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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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Die Frucht. XXIX. B.

Wenn sie sich von selbsten im Saamen erzeugen, so
liege nichts daran, daß sich nicht auch die Frucht von
selbsten erzeugen sollte.

Aus einer Raupenpuppe komme ein vollkommnes
Thier, aber aus den Häuten der Frucht, oder aus ei-
ner menschlichen Puppe, komme noch keine vollkommne
Frucht (k).

Es scheine einem Ungeheuer ähnlich zu werden, wenn
ein Thier zweimal geboren werden sollte (l).

Man könnte auch hier antworten, eine Frucht wach-
se in der That um desto schneller, je näher sie ihrem Ur-
sprunge sey (m). Folglich kann dieses Wachsthum un-
gemein schnell seyn, sobald nur das Würmchen seinen
Nabel in die Gefässe des Eyes inserirt, und zugleich der
Drukk der warznen Luft, oder der Dämpfe die Säfte
des Eyes in die Adern der Frucht hinein preßt. Jn
einem, noch nicht bebrüteten Hünereye lebe die Frucht
von dem Safte des Eyes und wachse nicht geschwinde,
weil zu diesem Wachsthume der Drukk der Luft erfordert
werde. Es sey ein Vorrecht der Jnsekten, aus den
Puppenhülsen vollkommen auszukriechen, da sie sich selbst
überlassen, ihren Unterhalt auf eine mühsame Art suchen
müssen; hier seye keine ähnliche Ursache, warum die
vierfüßige Thiere und Vögel, so die Natur ihren Müt-
tern zur Verpflegung übergeben, eben so vollkommen
aus ihren Häuten hervor kommen sollten. Man wisse
in der That die Art nicht, wie sich die Würmerchen
im Saamen erzeugen, es entstehen aber überall neue
Thiere, und doch übersteige solches ebenfalls unsere Kräf-
te, wenn man erklären sollte, durch was für Gesezze
sie gebildet werden. Der Mensch werde nur einmal ge-

boren,
(k) [Spaltenumbruch] BUFFON II. p. 159. VA-
LISNER c. 10. n.
9.
(l) VALISNER c. 10. n. 10.
(m) [Spaltenumbruch] Form. du poulet. II. l. c.
p.
42. u. s. f.
Die Frucht. XXIX. B.

Wenn ſie ſich von ſelbſten im Saamen erzeugen, ſo
liege nichts daran, daß ſich nicht auch die Frucht von
ſelbſten erzeugen ſollte.

Aus einer Raupenpuppe komme ein vollkommnes
Thier, aber aus den Haͤuten der Frucht, oder aus ei-
ner menſchlichen Puppe, komme noch keine vollkommne
Frucht (k).

Es ſcheine einem Ungeheuer aͤhnlich zu werden, wenn
ein Thier zweimal geboren werden ſollte (l).

Man koͤnnte auch hier antworten, eine Frucht wach-
ſe in der That um deſto ſchneller, je naͤher ſie ihrem Ur-
ſprunge ſey (m). Folglich kann dieſes Wachsthum un-
gemein ſchnell ſeyn, ſobald nur das Wuͤrmchen ſeinen
Nabel in die Gefaͤſſe des Eyes inſerirt, und zugleich der
Drukk der warznen Luft, oder der Daͤmpfe die Saͤfte
des Eyes in die Adern der Frucht hinein preßt. Jn
einem, noch nicht bebruͤteten Huͤnereye lebe die Frucht
von dem Safte des Eyes und wachſe nicht geſchwinde,
weil zu dieſem Wachsthume der Drukk der Luft erfordert
werde. Es ſey ein Vorrecht der Jnſekten, aus den
Puppenhuͤlſen vollkommen auszukriechen, da ſie ſich ſelbſt
uͤberlaſſen, ihren Unterhalt auf eine muͤhſame Art ſuchen
muͤſſen; hier ſeye keine aͤhnliche Urſache, warum die
vierfuͤßige Thiere und Voͤgel, ſo die Natur ihren Muͤt-
tern zur Verpflegung uͤbergeben, eben ſo vollkommen
aus ihren Haͤuten hervor kommen ſollten. Man wiſſe
in der That die Art nicht, wie ſich die Wuͤrmerchen
im Saamen erzeugen, es entſtehen aber uͤberall neue
Thiere, und doch uͤberſteige ſolches ebenfalls unſere Kraͤf-
te, wenn man erklaͤren ſollte, durch was fuͤr Geſezze
ſie gebildet werden. Der Menſch werde nur einmal ge-

boren,
(k) [Spaltenumbruch] BUFFON II. p. 159. VA-
LISNER c. 10. n.
9.
(l) VALISNER c. 10. n. 10.
(m) [Spaltenumbruch] Form. du poulet. II. l. c.
p.
42. u. ſ. f.
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[150/0202] Die Frucht. XXIX. B. Wenn ſie ſich von ſelbſten im Saamen erzeugen, ſo liege nichts daran, daß ſich nicht auch die Frucht von ſelbſten erzeugen ſollte. Aus einer Raupenpuppe komme ein vollkommnes Thier, aber aus den Haͤuten der Frucht, oder aus ei- ner menſchlichen Puppe, komme noch keine vollkommne Frucht (k). Es ſcheine einem Ungeheuer aͤhnlich zu werden, wenn ein Thier zweimal geboren werden ſollte (l). Man koͤnnte auch hier antworten, eine Frucht wach- ſe in der That um deſto ſchneller, je naͤher ſie ihrem Ur- ſprunge ſey (m). Folglich kann dieſes Wachsthum un- gemein ſchnell ſeyn, ſobald nur das Wuͤrmchen ſeinen Nabel in die Gefaͤſſe des Eyes inſerirt, und zugleich der Drukk der warznen Luft, oder der Daͤmpfe die Saͤfte des Eyes in die Adern der Frucht hinein preßt. Jn einem, noch nicht bebruͤteten Huͤnereye lebe die Frucht von dem Safte des Eyes und wachſe nicht geſchwinde, weil zu dieſem Wachsthume der Drukk der Luft erfordert werde. Es ſey ein Vorrecht der Jnſekten, aus den Puppenhuͤlſen vollkommen auszukriechen, da ſie ſich ſelbſt uͤberlaſſen, ihren Unterhalt auf eine muͤhſame Art ſuchen muͤſſen; hier ſeye keine aͤhnliche Urſache, warum die vierfuͤßige Thiere und Voͤgel, ſo die Natur ihren Muͤt- tern zur Verpflegung uͤbergeben, eben ſo vollkommen aus ihren Haͤuten hervor kommen ſollten. Man wiſſe in der That die Art nicht, wie ſich die Wuͤrmerchen im Saamen erzeugen, es entſtehen aber uͤberall neue Thiere, und doch uͤberſteige ſolches ebenfalls unſere Kraͤf- te, wenn man erklaͤren ſollte, durch was fuͤr Geſezze ſie gebildet werden. Der Menſch werde nur einmal ge- boren, (k) BUFFON II. p. 159. VA- LISNER c. 10. n. 9. (l) VALISNER c. 10. n. 10. (m) Form. du poulet. II. l. c. p. 42. u. ſ. f.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/202>, abgerufen am 25.04.2024.