit sich also die Säfte der
Thiere in die unsrige verwandeln mögen, brauchen sie blos
herausgezogen und in uns gebracht zu werden. Auch
der Gallert wird aus dem Fleische der vierfüßigen Thiere
fester und dichter im Geliefern, und es ist alles dasjeni-
ge, was aus den Thieren kömmt, weniger wäßrig.

Daher bekommen wir von solchem Narungsmittel
eine grössere Stärke (b). Es hängt die Stärke nämlich
von der Ersezzung dessen ab, was wir verloren hatten, so
wie von der Menge der roten Blutkügelchen, und von
der Zähigkeit des Leims in den Fasern.

Die fleischfressenden Thiere selbst besizzen schon ihrer
Natur nach mehr Kräfte. Wir haben auch erwänt,
daß die fleischfressende Vögel von einem lebhaften Mute
beseelt werden (c), und die Adler wechseln ihre Schnä-
bel. Doch es geht dieses schon zu weit, und das Exem-
pel der Papagaien widerlegt es, da man aus Erfarungen
weis, daß dieser Vogel, der von Früchten lebt, unter al-
len mit Zuverläßigkeit bekannten Vögeln der munterste ist.

Es ist also nichts ungewönliches, daß ganze Völker,
sonderlich die dem Jagen nachgehen, von Fleisch gelebt

haben;
(a) [Spaltenumbruch] Wiederholet Mem. de l'A-
cad.
1730.
(b) WAINEWRIGTH of meat.
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]. 190. CASTELLAN de carnium
esu L. I. c. 2. ROBINSON Oeco-
[Spaltenumbruch] nom. p. 314. add. LUDWIG vict.
anim.
(c) Fr. BACO hist. vit. & mort.
p.
82.
III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
§. 7.
Der Nuzzen vom Fleiſcheſſen.

Es iſt kein Zweifel, daß nicht im Fleiſche viel naͤren-
des ſtekken, und daß es nicht Saͤfte enthalten ſollte (a),
die den unſrigen ganz aͤnlich waͤren. Es iſt der Gallert
in den Faſern des Kalbfleiſches faſt gar nicht von dem
Flieswaſſer im Menſchenblute unterſchieden: ſein Fert
gar nicht von unſerm Fette, und die Milch faſt in nichts
von unſrer verſchieden. Damit ſich alſo die Saͤfte der
Thiere in die unſrige verwandeln moͤgen, brauchen ſie blos
herausgezogen und in uns gebracht zu werden. Auch
der Gallert wird aus dem Fleiſche der vierfuͤßigen Thiere
feſter und dichter im Geliefern, und es iſt alles dasjeni-
ge, was aus den Thieren koͤmmt, weniger waͤßrig.

Daher bekommen wir von ſolchem Narungsmittel
eine groͤſſere Staͤrke (b). Es haͤngt die Staͤrke naͤmlich
von der Erſezzung deſſen ab, was wir verloren hatten, ſo
wie von der Menge der roten Blutkuͤgelchen, und von
der Zaͤhigkeit des Leims in den Faſern.

Die fleiſchfreſſenden Thiere ſelbſt beſizzen ſchon ihrer
Natur nach mehr Kraͤfte. Wir haben auch erwaͤnt,
daß die fleiſchfreſſende Voͤgel von einem lebhaften Mute
beſeelt werden (c), und die Adler wechſeln ihre Schnaͤ-
bel. Doch es geht dieſes ſchon zu weit, und das Exem-
pel der Papagaien widerlegt es, da man aus Erfarungen
weis, daß dieſer Vogel, der von Fruͤchten lebt, unter al-
len mit Zuverlaͤßigkeit bekannten Voͤgeln der munterſte iſt.

Es iſt alſo nichts ungewoͤnliches, daß ganze Voͤlker,
ſonderlich die dem Jagen nachgehen, von Fleiſch gelebt

haben;
(a) [Spaltenumbruch] Wiederholet Mém. de l’A-
cad.
1730.
(b) WAINEWRIGTH of meat.
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]. 190. CASTELLAN de carnium
eſu L. I. c. 2. ROBINSON Oeco-
[Spaltenumbruch] nom. p. 314. add. LUDWIG vict.
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82.
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[299[315]/0335] III. Abſchnitt. Speiſe und Trank. §. 7. Der Nuzzen vom Fleiſcheſſen. Es iſt kein Zweifel, daß nicht im Fleiſche viel naͤren- des ſtekken, und daß es nicht Saͤfte enthalten ſollte (a), die den unſrigen ganz aͤnlich waͤren. Es iſt der Gallert in den Faſern des Kalbfleiſches faſt gar nicht von dem Flieswaſſer im Menſchenblute unterſchieden: ſein Fert gar nicht von unſerm Fette, und die Milch faſt in nichts von unſrer verſchieden. Damit ſich alſo die Saͤfte der Thiere in die unſrige verwandeln moͤgen, brauchen ſie blos herausgezogen und in uns gebracht zu werden. Auch der Gallert wird aus dem Fleiſche der vierfuͤßigen Thiere feſter und dichter im Geliefern, und es iſt alles dasjeni- ge, was aus den Thieren koͤmmt, weniger waͤßrig. Daher bekommen wir von ſolchem Narungsmittel eine groͤſſere Staͤrke (b). Es haͤngt die Staͤrke naͤmlich von der Erſezzung deſſen ab, was wir verloren hatten, ſo wie von der Menge der roten Blutkuͤgelchen, und von der Zaͤhigkeit des Leims in den Faſern. Die fleiſchfreſſenden Thiere ſelbſt beſizzen ſchon ihrer Natur nach mehr Kraͤfte. Wir haben auch erwaͤnt, daß die fleiſchfreſſende Voͤgel von einem lebhaften Mute beſeelt werden (c), und die Adler wechſeln ihre Schnaͤ- bel. Doch es geht dieſes ſchon zu weit, und das Exem- pel der Papagaien widerlegt es, da man aus Erfarungen weis, daß dieſer Vogel, der von Fruͤchten lebt, unter al- len mit Zuverlaͤßigkeit bekannten Voͤgeln der munterſte iſt. Es iſt alſo nichts ungewoͤnliches, daß ganze Voͤlker, ſonderlich die dem Jagen nachgehen, von Fleiſch gelebt haben; (a) Wiederholet Mém. de l’A- cad. 1730. (b) WAINEWRIGTH of meat. _. 190. CASTELLAN de carnium eſu L. I. c. 2. ROBINSON Oeco- nom. p. 314. add. LUDWIG vict. anim. (c) Fr. BACO hiſt. vit. & mort. p. 82.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 299[315]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/335>, abgerufen am 19.04.2024.