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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

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Die Milz. XXI. Buch.
§. 5.
Das Herausreissen der Milz.

Jch verstehe es nicht, warum die Alten von dem
Herausreissen der Milz, mehr, als von irgend einem
andern Eingeweide Erwänung thun, und wie es gekom-
men, daß die Zerleger schon vorlängst bei diesem einzi-
gen Probeschnitte (a) auch an Menschen Körpern, ihre
Verwegenheit bewiesen (b) haben?

Vielleicht ist der Schmerz daran Ursache gewesen,
den die Menschen, in der Biegung des Grimmdarms,
die nahe an der Milz liegt, empfinden, denn diesen hat
man schon in alten Zeiten auf die Rechnung der Milz
geschrieben.

Wiederum sollte man glauben, daß wofern die Milz
bei der Verdauung der Speisen etwas zu sagen hat, daß
diese Verdauung abnehmen müsse, sobald man die Milz
herrausreist, oder daß sie allerdings aufhören werde:
daß folglich der Nachtheil, den ein Thier davon leidet,
so gros, als der ganze Nuzzen sei, welchen die Milz
wirklich leistet.

Auch auf solche Art ist man nicht so weit gekommen,
als man wohl hoffen konnte. So viel lernte man wohl,
daß man die Milz aus Menschen (c) und vierfüßigen

Thie-
(a) [Spaltenumbruch] Thiere leben bei ausgeschnitt-
ner Milz PLIN. L. XI. c. 30.
Nach Ausschneidung der Milz
könne man leben. Talmudista bei
dem GINZBURGER medic. Tal-
mud. p.
11.
(b) bei Leon FIORAVANTI
tesoro della vita umana L. II. c.
8.
An einer Frau verrichtete den ver-
wegnen Schnitt Adrianus ZAC-
CARELLA,
und sonderte sie vom
Nezze.
(c) FIORAVANTI l. c. an ei-
[Spaltenumbruch] ner schönen Frau. Die durch die
Wunde ragende Milz glükklich aus-
geschnitten Eph. Nat Cur. Dec. II.
ann. 3. obs
195. und HOME
facts P. III
und Phil. trans. n. 451.
Einem Menschen, bei dem die
Milz durch einen Spalt von selbst
trat, ohne Schaden ansgenommen
FANTON ad MANGET Epist. I.
und VI. Hipochondristen glükklich
herausgeschnitten, sahe G. BAU-
HIN theatr. p.
143.
Die Milz. XXI. Buch.
§. 5.
Das Herausreiſſen der Milz.

Jch verſtehe es nicht, warum die Alten von dem
Herausreiſſen der Milz, mehr, als von irgend einem
andern Eingeweide Erwaͤnung thun, und wie es gekom-
men, daß die Zerleger ſchon vorlaͤngſt bei dieſem einzi-
gen Probeſchnitte (a) auch an Menſchen Koͤrpern, ihre
Verwegenheit bewieſen (b) haben?

Vielleicht iſt der Schmerz daran Urſache geweſen,
den die Menſchen, in der Biegung des Grimmdarms,
die nahe an der Milz liegt, empfinden, denn dieſen hat
man ſchon in alten Zeiten auf die Rechnung der Milz
geſchrieben.

Wiederum ſollte man glauben, daß wofern die Milz
bei der Verdauung der Speiſen etwas zu ſagen hat, daß
dieſe Verdauung abnehmen muͤſſe, ſobald man die Milz
herrausreiſt, oder daß ſie allerdings aufhoͤren werde:
daß folglich der Nachtheil, den ein Thier davon leidet,
ſo gros, als der ganze Nuzzen ſei, welchen die Milz
wirklich leiſtet.

Auch auf ſolche Art iſt man nicht ſo weit gekommen,
als man wohl hoffen konnte. So viel lernte man wohl,
daß man die Milz aus Menſchen (c) und vierfuͤßigen

Thie-
(a) [Spaltenumbruch] Thiere leben bei ausgeſchnitt-
ner Milz PLIN. L. XI. c. 30.
Nach Ausſchneidung der Milz
koͤnne man leben. Talmudiſta bei
dem GINZBURGER medic. Tal-
mud. p.
11.
(b) bei Leon FIORAVANTI
teſoro della vita umana L. II. c.
8.
An einer Frau verrichtete den ver-
wegnen Schnitt Adrianus ZAC-
CARELLA,
und ſonderte ſie vom
Nezze.
(c) FIORAVANTI l. c. an ei-
[Spaltenumbruch] ner ſchoͤnen Frau. Die durch die
Wunde ragende Milz gluͤkklich aus-
geſchnitten Eph. Nat Cur. Dec. II.
ann. 3. obſ
195. und HOME
facts P. III
und Phil. tranſ. n. 451.
Einem Menſchen, bei dem die
Milz durch einen Spalt von ſelbſt
trat, ohne Schaden ansgenommen
FANTON ad MANGET Epiſt. I.
und VI. Hipochondriſten gluͤkklich
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HIN theatr. p.
143.
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[614[630]/0650] Die Milz. XXI. Buch. §. 5. Das Herausreiſſen der Milz. Jch verſtehe es nicht, warum die Alten von dem Herausreiſſen der Milz, mehr, als von irgend einem andern Eingeweide Erwaͤnung thun, und wie es gekom- men, daß die Zerleger ſchon vorlaͤngſt bei dieſem einzi- gen Probeſchnitte (a) auch an Menſchen Koͤrpern, ihre Verwegenheit bewieſen (b) haben? Vielleicht iſt der Schmerz daran Urſache geweſen, den die Menſchen, in der Biegung des Grimmdarms, die nahe an der Milz liegt, empfinden, denn dieſen hat man ſchon in alten Zeiten auf die Rechnung der Milz geſchrieben. Wiederum ſollte man glauben, daß wofern die Milz bei der Verdauung der Speiſen etwas zu ſagen hat, daß dieſe Verdauung abnehmen muͤſſe, ſobald man die Milz herrausreiſt, oder daß ſie allerdings aufhoͤren werde: daß folglich der Nachtheil, den ein Thier davon leidet, ſo gros, als der ganze Nuzzen ſei, welchen die Milz wirklich leiſtet. Auch auf ſolche Art iſt man nicht ſo weit gekommen, als man wohl hoffen konnte. So viel lernte man wohl, daß man die Milz aus Menſchen (c) und vierfuͤßigen Thie- (a) Thiere leben bei ausgeſchnitt- ner Milz PLIN. L. XI. c. 30. Nach Ausſchneidung der Milz koͤnne man leben. Talmudiſta bei dem GINZBURGER medic. Tal- mud. p. 11. (b) bei Leon FIORAVANTI teſoro della vita umana L. II. c. 8. An einer Frau verrichtete den ver- wegnen Schnitt Adrianus ZAC- CARELLA, und ſonderte ſie vom Nezze. (c) FIORAVANTI l. c. an ei- ner ſchoͤnen Frau. Die durch die Wunde ragende Milz gluͤkklich aus- geſchnitten Eph. Nat Cur. Dec. II. ann. 3. obſ 195. und HOME facts P. III und Phil. tranſ. n. 451. Einem Menſchen, bei dem die Milz durch einen Spalt von ſelbſt trat, ohne Schaden ansgenommen FANTON ad MANGET Epiſt. I. und VI. Hipochondriſten gluͤkklich herausgeſchnitten, ſahe G. BAU- HIN theatr. p. 143.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 614[630]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/650>, abgerufen am 25.04.2024.