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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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II. Abs. Anfänge des Thieres.
§. 8.
Die Schwierigkeiten dabei. Die Aehnlichkeit
mit den Aeltern.

Es scheinet mit diese Hipothese zwar der Natur ge-
mäßer zu seyn; man muß aber darum Dinge nicht so-
gleich für wahr annehmen, welche die Wahrheit zu be-
günstigen scheinen. Man findet hier in der That, wo-
hin man sich auch immer wendet, eine Schwierigkeit,
welche sich schwerlich ausweichen läst.

Erstlich weiß man von dem menschlichen Geschlechte
zuverläßig, daß die Kinder sehr oft mit ihren Aeltern
offenbar viel Aehnlichkeit haben, und es lässet sich ein
Bruder aus dem Bruder, ein Sohn aus dem Vater,
und sogar der Großvater, oder auch aus der Mutter er-
rathen (a), ja es giebt bei gewissen Familien, wenigstens
im Gesichte, Mienen, woraus sich alle Blutsfreünde
solcher Häuser erkennen lassen. Meine eigene Familie,
welche eine ziemliche Leibeslänge unterscheidet, läst sich
daran, nun schon in der dritten Zeugung, erkennen, und
es ist kein einziger Enkel, deren doch viele vorhanden
sind, und welche von einem gemeinschaftlichen Großva-
ter abstammen, von dieser Bemerkung ausgenommen.
Eben so wenig ist es selten, rothärige Familien zu sehen,
da diese verhaste Farbe entweder vom Vater, oder von
der Mutter und Großmutter abstammt. Jndessen läst
sich doch die verjüngte Gesichtsähnlichkeit der Aeltern an
den Kindern noch viel genauer bemerken, wenn der Va-
ter, oder die Mutter einen gewissen besondern Fehler,
oder ein besonderes Merkmal an sich hat, und dieser
Fehler bei den Kindern wieder eingedrükkt erscheint.

Was die Krankheiten anbelangt, so besizzet dieser
Grund weniger Stärke, weil es Niemand, sonderlich
von der Mutter leugnet, daß der gröste Theil der Säfte

eines
(a) Vergleichet BUTTNER. qualit. heredit. p. 35.
II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
§. 8.
Die Schwierigkeiten dabei. Die Aehnlichkeit
mit den Aeltern.

Es ſcheinet mit dieſe Hipotheſe zwar der Natur ge-
maͤßer zu ſeyn; man muß aber darum Dinge nicht ſo-
gleich fuͤr wahr annehmen, welche die Wahrheit zu be-
guͤnſtigen ſcheinen. Man findet hier in der That, wo-
hin man ſich auch immer wendet, eine Schwierigkeit,
welche ſich ſchwerlich ausweichen laͤſt.

Erſtlich weiß man von dem menſchlichen Geſchlechte
zuverlaͤßig, daß die Kinder ſehr oft mit ihren Aeltern
offenbar viel Aehnlichkeit haben, und es laͤſſet ſich ein
Bruder aus dem Bruder, ein Sohn aus dem Vater,
und ſogar der Großvater, oder auch aus der Mutter er-
rathen (a), ja es giebt bei gewiſſen Familien, wenigſtens
im Geſichte, Mienen, woraus ſich alle Blutsfreuͤnde
ſolcher Haͤuſer erkennen laſſen. Meine eigene Familie,
welche eine ziemliche Leibeslaͤnge unterſcheidet, laͤſt ſich
daran, nun ſchon in der dritten Zeugung, erkennen, und
es iſt kein einziger Enkel, deren doch viele vorhanden
ſind, und welche von einem gemeinſchaftlichen Großva-
ter abſtammen, von dieſer Bemerkung ausgenommen.
Eben ſo wenig iſt es ſelten, rothaͤrige Familien zu ſehen,
da dieſe verhaſte Farbe entweder vom Vater, oder von
der Mutter und Großmutter abſtammt. Jndeſſen laͤſt
ſich doch die verjuͤngte Geſichtsaͤhnlichkeit der Aeltern an
den Kindern noch viel genauer bemerken, wenn der Va-
ter, oder die Mutter einen gewiſſen beſondern Fehler,
oder ein beſonderes Merkmal an ſich hat, und dieſer
Fehler bei den Kindern wieder eingedruͤkkt erſcheint.

Was die Krankheiten anbelangt, ſo beſizzet dieſer
Grund weniger Staͤrke, weil es Niemand, ſonderlich
von der Mutter leugnet, daß der groͤſte Theil der Saͤfte

eines
(a) Vergleichet BUTTNER. qualit. heredit. p. 35.
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[159/0211] II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres. §. 8. Die Schwierigkeiten dabei. Die Aehnlichkeit mit den Aeltern. Es ſcheinet mit dieſe Hipotheſe zwar der Natur ge- maͤßer zu ſeyn; man muß aber darum Dinge nicht ſo- gleich fuͤr wahr annehmen, welche die Wahrheit zu be- guͤnſtigen ſcheinen. Man findet hier in der That, wo- hin man ſich auch immer wendet, eine Schwierigkeit, welche ſich ſchwerlich ausweichen laͤſt. Erſtlich weiß man von dem menſchlichen Geſchlechte zuverlaͤßig, daß die Kinder ſehr oft mit ihren Aeltern offenbar viel Aehnlichkeit haben, und es laͤſſet ſich ein Bruder aus dem Bruder, ein Sohn aus dem Vater, und ſogar der Großvater, oder auch aus der Mutter er- rathen (a), ja es giebt bei gewiſſen Familien, wenigſtens im Geſichte, Mienen, woraus ſich alle Blutsfreuͤnde ſolcher Haͤuſer erkennen laſſen. Meine eigene Familie, welche eine ziemliche Leibeslaͤnge unterſcheidet, laͤſt ſich daran, nun ſchon in der dritten Zeugung, erkennen, und es iſt kein einziger Enkel, deren doch viele vorhanden ſind, und welche von einem gemeinſchaftlichen Großva- ter abſtammen, von dieſer Bemerkung ausgenommen. Eben ſo wenig iſt es ſelten, rothaͤrige Familien zu ſehen, da dieſe verhaſte Farbe entweder vom Vater, oder von der Mutter und Großmutter abſtammt. Jndeſſen laͤſt ſich doch die verjuͤngte Geſichtsaͤhnlichkeit der Aeltern an den Kindern noch viel genauer bemerken, wenn der Va- ter, oder die Mutter einen gewiſſen beſondern Fehler, oder ein beſonderes Merkmal an ſich hat, und dieſer Fehler bei den Kindern wieder eingedruͤkkt erſcheint. Was die Krankheiten anbelangt, ſo beſizzet dieſer Grund weniger Staͤrke, weil es Niemand, ſonderlich von der Mutter leugnet, daß der groͤſte Theil der Saͤfte eines (a) Vergleichet BUTTNER. qualit. heredit. p. 35.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/211>, abgerufen am 25.04.2024.