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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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II. Abs. Anfänge des Thieres.
migen cellulösen Bau bis dahin, verborgen gehalten ha-
ben? so wie die unsichtbare Lunge, mit einmal groß er-
scheinet, und dieses noch um etwas früher werden kan,
wofern man das weisse cellulöse Gewebe, woraus sie
besteht, durch Weingeist feste macht.

Jn der That mus ein Herz da gewesen seyn, wenn
der Ausspruch dieses berühmten Mannes zuverläßig ist,
und wofern es ein Ast der Mutter ist. Wir haben ge-
zeiget, daß ein Hühnchen (c) auch in der Zeit gewach-
sen, da es sich in dem Eierstokke aufgehalten. Folglich
hatte es da schon ein Herz, und es muste das Herz
schon die Fähigkeit damals besizzen, das Blut weiter
zu treiben, als der berümte Mann noch weiter nichts,
als Kügelchen an der Frucht gewahr wurde.

Man könnte zwar sagen, es habe der beschriebene
Kreislauf, das von der Schlagader herbeigeführte Blut
nöthigen können, wieder ins Herz zurükke zu fliessen (d).
Warum ist dieser Zirkel aber überhaupt entstanden,
warum bleibt die fortrükkende Kraft des Blutes stille
stehen, warum geht es zurükke, und warum geht es
nicht, ohne sich zu verweilen, weiter, oder warum ver-
zehrt sich diese Kraft nicht auf die Erweiterung der
Schlagader?

Wie kann sich dieser berühmte Mann die Hoffnung
machen, die Grundstoffe der Dinge gesehen zu haben.
Er sahe Kügelchen, zu der Zeit da er noch kein Herz
sahe (e), folglich sind selbige grösser, oder wenigstens
doch sichtbarer, als das Herz selbst gewesen.

Endlich, warum soll, denn ich mag mich nicht län-
ger bei dieser Hipothese verweilen, seine wesentliche Kraft,
welches nur eine einzige Kraft seyn soll, warum, sage

ich,
(c) [Spaltenumbruch] c. p. 91. 95. und insonder-
heit kurz darauf.
(d) [Spaltenumbruch] Figura venosa. Form. du
poulet. II. Sect. IV.
(e) t. 2. f. 1. 4.
N 5

II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
migen celluloͤſen Bau bis dahin, verborgen gehalten ha-
ben? ſo wie die unſichtbare Lunge, mit einmal groß er-
ſcheinet, und dieſes noch um etwas fruͤher werden kan,
wofern man das weiſſe celluloͤſe Gewebe, woraus ſie
beſteht, durch Weingeiſt feſte macht.

Jn der That mus ein Herz da geweſen ſeyn, wenn
der Ausſpruch dieſes beruͤhmten Mannes zuverlaͤßig iſt,
und wofern es ein Aſt der Mutter iſt. Wir haben ge-
zeiget, daß ein Huͤhnchen (c) auch in der Zeit gewach-
ſen, da es ſich in dem Eierſtokke aufgehalten. Folglich
hatte es da ſchon ein Herz, und es muſte das Herz
ſchon die Faͤhigkeit damals beſizzen, das Blut weiter
zu treiben, als der beruͤmte Mann noch weiter nichts,
als Kuͤgelchen an der Frucht gewahr wurde.

Man koͤnnte zwar ſagen, es habe der beſchriebene
Kreislauf, das von der Schlagader herbeigefuͤhrte Blut
noͤthigen koͤnnen, wieder ins Herz zuruͤkke zu flieſſen (d).
Warum iſt dieſer Zirkel aber uͤberhaupt entſtanden,
warum bleibt die fortruͤkkende Kraft des Blutes ſtille
ſtehen, warum geht es zuruͤkke, und warum geht es
nicht, ohne ſich zu verweilen, weiter, oder warum ver-
zehrt ſich dieſe Kraft nicht auf die Erweiterung der
Schlagader?

Wie kann ſich dieſer beruͤhmte Mann die Hoffnung
machen, die Grundſtoffe der Dinge geſehen zu haben.
Er ſahe Kuͤgelchen, zu der Zeit da er noch kein Herz
ſahe (e), folglich ſind ſelbige groͤſſer, oder wenigſtens
doch ſichtbarer, als das Herz ſelbſt geweſen.

Endlich, warum ſoll, denn ich mag mich nicht laͤn-
ger bei dieſer Hipotheſe verweilen, ſeine weſentliche Kraft,
welches nur eine einzige Kraft ſeyn ſoll, warum, ſage

ich,
(c) [Spaltenumbruch] c. p. 91. 95. und inſonder-
heit kurz darauf.
(d) [Spaltenumbruch] Figura venoſa. Form. du
poulet. II. Sect. IV.
(e) t. 2. f. 1. 4.
N 5
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[201/0253] II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres. migen celluloͤſen Bau bis dahin, verborgen gehalten ha- ben? ſo wie die unſichtbare Lunge, mit einmal groß er- ſcheinet, und dieſes noch um etwas fruͤher werden kan, wofern man das weiſſe celluloͤſe Gewebe, woraus ſie beſteht, durch Weingeiſt feſte macht. Jn der That mus ein Herz da geweſen ſeyn, wenn der Ausſpruch dieſes beruͤhmten Mannes zuverlaͤßig iſt, und wofern es ein Aſt der Mutter iſt. Wir haben ge- zeiget, daß ein Huͤhnchen (c) auch in der Zeit gewach- ſen, da es ſich in dem Eierſtokke aufgehalten. Folglich hatte es da ſchon ein Herz, und es muſte das Herz ſchon die Faͤhigkeit damals beſizzen, das Blut weiter zu treiben, als der beruͤmte Mann noch weiter nichts, als Kuͤgelchen an der Frucht gewahr wurde. Man koͤnnte zwar ſagen, es habe der beſchriebene Kreislauf, das von der Schlagader herbeigefuͤhrte Blut noͤthigen koͤnnen, wieder ins Herz zuruͤkke zu flieſſen (d). Warum iſt dieſer Zirkel aber uͤberhaupt entſtanden, warum bleibt die fortruͤkkende Kraft des Blutes ſtille ſtehen, warum geht es zuruͤkke, und warum geht es nicht, ohne ſich zu verweilen, weiter, oder warum ver- zehrt ſich dieſe Kraft nicht auf die Erweiterung der Schlagader? Wie kann ſich dieſer beruͤhmte Mann die Hoffnung machen, die Grundſtoffe der Dinge geſehen zu haben. Er ſahe Kuͤgelchen, zu der Zeit da er noch kein Herz ſahe (e), folglich ſind ſelbige groͤſſer, oder wenigſtens doch ſichtbarer, als das Herz ſelbſt geweſen. Endlich, warum ſoll, denn ich mag mich nicht laͤn- ger bei dieſer Hipotheſe verweilen, ſeine weſentliche Kraft, welches nur eine einzige Kraft ſeyn ſoll, warum, ſage ich, (c) c. p. 91. 95. und inſonder- heit kurz darauf. (d) Figura venoſa. Form. du poulet. II. Sect. IV. (e) t. 2. f. 1. 4. N 5

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/253>, abgerufen am 18.04.2024.