Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Abschn. die der Harn nimmt.
Entzündung des Mastdarms(f), von einem Abcesse
zwischen dem Mastdarme und der Scheide (g), von feste
stekkenden Steinen (h), von einer blossen Lähmung, und
zu starker Ausdehnung (h*), von einem Nervenreize (h+).
Man weis, daß die von einem dikken Vorsteher, zusam-
men gedrükkte Harnröhre geborsten ist (i).

Ob nun gleich der Harn durch die Harnröhre seinen
natürlichen Ausgang findet, so ist dieses doch nicht be-
ständig so. Es verhält sich nämlich der Urm im Men-
schen, und in den vierfüßigen Thieren, einige, ziemlich
merkliche Zeit über, in der Blase, und er fließt daraus
nicht, so lange der Mensch, oder das Thier, gesund ist,
jemals von freien Stükken fort. Nach diesem Verwei-
len wird der Urin von der Kraft der Seele, welche den
Schmerz, und die Unbequemlichkeit nicht länger ausste-
hen kann, nach unsrem Willkühr, durch Anwendung
einiger Muskelkraft, aus der Blase fortgetrieben. Es
frägt sich, warum der Urin, da doch beständig von der
Niere neuer zufließt, nicht so gleich, als er in die Blase
kömmt, weiter fortgeht?

Jch übergehe hier das willkürliche Verengern, ver-
mittelst dessen man den bereits strömenden Urin, nach un-
sern Belieben, forttreibet, und auch dem heftigen Rei-
ze Widerstand thut. Es rühret diese Kraft offenbar von
dem andern Muskel der männlichen Ruthe her, welcher,
indem er auf die Zwiebel der Harnröhre drükkt, alle Ge-
meinschaft zwischen der Blase und der disseitigen Harn-
röhre hemmt. Es frägt sich, welches die beständige Ur-
sache sei, welche, ohne daß wir darauf acht geben, und

wenn
(f) [Spaltenumbruch] MOVRIK. de ischuria.
(g) Eph. Nat. Cur. Dec. I. ann.
3. obs.
167.
(h) BARTHOLIN. Cent. III.
hist. 35. &c.
(h*) p. 323.
(h+) p. 388. davon verhielt sich
[Spaltenumbruch] der Urin acht Tage, nachdem er
Arsenik gegessen. SAUVAGES. no-
solog. V. p
123. 124. von Krähen-
augen HILLEFELD. p. 4. a tetano.
p.
388.
(i) HEUERMAN. T. IV. p. 103.
O o 3

IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
Entzuͤndung des Maſtdarms(f), von einem Abceſſe
zwiſchen dem Maſtdarme und der Scheide (g), von feſte
ſtekkenden Steinen (h), von einer bloſſen Laͤhmung, und
zu ſtarker Ausdehnung (h*), von einem Nervenreize (h†).
Man weis, daß die von einem dikken Vorſteher, zuſam-
men gedruͤkkte Harnroͤhre geborſten iſt (i).

Ob nun gleich der Harn durch die Harnroͤhre ſeinen
natuͤrlichen Ausgang findet, ſo iſt dieſes doch nicht be-
ſtaͤndig ſo. Es verhaͤlt ſich naͤmlich der Urm im Men-
ſchen, und in den vierfuͤßigen Thieren, einige, ziemlich
merkliche Zeit uͤber, in der Blaſe, und er fließt daraus
nicht, ſo lange der Menſch, oder das Thier, geſund iſt,
jemals von freien Stuͤkken fort. Nach dieſem Verwei-
len wird der Urin von der Kraft der Seele, welche den
Schmerz, und die Unbequemlichkeit nicht laͤnger ausſte-
hen kann, nach unſrem Willkuͤhr, durch Anwendung
einiger Muſkelkraft, aus der Blaſe fortgetrieben. Es
fraͤgt ſich, warum der Urin, da doch beſtaͤndig von der
Niere neuer zufließt, nicht ſo gleich, als er in die Blaſe
koͤmmt, weiter fortgeht?

Jch uͤbergehe hier das willkuͤrliche Verengern, ver-
mittelſt deſſen man den bereits ſtroͤmenden Urin, nach un-
ſern Belieben, forttreibet, und auch dem heftigen Rei-
ze Widerſtand thut. Es ruͤhret dieſe Kraft offenbar von
dem andern Muſkel der maͤnnlichen Ruthe her, welcher,
indem er auf die Zwiebel der Harnroͤhre druͤkkt, alle Ge-
meinſchaft zwiſchen der Blaſe und der diſſeitigen Harn-
roͤhre hemmt. Es fraͤgt ſich, welches die beſtaͤndige Ur-
ſache ſei, welche, ohne daß wir darauf acht geben, und

wenn
(f) [Spaltenumbruch] MOVRIK. de iſchuria.
(g) Eph. Nat. Cur. Dec. I. ann.
3. obſ.
167.
(h) BARTHOLIN. Cent. III.
hiſt. 35. &c.
(h*) p. 323.
(h†) p. 388. davon verhielt ſich
[Spaltenumbruch] der Urin acht Tage, nachdem er
Arſenik gegeſſen. SAUVAGES. no-
ſolog. V. p
123. 124. von Kraͤhen-
augen HILLEFELD. p. 4. a tetano.
p.
388.
(i) HEUERMAN. T. IV. p. 103.
O o 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0617" n="581"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;chn. die der Harn nimmt.</hi></fw><lb/>
Entzu&#x0364;ndung des Ma&#x017F;tdarms<note place="foot" n="(f)"><cb/><hi rendition="#aq">MOVRIK. de i&#x017F;churia.</hi></note>, von einem Abce&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zwi&#x017F;chen dem Ma&#x017F;tdarme und der Scheide <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">Eph. Nat. Cur. Dec. I. ann.<lb/>
3. ob&#x017F;.</hi> 167.</note>, von fe&#x017F;te<lb/>
&#x017F;tekkenden Steinen <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">BARTHOLIN. Cent. III.<lb/>
hi&#x017F;t. 35. &amp;c.</hi></note>, von einer blo&#x017F;&#x017F;en La&#x0364;hmung, und<lb/>
zu &#x017F;tarker Ausdehnung <note place="foot" n="(h*)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 323.</note>, von einem Nervenreize <note place="foot" n="(h&#x2020;)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 388. davon verhielt &#x017F;ich<lb/><cb/>
der Urin acht Tage, nachdem er<lb/>
Ar&#x017F;enik gege&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq">SAUVAGES. no-<lb/>
&#x017F;olog. V. p</hi> 123. 124. von Kra&#x0364;hen-<lb/>
augen <hi rendition="#aq">HILLEFELD. p. 4. a tetano.<lb/>
p.</hi> 388.</note>.<lb/>
Man weis, daß die von einem dikken Vor&#x017F;teher, zu&#x017F;am-<lb/>
men gedru&#x0364;kkte Harnro&#x0364;hre gebor&#x017F;ten i&#x017F;t <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">HEUERMAN. T. IV. p.</hi> 103.</note>.</p><lb/>
              <p>Ob nun gleich der Harn durch die Harnro&#x0364;hre &#x017F;einen<lb/>
natu&#x0364;rlichen Ausgang findet, &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;es doch nicht be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;o. Es verha&#x0364;lt &#x017F;ich na&#x0364;mlich der Urm im Men-<lb/>
&#x017F;chen, und in den vierfu&#x0364;ßigen Thieren, einige, ziemlich<lb/>
merkliche Zeit u&#x0364;ber, in der Bla&#x017F;e, und er fließt daraus<lb/>
nicht, &#x017F;o lange der Men&#x017F;ch, oder das Thier, ge&#x017F;und i&#x017F;t,<lb/>
jemals von freien Stu&#x0364;kken fort. Nach die&#x017F;em Verwei-<lb/>
len wird der Urin von der Kraft der Seele, welche den<lb/>
Schmerz, und die Unbequemlichkeit nicht la&#x0364;nger aus&#x017F;te-<lb/>
hen kann, nach un&#x017F;rem Willku&#x0364;hr, durch Anwendung<lb/>
einiger Mu&#x017F;kelkraft, aus der Bla&#x017F;e fortgetrieben. Es<lb/>
fra&#x0364;gt &#x017F;ich, warum der Urin, da doch be&#x017F;ta&#x0364;ndig von der<lb/>
Niere neuer zufließt, nicht &#x017F;o gleich, als er in die Bla&#x017F;e<lb/>
ko&#x0364;mmt, weiter fortgeht?</p><lb/>
              <p>Jch u&#x0364;bergehe hier das willku&#x0364;rliche Verengern, ver-<lb/>
mittel&#x017F;t de&#x017F;&#x017F;en man den bereits &#x017F;tro&#x0364;menden Urin, nach un-<lb/>
&#x017F;ern Belieben, forttreibet, und auch dem heftigen Rei-<lb/>
ze Wider&#x017F;tand thut. Es ru&#x0364;hret die&#x017F;e Kraft offenbar von<lb/>
dem andern Mu&#x017F;kel der ma&#x0364;nnlichen Ruthe her, welcher,<lb/>
indem er auf die Zwiebel der Harnro&#x0364;hre dru&#x0364;kkt, alle Ge-<lb/>
mein&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen der Bla&#x017F;e und der di&#x017F;&#x017F;eitigen Harn-<lb/>
ro&#x0364;hre hemmt. Es fra&#x0364;gt &#x017F;ich, welches die be&#x017F;ta&#x0364;ndige Ur-<lb/>
&#x017F;ache &#x017F;ei, welche, ohne daß wir darauf acht geben, und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O o 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[581/0617] IV. Abſchn. die der Harn nimmt. Entzuͤndung des Maſtdarms (f), von einem Abceſſe zwiſchen dem Maſtdarme und der Scheide (g), von feſte ſtekkenden Steinen (h), von einer bloſſen Laͤhmung, und zu ſtarker Ausdehnung (h*), von einem Nervenreize (h†). Man weis, daß die von einem dikken Vorſteher, zuſam- men gedruͤkkte Harnroͤhre geborſten iſt (i). Ob nun gleich der Harn durch die Harnroͤhre ſeinen natuͤrlichen Ausgang findet, ſo iſt dieſes doch nicht be- ſtaͤndig ſo. Es verhaͤlt ſich naͤmlich der Urm im Men- ſchen, und in den vierfuͤßigen Thieren, einige, ziemlich merkliche Zeit uͤber, in der Blaſe, und er fließt daraus nicht, ſo lange der Menſch, oder das Thier, geſund iſt, jemals von freien Stuͤkken fort. Nach dieſem Verwei- len wird der Urin von der Kraft der Seele, welche den Schmerz, und die Unbequemlichkeit nicht laͤnger ausſte- hen kann, nach unſrem Willkuͤhr, durch Anwendung einiger Muſkelkraft, aus der Blaſe fortgetrieben. Es fraͤgt ſich, warum der Urin, da doch beſtaͤndig von der Niere neuer zufließt, nicht ſo gleich, als er in die Blaſe koͤmmt, weiter fortgeht? Jch uͤbergehe hier das willkuͤrliche Verengern, ver- mittelſt deſſen man den bereits ſtroͤmenden Urin, nach un- ſern Belieben, forttreibet, und auch dem heftigen Rei- ze Widerſtand thut. Es ruͤhret dieſe Kraft offenbar von dem andern Muſkel der maͤnnlichen Ruthe her, welcher, indem er auf die Zwiebel der Harnroͤhre druͤkkt, alle Ge- meinſchaft zwiſchen der Blaſe und der diſſeitigen Harn- roͤhre hemmt. Es fraͤgt ſich, welches die beſtaͤndige Ur- ſache ſei, welche, ohne daß wir darauf acht geben, und wenn (f) MOVRIK. de iſchuria. (g) Eph. Nat. Cur. Dec. I. ann. 3. obſ. 167. (h) BARTHOLIN. Cent. III. hiſt. 35. &c. (h*) p. 323. (h†) p. 388. davon verhielt ſich der Urin acht Tage, nachdem er Arſenik gegeſſen. SAUVAGES. no- ſolog. V. p 123. 124. von Kraͤhen- augen HILLEFELD. p. 4. a tetano. p. 388. (i) HEUERMAN. T. IV. p. 103. O o 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/617
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/617>, abgerufen am 19.04.2024.